FDP-Parteitag droht Streit über Staatsbürgerschaftsrecht
Archivmeldung vom 02.05.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer FDP droht auf ihrem Parteitag am kommenden Wochenende in Nürnberg eine Auseinandersetzung über das Staatsbürgerschaftsrecht. Während sich die Parteispitze dafür einsetzt, die sogenannte doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich zuzulassen, lehnt Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn diesen Plan strikt ab.
Hahn, der auch FDP-Präsidiumsmitglied ist, sagte der "Welt": "Keiner der Befürworter einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft konnte mir bisher ein schlagendes Argument zur Begründung nennen." Er werde "das Staatsbürgerschaftsrecht nicht auf dem Altar des Wahlkampfes opfern." Hahn will auf dem Parteitag beantragen, den Vorschlag der FDP-Spitze aus dem Wahlprogramm zu streichen. Der hessische Justiz- und Integrationsminister will am geltenden Optionsmodell festhalten, wonach sich in Deutschland geborene Kinder von Nicht-EU-Ausländern zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. "Wir haben klare Regelungen, wer wie und wann eine deutsche Staatsbürgerschaft erwerben kann", sagte Hahn. "Ich halte nichts davon, hier einen Rabatt einzuführen. Wer das Beste aus zwei Staatsbürgerschaften für sich haben will, der überreizt in meinen Augen die offene Willkommenskultur in unserem Land." Im Wahlprogrammentwurf heißt es dagegen: "Integration braucht auch die Offenheit und Integrationsbereitschaft einer Gesellschaft. Als Liberale werben wir für mehr Offenheit und Toleranz. Wir wollen eine Möglichkeit zur beschleunigten Einbürgerung nach vier Jahren und die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft."
FDP wirbt um Grünen-Wähler
Die FDP will im Bundestagswahlkampf um Grünen-Wähler werben. Es gebe einen Wettbewerb zwischen Grünen und FDP, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Liberalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der "Welt". "Beide Parteien sprechen auch das Bildungsbürgertum vor allem in Großstädten und Ballungsräumen an", erklärte die Justizministerin. Sie betonte: "Wenn manche Grünen meinen, das Wort liberal in den Mund nehmen zu müssen, dann sind sie natürlich einer unserer Hauptkonkurrenten." Sie sehe nicht, dass die Grünen eine liberale Partei seien. "Wer eine Politik der Bevormundung, der Verbote, der Umverteilung macht, ist nicht liberal", sagte die FDP-Politikerin. Sie warf den Grünen "absolut feindliche Politik für die Mittelschicht" vor. "So eine Politik würde unsere Gesellschaft zum Schlechten verändern." Es gebe in der FDP keinerlei Anlass, auch nur einen Gedanken an eine Ampelkoalition zu verschwenden, stellte Leutheusser-Schnarrenberger klar. Die FDP-Vizevorsitzende nannte als Wahlziel der Liberalen ein "zweistelliges" Ergebnis. "Die FDP sollte alles dafür tun, in die Nähe von zehn Prozent zu kommen. Die Landtagswahl in Niedersachsen hat gezeigt, dass wir das schaffen können", sagte sie. Auf jeden Fall sei eine Größenordnung von sieben bis zehn Prozent für die FDP drin. Als "Grundlinien" für Koalitionsverhandlungen mit der Union nannte sie die Abschwächung der kalten Progression und den Einstieg in den Abbau des Solidaritätszuschlags.
FDP-Spitze wegen Mindestlohn weiter unter Druck
Im FDP-internen Streit um einen Mindestlohn-Beschluss steht die Parteispitze weiter unter Druck. Die Jungen Liberalen (Juli) kündigten in der "Welt" für den Parteitag in Nürnberg ihren Widerstand gegen die Forderung der Parteiführung an, Mindestlöhne für regionale und branchenspezifische Ausnahmen zu erwirken. "Egal ob man Mindestlöhne jetzt in der FDP Lohnuntergrenzen nennt: Sie bleiben falsch und drängen junge Menschen und schlechter Ausgebildete in die Arbeitslosigkeit", sagte Juli-Vorsitzender Lasse Becker der "Welt". "Wir Julis werden beim Parteitag dagegen kämpfen." Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler warnte seine Partei davor, beliebig zu werden. "Die FDP muss Kante zeigen und den Rücken gerade machen. Wenn wir alle strittigen Themen abräumen, werden wir dadurch nicht beliebt, sondern beliebig", sagte er der Zeitung. Zugleich warnte Schäffler davor, dass Deutschland seine Glaubwürdigkeit in Europa aufs Spiel setzt. "Wir können Griechenland nicht nötigen, ihre Tarifverträge nicht mehr allgemeinverbindlich zu erklären, um damit wieder wettbewerbsfähig zu werden, wenn wir das in Deutschland zur Durchsetzung von Lohnuntergrenzen für erforderlich halten. Zur eigenen Glaubwürdigkeit gehört, dass wir Reden und Handeln in Einklang bringen", so Schäffler.
Zuvor hatte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Meinhardt, vor einer Sozialdemokratisierung seiner Partei gewarnt: "Deutschland braucht beim Mindestlohn keine fünfte sozialdemokratische Partei, sondern eine Kraft, die aus innerer Überzeugung und mit Leidenschaft für eine menschliche Marktwirtschaft kämpft und mit gelebter Ordnungspolitik Chancengerechtigkeit umsetzt", sagte Meinhardt der "Welt". Ein politisch festgelegter allgemeiner Mindestlohn sei dabei genauso schädlich wie branchen- oder regionalspezifische Lohnuntergrenzen, sagte der FDP-Politiker.
Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnte Gelassenheit bei der Mindestlohn-Frage an. Sie erkenne keinen Paradigmenwechsel, sagte die Justizministerin. Man habe eine gemeinsame Haltung gegen den staatlich festgelegten Mindestlohn. "Uns unterscheidet grundsätzlich von den Oppositionsparteien, dass wir keinen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn wollen", sagte sie. Ob die bisherigen Instrumente ausreichen und ob Lücken geschlossen werden sollten, darüber werde man diskutieren.
Sachsen-FDP lehnt Mindestlohnbeschluss ab
Kurz vor dem Bundesparteitag der FDP in Nürnberg hat sich die sächsische FDP gegen den von der Parteispitze favorisierten Beschluss zu Lohnuntergrenzen in Deutschland ausgesprochen. "Die sächsische FDP lehnt weiterhin jede Form eines politisch festgelegten Mindestlohns ab", sagte Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow der "Rheinischen Post". "Das wäre insbesondere für Ostdeutschland ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm", so Zastrow, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender ist. Mindestlöhne könnten nur vor Ort zwischen den Tarifpartnern vereinbart werden. "Und wenn die fehlen, darf dies kein anderer tun, nicht die Bundesregierung, nicht der Bundestag und auch keine wie auch immer zusammengesetzte Kommission." Zastrow schlug stattdessen Ombudsstellen bei den Arbeitsagenturen vor, an die sich Arbeitnehmer wenden können, die glauben, sittenwidrig bezahlt zu werden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur