Viel Lob der Opposition für "Europaminister" Schäuble
Archivmeldung vom 04.09.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenige Tage vor seinem 70. Geburtstag haben Politiker von SPD und Grünen das Euro-Krisenmanagement von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gelobt. Schäuble sei in der Krise des Europäischen Währungssystems ein "zentraler politischer Akteur und ganz sicher im Bundeskabinett der Einäugige unter den Blinden", sagte SPD-Haushälter Carsten Schneider bei "Handelsblatt-Online".
Grünen-Haushälterin Priska Hinz zeigte sich nicht nur beeindruckt von Schäubles politischer Karriere. Sie habe auch "großen Respekt vor der politischen Willenskraft, mit der Wolfgang Schäuble seit Jahrzehnten in verantwortlichen Positionen die Idee der Europäischen Einigung hochhält", sagte Hinz im Gespräch mit "Handelsblatt-Online". Das habe auch mit seinem Selbstverständnis zu tun. Stärker als seine Vorgänger sehe er den Schwerpunkt seines Amtes in Europa.
"Fast als einziger im Kabinett tritt Schäuble entschieden für eine proeuropäische Ausrichtung Deutschlands ein", konstatiert Hinz. Es sei daher "schade, dass er sich im Kabinett nicht stärker gegen die zögerliche und inkonsequente Politik der Bundeskanzlerin durchsetzt". Als Bundesfinanzminister sei er "der eigentliche Europaminister dieser Bundesregierung". Als einen der "erfahrensten" Politiker in Europa, würdigte die Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Birgit Reinemund, Schäuble. "Sein strategisches Geschick und seine Standhaftigkeit sind in der Euro-Krise für Deutschland ein großes Plus", sagte Reinemund "Handelsblatt-Online". In der Steuerpolitik und beim Thema Haushaltskonsolidierung könne er aber "durchaus ehrgeiziger vorangehen", auch wenn er dennoch zielstrebig auf das Ziel Nullverschuldung hinarbeite.
Kritisch sieht auch die Opposition den Haushaltpolitiker Schäuble. "Die Bilanz der Arbeit des Bundesfinanzministers besteht aus einer langen Liste unerledigter Aufgaben", sagte SPD-Politiker Schneider. Ob Reform der Kommunalfinanzen, der Mehrwertsteuer oder die Haushaltskonsolidierung, bei keiner diesen ehemals zentralen Vorhaben der Regierungskoalition in seinem Geschäftsbereich habe er nur in Ansätzen etwas geliefert. "Den Stillstand bei der Konsolidierung versucht er mit dem Begriff der wachstumsorientierte Konsolidierung zu beschönigen", kritisiert der SPD-Politiker. Und auch bei der Finanzmarktregulierung habe er nur auf den auch durch die SPD miterzeugten öffentlichen Druck reagiert. "Über dieses Versagen von Wolfgang Schäuble kann auch sein Renommee als lang gedienter Abgeordneter und Bundesminister nicht hinwegtäuschen."
Die Grünen-Expertin Hinz bemängelt, dass deutsche Haushaltspolitik für Minister Schäuble zur Nebensache zu werden scheine. "Während er über scharfe Sparauflagen für europäische Krisenländer verhandelt, gelingt ihm im eigenen Etat keine wirkliche Haushaltskonsolidierung", sagt sie. Bei den optimalen Rahmenbedingungen, der guten Konjunktur und niedriger Arbeitslosigkeit wäre hier "deutlich mehr" möglich.
Hinz setzt aber weiter auf Schäuble und seine Durchsetzungskraft, um fragwürdige und kostspielige Politikvorhaben zu stoppen. "Ich hoffe, die Vollendung seines 70. Lebensjahres verleiht Schäuble in der Koalition künftig die nötige Autorität um neue unsinnige Ausgabenprojekte wie das Betreuungsgeld oder die Zuschussrente zu verhindern", sagte sie.
Quelle: dts Nachrichtenagentur