Gutachten für NSA-Ausschuss: Staat muss Bürger besser schützen
Archivmeldung vom 19.05.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.05.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Bundesrepublik Deutschland muss nach Meinung eines Gutachters ihre Bürger vor Ausspähungen durch ausländische Mächte und Unternehmen besser schützen. Dazu müsse der Staat ein "Schutzkonzept" erstellen, schreibt der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, in einem Sachverständigen-Gutachten für den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Die Stellungnahme, die der Staatsrechtler bei einer Anhörung im Ausschuss am kommenden Donnerstag vortragen wird, liegt der "Welt am Sonntag" vor. Es reiche nicht, wenn der Staat sich selbst grundrechtsverletzender Eingriffe enthalte. Er müsse vielmehr "einen angemessenen Schutz schaffen und durchsetzen sowie sich auf internationaler und unionsrechtlicher Ebene für ein effizientes Schutzregime einsetzen", schreibt Papier.
Dazu zählten bilaterale oder unilaterale Datenschutzabkommen, in denen ein Standard rechtlicher Regeln entwickelt wird, "die auf einem gemeinsamen Wertekanon gründen". Zwar könne der Gesetzgeber nicht zu etwas Unmöglichem verpflichtet werden. "Bei Grundrechtsverletzungen und Grundrechtsgefährdungen, die von ausländischen Mächten oder international agierenden ausländischen Unternehmen ausgehen, werden die territorialen Grenzen der deutschen öffentlichen Gewalt in Rechnung zu stellen sein", schreibt der Sachverständige Papier.
Der Staatsrechtler regt allerdings ein Bündel von Maßnahmen an, die die geltende Rechtslage verbessern könnten. So plädiert er für "eine Verschärfung der strafrechtlichen Sanktionierung von unbefugter Datenausspähung und unbefugtem Datenabfangen". Für diese Delikte komme eine "gesetzliche Umstellung vom Tatort- auf das Schutzprinzip in Betracht", so, dass deutsches Strafrecht in diesen Fällen auch für Taten gelten würde, die im Ausland gegen Deutsche begangen werden.
Auf nationaler und unionsrechtlicher Ebene seien überdies verschärfte Vorschriften zur Datensicherung für Telekommunikationsdienstleister zu erlassen, "und zwar auch für Unternehmen, die zwar ihren Sitz außerhalb Deutschlands bzw. der Europäischen Union haben, aber ihre Dienstleistungen in Deutschland bzw. in der Europäischen Union anbieten."
Schließlich gehöre es zu den Schutzpflichten des Staates, nicht nur funktionsfähige, sondern auch grundrechtswahrende informationstechnische Infrastrukturen zu schaffen. Diese "Staatsaufgabe" könne auch im Grundgesetz verankert werden, schlägt Papier vor.
Der Untersuchungsausschuss des Bundestages war nach den Enthüllungen des US-Whistleblowers Edward Snowden über weltweite Internet- und Telekommunikationsüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA eingesetzt worden. Er soll auch Empfehlungen über mögliche gesetzliche Verbesserungen zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung in Deutschland vorlegen.
De Maizière rechnet bei USA-Reise nicht mit neuen NSA-Erkenntnissen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière erwartet von seiner am Montag beginnenden USA-Reise keine neuen Erkenntnisse in der NSA-Abhöraffäre. "Nein, damit ist nicht zu rechnen", sagte er der "Welt am Sonntag". Der CDU-Politiker lobte den neuen NSA-Chef Michael Rogers, der "die Kritik aus Deutschland an der maßlosen Ausspähung aufmerksam zur Kenntnis genommen" habe. Er wolle diese Äußerungen aber nicht überbewerten. Es blieben Differenzen.
De Maizière äußerte sich besorgt über die Stimmung im Verhältnis zwischen Deutschland und den USA. "Natürlich kann man die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht ohne Herz betreiben, aber sie brauchen auch Verstand und Interesse", sagte er.
Er wünsche sich, dass man in Deutschland etwas kritischer wäre mit Antiamerikanismus. "Umgekehrt sollten die US-Amerikaner sensibler sein mit Blick auf die Gefühlslage der Europäer und auch der Deutschen", forderte er. "Hochmut gegenüber unserem Datenschutz ist da fehl am Platz. Wir brauchen gegenseitigen Respekt - und wir sollten etwas nüchterner Lob und Kritik verteilen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur