Umfrage offenbart: Große Unzufriedenheit mit der parlamentarischen Demokratie und überraschendes Bild zur Gerechtigkeitsdebatte
Archivmeldung vom 13.07.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZwei Monate vor der Bundestagswahl wird das Thema Soziale Gerechtigkeit in der Öffentlichkeit differenziert betrachtet. Zugleich ist das Vertrauen der Bürger in die parlamentarische Demokratie massiv getrübt. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage von Ketchum Pleon, durchgeführt von YouGov.
Befragt nach der Zufriedenheit mit dem demokratischen System in Deutschland zeigt sich gerade einmal eine knappe Mehrheit von 54 Prozent der mehr als 1.000 Befragten sehr oder eher zufrieden; 46 Prozent der Befragten äußern sich sehr oder eher unzufrieden. Unter den befragten Frauen fällt die Zufriedenheit noch knapper (51 Prozent) aus als bei den Männern (60 Prozent); mit sinkendem Haushaltseinkommen wird die Systemfrage immer stärker gestellt. So äußern sich bereits 58 Prozent derjenigen, die über ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 2.000 Euro im Monat verfügen (zu dieser Gruppe gehörten rund 40 Prozent aller Befragten) als sehr oder eher unzufrieden mit dem System. "Das sind Zahlen, die nachdenklich machen", sagt Dirk Popp, CEO von Ketchum Pleon Deutschland. "Vor allem angesichts der Tatsache, dass Deutschland im europäischen Vergleich ökonomisch derzeit sehr gut dasteht."
Die Politiker selbst kommen in der Befragung noch deutlich schlechter weg: nur 34 Prozent der Befragten gaben an, sich von den im Bundestag vertretenen Parteien repräsentiert zu fühlen; zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) fühlen sich eher nicht oder überhaupt nicht repräsentiert. Befragt nach den Gründen werden den Politikern besonders fehlende Transparenz ihrer Entscheidungen, mangelnde Bürgernähe, Defizite in der Glaubwürdigkeit und eine zu große Nähe zu Interessengruppen vorgehalten. "Wenn die Mehrheit der Bevölkerung die Repräsentationsfunktion der Parteien grundsätzlich in Frage stellt, dürfte das die Kommunikation politischer Inhalte deutlich erschweren", so Popp.
Überraschung beim Thema Gerechtigkeit
Eine Frage, die eng mit der Bewertung des demokratischen Systems verbunden ist, ist die Frage nach der Gerechtigkeit im Land. 64 Prozent der Befragten gaben an, dass es in Deutschland eher ungerecht oder sehr ungerecht zugeht. Die Bürgerinnen und Bürger machen dies vor allem an Indikatoren wie den Unterschieden bei Löhnen und Gehältern sowie der Entwicklung des Rentenniveaus fest. Angesichts der in diesem Wahlkampf geführten Gerechtigkeitsdebatte, die sich vor allem in der Steuerpolitik in den Wahlprogrammen einiger Parteien niederschlägt, überraschen Detailergebnisse der Umfrage. Befragt danach, ab wann ein Berufstätiger in Deutschland reich sei, gaben 62 Prozent der Befragten eine Einkommensgrenze von 100.000 Euro und mehr an. Gefragt danach, ab welchem Einkommen in Deutschland der Spitzensteuersatz gelten sollte, gaben 58 Prozent ein Jahreseinkommen von 100.000 Euro oder deutlich darüber an. Besonders bemerkenswert ist die Beurteilung der Aussage: Niemandem sollte mehr als die Hälfte seines laufenden Einkommens durch Steuern und Sozialabgaben genommen werden. Ihr stimmten 73 Prozent der Befragten zu - und das mit Mehrheiten von mindestens 60 Prozent in allen politischen Lagern. Lediglich 18 Prozent widersprachen dieser These.
"Das Ergebnis zeigt, dass die Gerechtigkeitsdebatte bisher viel zu eindimensional geführt wird. Es lässt sich nicht so ohne weiteres von der Frage nach Gerechtigkeit auf die Akzeptanz des Umverteilungswerkzeugs Steuerpolitik schließen. Auch scheinen Politik und Gesellschaft in Deutschland sehr unterschiedlich zu definieren, ab wann jemand als "reich" zu gelten hat;" kommentiert Thomas Helm, Head of Governmental Affairs von Ketchum Pleon Deutschland.
Quelle: Ketchum Pleon (ots)