DGB-Chef Hoffmann: Mindestlohn kann zu Preiserhöhungen führen
Archivmeldung vom 23.06.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer gesetzliche Mindestlohn kann nach Ansicht des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann auch Preiserhöhungen auslösen. "Wenn der Wert der Arbeit steigt, dann steigen auch die Preise der Produkte - nicht überall, aber in einigen Fällen", sagte Hoffmann in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Focus". "Das Pfund Spargel wird vielleicht 20 Cent teurer. Ich möchte aber den sehen, der deswegen keinen Spargel mehr kauft. Es geht um Cent-Beträge."
Hoffmann forderte mehr Kontrollen bei der Einführung des Mindestlohns. "Es wird mehr Personal für Kontrollen nötig sein", sagte er. "Verstöße gegen den Mindestlohn sind Vergehen, die geahndet werden müssen, das unterscheidet den Rechtsstaat von einer Bananenrepublik. Der Bundesfinanzminister, dem die zuständigen Kontrollbehörden unterstehen, muss also mehr Geld für Kontrolleure bereitstellen."
Außerdem müsse eine Generalunternehmerhaftung gelten, damit auch alle Auftragnehmer den Mindestlohn zahlten. "Die Regeln im Gesetzentwurf dazu sind nicht streng genug und müssen nachgebessert werden", so Hoffmann. Außerdem sollte "eine Hotline" eingerichtet werden. "Dort sollen sich Menschen melden, wenn sie keinen Mindestlohn bekommen, aber auch Unternehmen, die sich über Konkurrenten beschweren wollen." Großbritannien habe damit gute Erfahrungen gemacht.
DGB-Chef Hoffmann: Mindestlohn mit Steuerentlastung ergänzen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat die große Koalition aufgefordert, den gesetzlichen Mindestlohn mit steuerlichen Entlastungen für untere Einkommen zu verbinden. "Eine Steuerentlastung muss den Mindestlohn ergänzen", sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Focus". "Sonst bekommen Alleinverdiener mit Mindestlohn weniger heraus als ohne, weil in diesen Einkommensbereichen die Steuerprogression so stark anzieht."
Kleine und mittlere Einkommen müssten bei der Lohnsteuer entlastet werden, so Hoffmann. Im Gegenzug müsse die Abgeltungssteuer abgeschafft werden. "Auf Kapitaleinkommen muss wieder normale Einkommensteuer fällig werden", forderte Hoffmann. "Das bringt rund sechs Milliarden Euro mehr für die Staatskasse - und mehr Steuergerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass der Durchschnittsverdiener mehr als 35 Prozent Steuern zahlt und Millionäre mit Kapitaleinkünften mit 25 Prozent davon kommen."
Nirgendwo steigen die Steuersätze nach den Worten von Hoffmann so schnell wie bei unteren Einkommen. Schon bei 13.470 Euro Jahreseinkommen verlange der Fiskus 24 Prozent Lohnsteuer, kritisierte der DGB-Chef. "Diese Grenze muss nach oben verschoben werden - auf 14.500 Euro. Davon würden diejenigen profitieren, denen wir mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu deutlichen Lohnerhöhungen verhelfen."
Hoffmann kritisierte weiter, dass der Staat seine Einnahmen aus der Lohnsteuer seit 2005 um gut ein Drittel gesteigert habe. Im gleichen Zeitraum sei der Durchschnittslohn nur um 17 Prozent gestiegen. "Typische Facharbeiter zahlen heute mehr Steuern als 2005. Wer dagegen Kapitaleinkünfte hat, führt deutlich weniger an den Fiskus ab", sagte Hoffmann. "Das muss korrigiert werden."
Oppermann: Ausnahmen vom Mindestlohn "grober Unfug"
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hält es nach eigenen Angaben für "groben Unfug", einzelne Branchen vom Mindestlohn auszunehmen und hat wesentliche Änderungen beim Mindestlohn ausgeschlossen. Im Gesetzgebungsverfahren würden "Feinjustierungen" vorgenommen, sagte er der "Welt am Sonntag".
Der Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) werde aber "keine großen Änderungen mehr erfahren". Eine Branche besser zu behandeln als andere wäre nach seiner Überzeugung auch rechtlich zweifelhaft, so Oppermann.
Der SPD-Fraktionschef rief die Union, aus der Forderungen nach Ausnahmen gekommen waren, zum Einlenken auf. "Die gesamte Koalition sollte den Mindestlohn in großer Geschlossenheit mittragen", sagte er. "Es handelt sich um eine der wichtigsten Neuerungen der sozialen Marktwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten."
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bekräftigte: "Nach dem 1. Januar 2017 darf es keine Ausnahmen vom Mindestlohn mehr geben. Jede Ausnahme würde eine Diskussion über weitere Ausnahmen nach sich ziehen." Auch Erntehelfer müssten in einen Land wie Deutschland anständig bezahlt werden, sagte er der "Welt" (Online: Sonntag).
Ein einheitlicher Mindestlohn von 8,50 Euro werde nicht dazu führen, dass der Osten Deutschlands größere strukturelle Probleme bekomme, sagte er voraus. "In einzelnen Branchen haben wir Diskussionen. Aber diese Probleme sind lösbar." Die Wettbewerbsfähigkeit sei nur dann bedroht, wenn es einen ostdeutschen Mindestlohn gebe, der unter dem westdeutschen liege. "Damit würde man den Anreiz schaffen, dass sich junge Leute wie in den neunziger Jahren Richtung Westen orientieren."
DGB-Chef Hoffmann für Teilrente ab 60 Jahren
DGB-Chef Reiner Hoffmann hat sich für eine Teilrente ab 60 Jahren ausgesprochen und bessere Möglichkeiten gefordert, vor dem gesetzlichen Rentenalter teilweise aus dem Beruf auszusteigen. "Wir wollen gleitende Übergänge in die Rente tarifpolitisch gestalten", sagte Hoffmann im Interview des Nachrichtenmagazins "Focus". "Dafür braucht es bessere gesetzliche Rahmenbedingungen - zum Beispiel einen besseren Teilzeitanspruch, Altersteilzeit oder attraktivere Hinzuverdienstgrenzen bei der Teilrente, die schon ab 60 Jahren beginnen sollte."
Der Eindruck, die Gewerkschaften plädierten nun für einen Rentenzugang mit 60 Jahren, sei "Unsinn". Es sei auch das Ziel des DGB, dass Arbeitnehmer "die Chance bekommen, gesund länger zu arbeiten". Die Beschäftigungsquote nehme ab 60 Jahren rapide ab; von den 63-Jährigen habe nur noch jeder fünfte einen regulären Job.
Hoffmann forderte die Unternehmen auf, in Qualifizierung zu investieren, die Arbeitsplätze altersgerecht zu gestalten und die hohen Belastungen für die Beschäftigten senken: "Mit mehr Kreativität und Flexibilität bleiben die Beschäftigten nicht vorzeitig auf der Strecke", so der DGB-Chef. Hoffmann forderte auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: "Ich spreche lieber von Vereinbarkeit von Arbeit und Leben. Man muss aus dem Job aussteigen können für eine gewisse Zeit - um sich weiterzubilden oder gemeinnützig arbeiten zu können."
Der bereits von der IG Metall, aber auch von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) geforderten "Familienzeit" räumte Hoffmann gute Chancen ein: "Das wird kommen. Viele Männer sind überarbeitet und viele Frauen können und wollen mehr arbeiten." Auch hier müssten die Arbeitgeber "beweglicher werden".
Quelle: dts Nachrichtenagentur