"Bild": Wulff wollte Berichterstattung doch verhindern
Archivmeldung vom 05.01.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer stellvertretende "Bild"-Chefredakteur und Leiter des Hauptstadt-Büros, Nikolaus Blome, hat der Aussage von Bundespräsident Wulff aus dem TV-Interview vom Mittwoch widersprochen, er habe mit seinem Anruf bei Chefredakteur Diekmann eine Berichterstattung zu seiner Hausfinanzierung nicht verhindern wollen. Das habe die Redaktion deutlich anders wahrgenommen, sagte er dem "Deutschlandfunk". Es sei aus Sicht der Redaktion eindeutig Ziel des Anrufs gewesen, diese Berichterstattung zu unterbinden.
Bundespräsident Wulff hatte in seinem Interview mit ARD und ZDF gesagt, er habe lediglich darum gebeten, mit dem Bericht einen Tag abzuwarten. Den Wortlaut des Mailbox-Anrufs veröffentlichte die "Bild" unterdessen weiterhin nicht. Auch blieb zunächst unklar, ob die Nachricht von Diekmann gesichert oder nur abgehört und dann gelöscht wurde.
Forsa-Chef: Wulff sollte sich in Zukunft wie ein Präsident verhalten
Forsa-Chef Manfred Güllner empfiehlt dem in der Kritik stehenden Bundespräsidenten Christian Wulff, sich künftig auch "wie ein Präsident" zu verhalten. "Er sollte auf keinen Fall mehr Chefredakteuren auf die Mailbox sprechen, das ist einfach unter der Würde des Bundespräsidenten", sagte Güllner der "Neuen Presse". Stattdessen solle der Bundespräsident "ein paar gute Reden halten, sich nicht in die Tagespolitik einmischen, sich nicht als Zuchtmeister aufspielen, sondern das Land ordentlich repräsentieren".
Zudem solle Wulff sich "nicht zu oft mit seiner Frau in netten Posen in der `Bunten` zeigen, das hilft ihm als Präsident nicht", erklärte Güllner. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa ist überzeugt, dass nach der Affäre um einen Kredit Wulffs und dem Anruf beim Bild-Chefredakteur auf jeden Fall "das Amt noch einmal Schaden genommen" habe. Güllner ist dennoch überzeugt: "Übersteht Wulff diese Affäre, wird sie aber auch schnell vergessen und das Amt legt sich quasi wie eine Schutzhülle um den Amtsinhaber."
Auf die Frage, ob die Kreditaffäre die Politikverdrossenheit verstärken würde, sagte Güllner: "Generell wird Politikern - das betrifft letztlich auch den Bundespräsidenten - alles Schlechte zugetraut." Für den Bürger sei der Hauskauf an sich nichts Anrüchiges. "Anrüchig sind Konditionen, die der normale Mensch nicht bekommen würde. Das ist in der Tat ein kritischer Punkt für ihn."
SPD-Politiker halten Wulffs Erklärung für unzureichend
Politiker der SPD haben mit scharfer Kritik auf die jüngsten Erklärungen von Bundespräsident Christian Wulff in einem Fernsehinterview reagiert. "Es ist schade, dass Christian Wulff wieder die Chance vertan hat, für Orientierung zu sorgen", sagte der Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, "Handelsblatt-Online". "Er wird es sehr schwer haben, die für das Amt des Bundespräsidenten erforderliche Autorität und Integrität wiederzuerlangen." Das sei schlecht für unser Gemeinwesen und parteipolitischen Nutzen werde davon niemand haben. Eigentlich sei der Bundespräsident für die Grundsatzfragen zuständig und von ihm erwarteten die Bürger Umsicht, Urteilskraft und Orientierung. Doch schon die letzten Wochen hätten gezeigt, "dass unser Staatsoberhaupt in eigener Sache diese Orientierung völlig verloren hat", so Stegner.
