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Kanzlei Dr. Stoll & Sauer reicht Verfassungsbeschwerde gegen die Ernennung von Stephan Harbarth zum Bundesverfassungsrichter ein

Archivmeldung vom 29.11.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.11.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Stephan Harbarth (2016)
Stephan Harbarth (2016)

Foto: Olaf Kosinsky
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

In großer Sorge um die Unabhängigkeit und den bisher tadellosen Ruf des Bundesverfassungsgerichts hat die Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr am Donnerstag, 28. November 2019, im Namen ihrer Mandanten Verfassungsbeschwerde gegen die Ernennung von Prof. Dr. Stephan Harbarth zum Richter am Bundesverfassungsgericht eingelegt.

"Durch die Personalie Stephan Harbarth sehen wir die Gefahr, dass Lobbyisten aus der Automobilindustrie direkt Einfluss auf das Gericht ausüben können", begründete Ralph Sauer, Geschäftsführer und Mitinhaber der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, den Gang ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Sauer befürchtet die Eventualität, dass Verfahren im Diesel-Abgasskandal, die vor dem Verfassungsgericht landen, auf einen Richter stoßen, der nicht frei von Fremdeinflüssen ist. Harbarth war in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter in führender Rolle bei der Kanzlei Schilling, Zutt Anschütz (SZA) in Mannheim als Rechtsanwalt tätig. Die Kanzlei berät die Großindustrie inklusive Automobilindustrie. Gerade deshalb sehen Teilnehmer der Musterfeststellungsklage (MFK) gegen die VW AG die Gefahr, dass die Automobilindustrie und der damit zusammenhängende Industriekomplex wie Zulieferer die Möglichkeit erhalten, die Rechtsprechung zu ihren Gunsten zu beeinflussen - und das auf Kosten der Bürger. MFK-Kläger gegen VW legen vor diesem Hintergrund Verfassungsbeschwerde gegen die Ernennung von Stephan Harbarth ein. Ein anderer Mandant ist in einem Anlegerverfahren gegen VW involviert. Die Kanzlei SZA vertritt VW genau in solchen Verfahren.

Ungeklärte Nebeneinkünfte von Stephan Harbarth

Problematisch hält Sauer den seit dem 30. November 2018 im Amt befindlichen Stephan Harbarth vor allem aufgrund ungeklärter Nebeneinkünfte in jährlicher Millionenhöhe aus seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter. Harbarth war seit 2008 bis Ende November 2018 für eine große Wirtschaftskanzlei in Mannheim als Vorstand und später als Geschäftsführer tätig. Die Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts-AG (ab Januar 2018 SZA Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) beriet unter anderem Firmen der Automobilindustrie wie die Daimler AG und Volkswagen AG. Seit 2009 vertrat Harbarth den Wahlkreis Rhein-Neckar für die CDU im Deutschen Bundestag.

Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer sieht sich durch die Ernennung in ihrem Grundrecht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Grundgesetz verletzt. Verfassungsbeschwerden können nur eingelegt werden, wenn die Antragssteller sich in ihren Grundrechten verletzt sehen. Zwei Verfassungsbeschwerden gegen Harbarths Ernennung sind vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nicht angenommen worden.

Über eine Million Euro jährlich für Stephan Harbarth: Doch für was?

Die ungeklärten Nebeneinkünfte als Bundestagsabgeordneter legen für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer den Verdacht nahe, dass Stephan Harbarth von 2008 bis 2018 Geld aus ungeklärten Quellen angenommen haben könnte. Er bezog bis Januar 2018 ein Vorstandsgehalt der SZA AG plus Einnahmen aus Tätigkeit mit Mandanten. Ab Januar bis November 2018 dann in gleicher Höhe als Geschäftsführer der SZA Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Bundestagsabgeordnete müssen ihre Nebeneinkünfte auf ihrer Bundestags-Website offenlegen - allerdings nur in einem Stufenmodell, das eine exakte Ermittlung der Geldströme nicht zulässt. Harbarths Vorstandsgehalt lag in der Stufe 10. Das bedeutet mehr als 250.000 Euro jährlich. Hinzu kamen noch Einnahmen der Stufe 7 durch die Tätigkeit mit Mandanten. Das bedeutet 75.000 bis 100.000 Euro jährlich. Insgesamt beliefen sich die Einnahmen wohl auf bis zu 1,2 Millionen Euro. Solche Zahlen blieben nach einem Artikel des Magazins "Der Spiegel" aus dem Jahr 2016 unwidersprochen. Recherchen und Berechnungen der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer zeigen jedoch, dass die Einnahmen durchaus noch höher sein könnten.

Folgende Unstimmigkeiten folgen für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer daraus:

1. Mit dem Vorstandsgehalt ist in der Regel die Anwaltstätigkeit für die Kanzlei abgegolten. Wenn Stephan Harbarth jedoch für seine Anwaltstätigkeit Honorar von Mandanten erhielt, stellt sich die Frage, für welche Gegenleistung er sein Vorstandsgehalt in Millionenhöhe ausgezahlt bekam?

2. Die SZA-Kanzlei führte in ihrem Jahresabschlussbericht Stephan Harbarth immer als vollwertiges und hauptberufliches Mitglied des Vorstands später als Geschäftsführer. Nach dem Abgeordnetengesetz (Paragraph 44a Satz 1) muss jedoch die Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter im Mittelpunkt des Arbeitslebens eines Abgeordneten stehen. Ist das Mandat ordnungsgemäß ausgeübt worden, konnte Harbarth niemals als Anwalt rechtsberatend tätig gewesen sein, um Einkünfte in Millionenhöhe zu erzielen. Das Abgeordnetengesetz erklärt die "Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen" für unzulässig, "wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestages gewährt wird" (§ 44a Abs. 2 S. 2 AbgG).

3. Es besteht somit der begründete Verdacht einer möglichen Fremdbeeinflussung des Bundesverfassungsrichter Stephan Harbarth durch die Automobilindustrie. Damit hat seine Ernennung unmittelbare rechtliche Auswirkungen auf die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche der von der Automobilindustrie im Diesel-Abgasskandal geschädigten Verbraucher. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vertritt im Skandal zahlreiche Verbraucher unter anderem gegen Volkswagen und Daimler. Insofern ist das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Grundgesetz) und dem unabhängigen Richter (Artikel 97 Grundgesetz) gefährdet.

"Lobbyisten untergraben Zusammenhalt der Gesellschaft"

"Wir sorgen uns um den guten Ruf des Bundesverfassungsgerichts", erklärte Ralph Sauer das Vorgehen gegen Harbarth. "Wir sind der Meinung, dass Lobbyisten die Fairness und Chancengleichheit untergraben und damit auch nachhaltig den Zusammenhalt in der Gesellschaft beschädigen." Das sei auch insofern problematisch, weil die Bürger in den vergangenen Jahrzehnten in dramatischer Weise das Vertrauen in Parteien und staatlichen Institutionen eingebüßt haben. Sauer: "Das Bundesverfassungsgericht ist eine letzte staatliche Bastion gegen die zunehmende Einflussnahme von Interessensverbänden. Das muss so bleiben. Dafür kämpfen wir." Auf der Website www.staatshaftung.eu werden alle Hintergründe rund um das Verfahren erklärt.

Quelle: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (ots)

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