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Rufe nach Konsequenzen nach Pisa-Absturz

Archivmeldung vom 05.12.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.12.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
(Symbolbild)
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Bild: Unbekannt / Eigenes Werk

Nach dem Leistungsrückgang deutscher Schüler in der neuen Pisa-Studie werden Rufe nach Konsequenzen laut. So drängt etwa die Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW) auf einen "Masterplan" gegen Bildungsarmut und soziale Ungerechtigkeit.

"Die enge Kopplung von Schulerfolg und Elternhaus ist das Kardinalproblem des Schulsystems", sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ziel müsse sein, die individuelle Förderung der Schüler zu verbessern - "ohne Wenn und Aber". 

Die GEW nimmt dabei vor allem die Länder in die Pflicht: Sie müssten ihre Anstrengungen deutlich erhöhen, um den Lehr- und Fachkräftemangel effektiv im Bildungswesen effektiv zu bekämpfen. Ziel müsse sein, die Grundkompetenzen - die Sprach- und Lesefähigkeit - der Kinder durchgängig zu fördern und soziale Hürden abzubauen. Außerdem müsse die Politik die Ganztagsschulentwicklung vorantreiben und sie materiell und personell auf ein gutes Fundament stellen. "Es muss mehr Geld dahin fließen, wo es am dringendsten gebraucht wird: An die Schulen, in denen viele arme Kinder unterrichtet werden." 

Dafür brauche es einen Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen in der Schulpolitik. Für den Kinderschutzbund sind die Ergebnisse der aktuellen Pisa-Studie unterdessen ein weiterer Beweis dafür, dass die Benachteiligung von armen Kindern im deutschen Bildungswesen System hat: Deutschland schaffe es nach wie vor nicht, "das Versprechen vom Aufstieg durch Bildung einzulösen", sagte Sabine Andresen, Präsidentin des Kinderschutzbundes, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir scheitern am eigenen Anspruch, allen Kindern gerechte Chancen zu bieten." Dass Kinder - egal welcher Herkunft - heute im Durchschnitt schlechter Lesen und Rechnen könnten als noch 2018, "muss uns alarmieren". Offenbar sei es nicht gelungen, die Defizite aus der Corona-Pandemie aufzuholen. Im Gegenteil: "Kinder stehen immer öfter vor verschlossenen Schultoren, weil Schulen weder personell noch infrastrukturell hinreichend ausgestattet sind." 

Die Kinderschutz-Präsidentin verweist auf das Anrecht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung -"in so einem reichen Land". Andresen: "Dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen politisch so wenig Priorität besitzen, ist ein Armutszeugnis." Der Deutsche Lehrerverband fordert derweil mehr Anstrengungen bei der frühkindlichen Bildung: Schlüssel zu nachhaltigem Bildungserfolg seien schließlich die Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen, sagte Verbandspräsident Stefan Düll den Funke-Zeitungen. Sein Rezept für mehr Chancengleichheit im Schulsystem: Verpflichtende Vorschuljahre, Sprachstand-Tests in Kitas und gezielte Sprachförderung. Düll kritisiert den wirtschaftsorientierten Ansatz der Pisa-Studie, der nicht den Blick verstellen dürfe auf die Bedeutung von musischen Fächern, die genau diese kulturellen Erfolgsfaktoren förderten. Doch ohne eine genügende Anzahl von Lehrern gehe es nicht. Zusammen mit Schulpsychologen und Erziehern müssten sie mehr Zeit und Kompetenzen mitbringen, um Kinder besser sozial-emotional fördern zu können. 

Zudem müssten Klassen und Lerngruppen kleiner und Schulgebäude besser ausgestattet werden für eine konzentrations- und wertschätzende Umgebung. Allerdings lasse sich allein durch schulische Förderung der konstatierte Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Lernerfolg nicht aufheben. "Offen bleibt, welche Bedeutung die Corona-Zeit mit Schulschließungen und Distanzunterricht für die Defizite im Kompetenzerwerb und im sozial-emotionalen Wohlbefinden hat." Düll setzt weiterhin auf die Eltern - im Sinne einer "vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule". Das Münchener Ifo-Institut warnt wegen des Absturzes vor einer Gefährdung des wirtschaftlichen Wohlstands: "Gute Bildung ist die wichtigste Basis für unseren Wohlstand", sagte Ludger Wößmann, Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik. "In Mathematik und Lesen liegen die Leistungen der 15-Jährigen ein ganzes Schuljahr hinter dem zurück, wo sie noch vor vier Jahren standen. Einen derartigen Rückgang der Bildungsergebnisse hat es noch nie gegeben." Mittlerweile seien die Leistungen sogar unter das Niveau gefallen, das vor gut 20 Jahren den ersten PI SA-Schock ausgelöst hat. Der Rückgang von 25 PISA-Punkten, wie man ihn gerade in Mathematik gesehen habe, koste Deutschland langfristig "rund 14 Billionen Euro an Wirtschaftsleistung bis zum Ende des Jahrhunderts". 

Wößmann fügte hinzu: "Als Gesellschaft müssen wir einen größeren Schwerpunkt auf die Lernergebnisse legen und sicherstellen, dass alle Kinder und Jugendlichen die benötigten Basisfähigkeiten vermittelt bekommen." Die Verbesserung der schulischen Ergebnisse müsse in Politik, Bildungsverwaltung, Schulen und Familien Vorrang haben. Die Wirtschaftsforschung belege, dass die in Pisa gemessenen Grundkompetenzen die Basis für die späteren Einkommensmöglichkeiten der Schüler und für die Entwicklung der gesamten Volkswirtschaft seien. 

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Katharina Günther-Wünsch (CDU), setzt nach der Veröffentlichung der Pisa-Ergebnisse auf eine Stärkung der Basiskompetenzen: "Die KMK schärft derzeit ihre Empfehlungen für die Grundschulen und bereitet eine deutliche Stärkung des Deutsch- und Mathematikunterrichts vor", sagte die Berliner Bildungssenatorin. "Wir brauchen insbesondere eine gezielte Sprachförderung, die in der Frühen Bildung ansetzt und die Lernenden länger begleitet". Die Ergebnisse verdeutlichten zudem, dass die Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund, die selbst zugewandert sind, besondere Unterstützung benötigten. "Nicht zuletzt um ihnen einen Übergang in die berufliche Ausbildung, die soziale Teilhabe und gesellschaftliche Integration zu ermöglichen", so Günther-Wünsch.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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