Wiese erklärt Obergrenzen-Diskussion für "unsinnig"
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hat Überlegungen zu einer Maximalzahl von Asylanträgen pro Jahr zurückgewiesen. "Eine Obergrenzen-Diskussion wie in den vergangenen Jahren halte ich für unsinnig", sagte Wiese der "Welt".
Die Frage einer Höchstmarke habe "auch in den Koalitionsverhandlungen
keine Rolle gespielt". Migrationsbewegungen schwankten, sagte Wiese
weiter. "Sie sind abhängig von externen Faktoren, auf die Europa nur
bedingt Einfluss hat." Der eingeschlagene "Weg von Humanität und
Ordnung" sei der richtige Ansatz bei der Steuerung der Migration nach
Deutschland und Europa. "Wichtig hierbei ist, dass das Grundrecht auf
Asyl nicht angetastet wird."
CDU-Chef Friedrich Merz hatte am
Sonntag in der ARD-Sendung "Caren Miosga" auf wiederholte Nachfrage ein
Ziel von unter 100.000 Asylanträgen pro Jahr genannt. "Unsere
Vorstellung ist die, dass wir diese Zahlen jetzt wirklich deutlich
reduzieren. Das darf auch keine sechsstellige Zahl mehr sein", sagte er.
Zuletzt
waren die Asylzahlen bereits deutlich gesunken. Laut dem
CDU-Rechtspolitiker Günter Krings könnten sie durch die geplanten
Zurückweisungen von Asylbewerbern an der Grenze noch weiter fallen. "Wir
werden sicher keine Zurückweisungsquote von 100 Prozent erreichen, da
eine Grenze niemals lückenlos zu kontrollieren ist", sagte Krings, der
für die CDU die Migrations-Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen
geleitet hatte, der "Welt". "Aber wenn uns dies schon bei einem hohen
Prozentsatz gelingt und wir das klar kommunizieren, dann ist das eine
sehr eindeutige Botschaft und dies wird auch einen abschreckenden Effekt
auf diejenigen haben, die in Europa eigenmächtig Binnengrenzen
überschreiten wollen, obwohl sie bereits in Sicherheit sind."
Die
Zahlen würden dann sinken - nicht nur in Deutschland, sondern auch in
Europa, so Krings. "Wenn Deutschland als bisheriges Hauptzielland
schwerer erreichbar ist, dann wird auch die EU für Migranten ohne
Asylgrund weniger attraktiv." Einen Beitrag dazu leisteten auch "die
verstärkte und vereinfachte Festlegung von sicheren Herkunftsstaaten und
die Maßnahmen der vereinbarten Rückführungsoffensive".
Der
Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration
(SVR), Winfried Kluth, verwies darauf, dass zuletzt deutlich weniger
Asylerstanträge gestellt wurden, etwa 9.000 im März. "Bliebe es bei
diesem Trend, könnten es tatsächlich am Jahresende weniger als 100.000
sein - auch ohne die fraglichen Zurückweisungen von Antragstellenden an
den EU-Binnengrenzen, die ja noch nicht praktiziert werden", sagte er
der "Welt". Wenn es der Bundesregierung gelänge, "entsprechende
rechtskonforme Vereinbarungen mit möglichst vielen seiner EU-Nachbarn zu
schließen, wäre dies sicher ein erheblicher Beitrag zur weiteren
Reduktion der Antragszahlen in Deutschland", so Kluth.
Er warnte
aber, dass sich das Problem auf andere EU-Staaten verlagern könne. "Denn
sehr wahrscheinlich käme es zu einer Art Domino-Effekt, an dessen Ende
die EU-Staaten an den Außengrenzen in erheblichem Maße mehr belastet
werden und dann ihrerseits noch mehr Schutzsuchende an ihren
Außengrenzen rechtswidrig zurückweisen dürften. Die Bundesregierung
sollte daher auf EU-Ebene weiter für eine möglichst faire Verteilung
eintreten, etwa entlang der Grundsätze des neuen
Solidaritätsmechanismus, der ab 2026 greifen soll."
Quelle: dts Nachrichtenagentur