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Arbeitslose fördern statt ins Existenzminimum eingreifen

Archivmeldung vom 05.11.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.11.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Mit Hilfe von Sanktionen werden Menschen in Lohnsklaverei gezwungen (Symbolbild)
Mit Hilfe von Sanktionen werden Menschen in Lohnsklaverei gezwungen (Symbolbild)

Bild: Unbekannt / Eigenes Werk

In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Diakonie Deutschland und der Paritätische Wohlfahrtsverband gemeinsam mit weiteren Partnern, Verbänden und Organisationen, die bestehenden Sanktionsregelungen im Hartz-IV-System aufzuheben und ein menschenwürdiges System der Förderung und Unterstützung einzuführen.

Anlass ist die Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts am 5. November 2019 zur Frage, ob die bestehenden Sanktionen, die bis zum vollständigen Entzug der Leistungen einschließlich der Miete reichen können, verfassungsgemäß sind. Das Gericht hatte über den Fall eines Arbeitslosen aus Erfurt zu urteilen, der mit 234,60 Euro im Monat weniger auskommen sollte, weil er ein Jobangebot abgelehnt und Probearbeit verweigert hatte.

Die Unterzeichnenden sind sich einig: Es darf keine Kürzungen am Existenzminimum geben. Durch Sanktionen werde das Lebensnotwendige gekürzt und soziale Teilhabe unmöglich gemacht, erklären die Unterzeichner, zu denen auch 50 Einzelpersonen aus Verbänden, Organisationen und Parteien gehören. Die Politik ist schon lange in der Verantwortung, das Hartz-IV-System so zu ändern, dass die Würde der Leistungsbezieher geachtet und nicht durch Sanktionen beeinträchtigt wird.

"Sanktionen führen zu Leid und dazu, dass Menschen sich zurückziehen," sagt Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. "Sie entspringen einer längst überwundenen Rohrstockpädagogik des vergangenen Jahrhunderts. Sie sind deshalb komplett und ersatzlos zu streichen."

"Die Grundsicherung soll das Existenzminimum abdecken, also das zum Leben unbedingt Notwendige," sagt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. "Wer mit Sanktionen das Lebensnotwendige kürzt, nimmt existentielle Not in Kauf. Die Diakonie setzt sich für ein sicheres Existenzminimum ein, für alle Menschen!"

"Die Sanktionen in ihrer jetzigen Form tragen nicht dazu bei, den Menschen eine Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben zu eröffnen", sagt Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes, "Und gerade die verschärften Sanktionen bei den Unter-25-Jährigen sind kontraproduktiv: Sie treiben junge Menschen ins Abseits. Wir wollen eine Grundsicherung, die unterstützt und fördert, statt zu gängeln!"

Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des DGB sagt dazu: "Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts sind immer nur verfassungsrechtliche Grenzen, über die der Gesetzgeber auch hinausgehen kann. Denn nicht alles, was unsere Verfassung vielleicht gerade noch so zulässt, ist auch im Interesse von Arbeitsuchenden und Beschäftigten. Und längst nicht alles, was gut und richtig ist wie beispielsweise der Mindestlohn, ergibt sich aus der Verfassung. Der Gesetzgeber kann und muss sicherstellen, dass das Existenzminimum durch Sanktionen nicht unterschritten wird."

Hintergrund:

Im bestehenden Sanktionsrecht ist jede Arbeit zumutbar - auch prekäre Arbeitsverhältnisse. Sanktionen haben negative soziale Folgen. Sie schaden der sozialen und beruflichen Eingliederung. Die Folgen sind Verschuldung, soziale Isolierung, massive gesundheitliche und psychische Belastungen bis hin zu drohender Wohnungslosigkeit. Der Kontakt zum Jobcenter wird teilweise abgebrochen; das Hilfesystem erreicht die Betroffenen nicht mehr. Jedes Jahr sind acht Prozent der Leistungsberechtigten von Sanktionen betroffen.

Quelle: Paritätischer Wohlfahrtsverband (ots)

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