Der SPD-Innenpolitiker und Mitglied im Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Edathy, zeigte sich überzeugt, dass das TV-Interview des Bundespräsidenten die Debatte über sein Verhalten nicht beenden werde. "Viele Fragen bleiben leider offen", sagte Edathy "Handelsblatt-Online". So bleibe ungeklärt, ob Wulffs Anruf bei der "Bild"-Zeitung tatsächlich nur die Verschiebung der Veröffentlichung bezweckt habe und nicht ihre Verhinderung. "Wenn es um eine reine Verschiebung ging, warum drohte Wulff dann mit rechtlichen Schritten?", fragte Edathy. Und wenn die Annahme des Kredits vom Unternehmer-Ehepaar Egon und Edith Geerkens reine Privatsache gewesen sei, aus welchem "Sachgrund" habe Ex-Unternehmer Geerkens dann Wulff als Ministerpräsidenten mehrfach auf Auslands-Dienstreisen begleitet? "Hat der Bundespräsident wirklich mit der Annahme dieses Kredites sowie des zwischenzeitlichen Geldmarktkredites nicht gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen, wonach er keine amtsbezogenen Vergünstigungen annehmen durfte?", will Edathy wissen. "Und hat er diesbezüglich gegenüber dem Landtag die Wahrheit gesagt oder nicht und im letzteren Fall gegen die niedersächsische Verfassung verstoßen?" Diese Fragen und weitere seien nach wie vor "leider" nicht geklärt, kritisierte der SPD-Politiker. "Es wäre zudem souveräner gewesen, Wulff hätte sich ohne Zeitbegrenzung der Bundespressekonferenz gestellt, als lediglich ein 15minütiges Interview im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zuzulassen", sagte Edathy. Im Übrigen glaube er nicht, dass das Amt des Bundespräsidenten schwieriger als früher geworden sei, fügte er hinzu. "Allerdings waren die Amtsinhaber früher besser."
Künast: Wulff-Interview nicht ausreichend
Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast hat das Fernseh-Interview von Bundespräsident Christian Wulff als nicht ausreichend für die Klärung noch offener Fragen kritisiert. Der "Bild"-Zeitung sagte sie: "Wulff hat nur über seine Gefühle geredet, aber keine der Fragen beantwortet, die das Land beschäftigen. Niemand weiß, wie oft und wofür sich dieser Präsident noch wird entschuldigen müssen."
Linksparteichef Ernst übt scharfe Kritik an Wulff
Linksparteichef Klaus Ernst hat Bundespräsident Christian Wulff nach dessen Fernsehinterview scharf kritisiert. "Das bisherige Verhalten des Bundespräsidenten in dieser Krise wird den Anforderungen an das Amt in keiner Weise gerecht", sagte er der "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung". "Es bleiben eine ganze Reihe offener Fragen zurück", so Ernst weiter.
Die Vorsitzende der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch, hat Bundespräsident Christian Wulff vorgeworfen, ein gestörtes Verhältnis zur Presse, zur Wahrheit und zum Geld zu haben. "Das heutige Interview des Bundespräsidenten war kein Befreiungsschlag", erklärte Lötzsch am Mittwochabend. Noch immer seien viele Fragen offen, während Wulff in seiner Taktik des Aussitzens verharre. "Er hat ein gestörtes Verhältnis zur Presse, zur Wahrheit und zum Geld. Sein Handeln in den vergangenen Wochen hat das Amt und unser Land beschädigt. Bundespräsident Wulff muss jetzt selbst mit sich ausmachen, welche Konsequenzen er zieht", so Lötzsch weiter. Es komme jetzt auf seinen Charakter an, erklärte die Linken-Vorsitzende.
Designierter FDP-Generalsekretär Döring begrüßt Stellungnahme Wulffs
Der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat die Stellungnahme von Bundespräsident Christian Wulff am Mittwochabend begrüßt. "Es ist gut, dass Christian Wulff zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen heute öffentlich Stellung genommen und Fehler eingeräumt hat", sagte Döring in Berlin. Dies sei ein wichtiger Schritt gewesen, so der FDP-Politiker. Der designierte Nachfolger von Christian Lindner im Amt des FDP-Generalsekretärs forderte nach dem Fernsehinterview des Bundespräsidenten ein Ende der öffentlichen Debatte. "Die öffentliche Debatte muss nach den eindeutigen Worten jetzt beendet werden", sagte Döring.
