Zeitung: Regierung lädt in VW-Abgasaffäre Vertreter von TÜV Nord vor
Archivmeldung vom 23.11.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtAls Reaktion auf die harsche Kritik des TÜV Nord an der Bundesregierung in der VW-Abgasaffäre haben Regierungsvertreter offenbar die Verantwortlichen des Prüfdienstes vorgeladen. Nach Informationen der "Welt" sind leitende Mitarbeiter des TÜV Nord für den morgigen Dienstag in die Untersuchungskommission des Bundes zur Aufklärung von "Dieselgate" einbestellt worden.
"Bei dieser Unterredung erwarten wir Antworten auf die Frage, wie es sein kann, dass der TÜV Nord die falschen Werte des CO2-Ausstoßes von Autos des VW-Konzerns auf dem Prüfstand nicht erkannt hat", hieß es der Zeitung zufolge in Regierungskreisen. Man werde dem Prüfdienst "sicherlich auch unangenehme Fragen" stellen.
Der TÜV Nord steht im Zusammenhang mit der Abgasaffäre von Volkswagen unter Beschuss, weil der Prüfdienst bei mehreren Marken des Wolfsburger Automobilbauers, darunter der Stammmarke VW, die Messungen der Abgaswerte vorgenommen hatte, auf deren Basis den entsprechenden Modellen vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Typengenehmigung erteilt wurde.
Die von Volkswagen eingestandenen Falschangaben bei den CO2-Werten kann sich TÜV-Nord-Chef Guido Rettig nicht erklären. Der "Welt" hatte er gesagt, man könne keine fehlerhaften CO2-Messungen bestätigen. Volkswagen hatte aber in diesem konkreten Fall falsche Angaben bei bis zu 800.000 Autos zugegeben.
Der TÜV mutmaßt nun, dass Volkswagen womöglich die Software der Prüfstände zu eigenen Gunsten verändert haben könnte. "Bisher schweigt sich Volkswagen dazu aus", so Rettig. Damit weist der TÜV-Nord-Chef die Verantwortung für die Falschangaben von sich.
Doch in Regierungskreisen will man den TÜV nicht so leicht davon kommen lassen: "Wer auf einem fremden Prüfstand Messungen vornimmt, muss sich davon überzeugen, dass auf dieser Anlage korrekte Ergebnisse erzielt werden können. Das ist Teil des Prüfauftrages", sagte ein Regierungsvertreter laut "Welt".
TÜV-Chef Rettig hatte erklärt, bei den Messungen von Stickoxid-Werten bekäme die Prüforganisation keinen Einblick in die Motorsteuerung der betroffenen Fahrzeuge, daher könne man Manipulationen nicht erkennen. Das sei gesetzlich gedeckt und die Bundesregierung handle nicht.
Damit weist der TÜV Nord einen Teil der Verantwortung für "Dieselgate" dem Bund zu - so jedenfalls wird das in entsprechenden Ministerien gesehen, schreibt die Zeitung. Dort ist nun die Verärgerung über den TÜV groß. Vor diesem Hintergrund nun die Bundesregierung mit Kritik zu überziehen, "zeugt von einiger Dreistigkeit", hieß es laut "Welt" in Regierungskreisen.
VW-Affäre: TÜV Nord erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundesregierung
In der VW-Affäre hat der TÜV Nord schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhoben. Diese habe den Prüfern auf Drängen der Automobilindustrie untersagt, die Motorsoftware zu untersuchen, berichtet die Zeitung "Die Welt". "Wir haben leider gesetzlich keinerlei Möglichkeit, Einblicke in die Motorsteuerung und die dort verbaute Software der Fahrzeuge zu nehmen", sagte TÜV-Nord-Chef Guido Rettig der "Welt". "Aus diesem Grund hatten unsere Sachverständigen keine Chance, die Manipulationen bei Stickoxiden von Dieselfahrzeugen zu erkennen." Ein Fehlverhalten des TÜV liege nicht vor.
Wie Rettig weiter sagte, plädierten die technischen Dienstleister seit Jahren dafür, den Prüfauftrag auch auf die Motorsoftware auszudehnen. Die Autoindustrie habe dies mit dem Argument abgelehnt, es handele sich um Betriebsgeheimnisse. Die zuständigen Bundesministerien hätten im Sinne der Autokonzerne entschieden.
"Wir haben jahrelang darauf hingewiesen, dass die Motorsoftware Teil unseres Prüfauftrags werden muss. Ohne Erfolg", sagte Rettig: "Die Hersteller haben gegenüber der Politik geltend gemacht, dass es sich bei der Motorsoftware um ein Betriebsgeheimnis handele. Nicht einmal uns, den vom Staat benannten technischen Diensten, dürfe dies erlaubt werden. Die zuständigen Bundesministerien sind dem leider gefolgt."
Für die Zukunft empfiehlt Rettig, der auch Präsidiumsmitglied im Bundesverband Deutscher Industrie (BDI) ist, dass die Typenzulassungen nicht mehr von den Herstellern beauftragt werden, sondern vom Kraftfahrt-Bundesamt. "Dann hätten sich alle Spekulationen über eine angeblich zu große Nähe zwischen Prüfern und Fahrzeug-Herstellern erledigt", sagte Rettig.
Zusätzlich sollte das Regelwerk so erweitert werden, dass die Prüforganisationen die Motorsoftware anschauen dürfen. "Auch der Fahrwiderstand des Fahrzeugs auf der Rolle darf in Zukunft kein Wert mehr sein, der von den Herstellern selbst ermittelt und dem TÜV lediglich mitgeteilt wird", forderte Rettig: "Den wollen wir schon selber feststellen dürfen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur