Union hat sich auf "knallharten Profilierungskurs" im Verhältnis zur SPD in der großen Koalition verständigt
Archivmeldung vom 18.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit der CSU als eine Art "vorgeschobenes Bollwerk" will die Union in der großen Koalition im Bund bis zur Bundestagswahl einen "knallharten Profilierungskurs" gegenüber der SPD fahren. Das ist das Ergebnis mehrerer strategischer Spitzengespräche zwischen führenden CDU- und CSU-Politikern in den letzten Tagen.
Wie die "Leipziger Volkszeitung" (Montag-Ausgabe) unter Berufung auf Teilnehmer aus Kreisen der Partei- und Fraktionsführungen von CDU und CSU berichtet, wolle man sich bei allen wichtigen Fragen - genannt wurden Erbschaftssteuerreform, Haushaltskonsolidierung, Bahnreform, Familienförderung inklusive Betreuungsgeld sowie Eckpunkte für ein neues einfacheres Steuersystem - auf die Führungsrolle der Union in der großen Koalition besinnen. Die CSU habe dabei, aus Rücksicht auf die bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst, genügend Spielraum, um Härte in der Sache zu zeigen. "Entweder die SPD macht mit und lässt sich bei der Bundestagswahl 2009 auf einen Spitzenwettkampf der Kanzlerin mit dem SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Kurt Beck ein, oder sie wird als nörgelnde Oppositionskraft von uns an den Rand gedrängt", beschreibt ein hochrangiger CDU-Politiker die eigene Linie. Diese sei auch mit der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden abgestimmt. Ein erster Testfall werde die Durchsetzung eines "gesetzlich verankerten Betreuungsgeldes" noch in diesem Jahr sein. Bis zur bayerischen Landtagswahl Ende September müsse ein unmissverständlicher Plan zur Einführung eines Betreuungsgeldes von 150 Euro im Monat ab dem Jahr 2013 in Gesetzesform gegossen sein, sonst werde es den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab 2013 nicht geben. "Hier ist die CSU im Interesse der Gesamt-Union zur absoluten Härte aufgerufen", so die CDU-Strategie. Die SPD könne auch nicht mit Entgegenkommen der Kanzlerin bei der strittigen Berufung des Würzburger Staatsrechtlers Horst Dreier zum künftigen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichtes rechnen. "Der nicht, ein anderer SPD-Vorschlag gerne", beschreibt einer aus der Fraktionsspitze der Union die Sachlage gegenüber der Zeitung. Als weiterer Punkt gilt, dieser Strategie zufolge, die "für die Öffentlichkeit plausible Abarbeitung" der Finanzkrise um die IKB. "Wenn die SPD nicht will, dass wir die Gesamtverantwortung von Peer Steinbrück thematisieren muss sie im weiteren Verlauf der Bankenkrise Ingrid Matthäus-Maier als Chefin der Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Disposition freigegeben". Der KfW wird, als einflussreicher Miteigentümerin der IKB, in der Person ihrer Vorstandsvorsitzenden, eine "zögerliche Aufklärung" zum Vorwurf gemacht. Frau Matthäus-Maier war als führende SPD-Finanzexpertin zur KfW gewechselt. In der Steuerdebatte müsse die SPD zeigen, "ob sie zu einer gründlichen Reform des noch immer sehr komplizierten Steuerrechts" in Deutschland bereit sei. Andernfalls werde sie als Verhinderer unter Druck geraten, gerade auch nach dem jüngsten Steuerhinterziehungsskandal. Mit Blick auf die offene Koalitionsfrage in Hessen wolle man die SPD "zwingen, Farbe zu bekennen". Entweder sie öffne sich doch noch für eine große Koalition unter CDU-Führung oder man werde durch eine "Nadelstich-Taktik" die SPD vor die Entscheidung stellen, ob sie keine eigene Mehrheit mit Hilfe der Linkspartei ausprobieren wolle. Dies erleichtere dann "unseren Bundestagswahlkampf gegen die Beck-SPD und deren Fundamentalkonflikt mit der Linkspartei ganz beträchtlich". Um als Union selbst nicht in den Verdacht der unnötigen Provokation zu geraten sei man allerdings "zum richtigen Zeitpunkt" bereit, auf Roland Koch Einfluss zu nehmen, damit der den Führungsplatz zu Gunsten des bisherigen Innenministers Volker Bouffier frei mache.
Quelle: Leipziger Volkszeitung