Wulff räumt schwere Fehler ein
Bundespräsident Christian Wulff hat in einem Fernsehinterview schwere Fehler eingeräumt. Im Gespräch mit der ARD und dem ZDF erklärte das Staatsoberhaupt, dass der Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann "ein schwerer Fehler" gewesen sein, für den er sich entschuldige. Weiterhin sei ein derartiger Anruf mit seinem eigenen Amtsverständnis nicht vereinbar, räumte Wulff ein. Einen Rücktritt schloss der Bundespräsident allerdings aus. "Ich nehme meine Verantwortung gerne wahr. Ich habe sie für fünf Jahre übernommen und ich möchte nach fünf Jahren eine Bilanz vorlegen, dass ich ein guter, erfolgreicher Bundespräsident war", sagte Wulff in dem Fernsehinterview. Auch habe er in den vergangenen Wochen große Unterstützung seitens der Bevölkerung erhalten. Der Bundespräsident habe mit dem Anruf die Berichterstattung über seinen Hauskredit überdies nicht verhindern, sondern lediglich um einen Tag verschieben wollen. Den Anruf selbst begründete Wulff auch damit, dass er seine Familie schützen wollte. Wulff bat in dem Gespräch darum, sein Vorgehen menschlich zu verstehen, auch vor dem Hintergrund der Belastungen für seine Familie. Er habe da auch eine Schutzfunktion gesehen. Dies gelte auch für die "Fantasien", die im Internet über seine Frau, Bettina Wulff, verbreitet würden, so der Bundespräsident.
Für den stellvertretenden Fraktionschef der SPD, Hubertus Heil, gibt es auch nach dem Interview von Wulff noch offene Fragen. Dass sich der Bundespräsident am Mittwoch den Fragen von zwei Journalisten gestellt habe, sei überfällig gewesen, so Heil. Dennoch reiche dieses Interview nicht aus, da weiterhin offen sei, welches Amtsverständnis ein Bundespräsident habe, der kritische Berichterstattung zu unterbinden versuche.
Umfrage: Wulff verliert seit Montag kontinuierlich an Zustimmung
Bundespräsident Christian Wulff hat seit Montag kontinuierlich an Zustimmung verloren. Im "ARD-DeutschlandTrend" waren am Montag noch 63 Prozent der Bundesbürger dafür, dass Christan Wulff weiter im Amt bleiben sollte. Nur 34 Prozent fanden, Wulff sollte vom Amt des Bundespräsidenten zurücktreten. Am Dienstag sprachen sich nur noch 53 Prozent für Wulffs Verbleib im Amt aus, 44 Prozent hingegen für seinen Rücktritt. Am gestrigen Mittwoch sind nur noch 47 Prozent dafür, dass Wulff im Amt bleiben sollte. 50 Prozent der Deutschen finden hingegen, Wulff sollte vom Amt des Bundespräsidenten zurücktreten. Zum Vergleich: Vor Weihnachten (19.12.) sprachen sich nur 26 Prozent für den Rücktritt von Wulff, 70 Prozent hingegen für seinen Verbleib im Amt aus.
Für diese Umfrage im Auftrag der ARD-Tagesthemen hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap am Montag, Dienstag und Mittwoch dieser Woche jeweils 500 Wahlberechtigte bundesweit telefonisch befragt. Die Befragung am Mittwoch erfolgte allerdings vor der Ausstrahlung des Interviews mit dem Bundespräsidenten.
Auch Wulffs Glaubwürdigkeit ist aus Sicht der Bundesbürger kontinuierlich gesunken. Aktuell halten nur noch 27 Prozent der Deutschen den Bundespräsidenten für glaubwürdig (Montag: 36 Prozent, Dienstag: 32 Prozent). 68 Prozent halten ihn für nicht glaubwürdig (Montag: 61 Prozent, Dienstag: 64 Prozent). Im Dezember (19.12.) attestierten noch 51 Prozent der Deutschen dem Bundespräsidenten Glaubwürdigkeit. 44 Prozent hielten ihn für nicht glaubwürdig. Dass Wulff ehrlich ist, glauben aktuell nur noch 22 Prozent der Deutschen (Montag: 26 Prozent; Dienstag: 24 Prozent). 68 Prozent halten ihn für nicht ehrlich (Montag: 69 Prozent; Dienstag: 69 Prozent). Vor Weihnachten (19.12.) hielten noch 41 Prozent der Deutschen Wulff für ehrlich, 47 Prozent hielten ihn für nicht ehrlich.
Eine Mehrheit der Deutschen von 59 Prozent ist aktuell der Ansicht, dass Christian Wulff kein würdiger Bundespräsident sei. 37 Prozent halten ihn für einen wür! digen Bu ndespräsidenten. Am Montag hielt noch eine Mehrheit von 55 Prozent Wulff für einen würdigen Bundespräsidenten. 39 Prozent waren nicht dieser Ansicht.
Quelle: dts Nachrichtenagentur