Schweitzer fordert von Scholz aktivere Rolle
Archivmeldung vom 09.07.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.07.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer designierte Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer (SPD), fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz eine aktivere Rolle ein. "Es muss deutlicher werden, dass Olaf Scholz dieses Land führt und nicht nur Moderator in der Koalition ist", sagte der SPD-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Auf die Frage, ob Scholz der richtige Kanzlerkandidat für die SPD sei,
antwortete Schweitzer: "Ja, natürlich." Ein Selbstläufer werde die
nächste Bundestagswahl aber nicht. Bis dahin müsse die SPD mehrere
"Hausaufgaben" machen. Es müsse drum gehen, Arbeitnehmer zu stärken.
"Eine gute wirtschaftliche Entwicklung auf den Weg zu bringen. Dafür zu
sorgen, dass außenpolitische Konfliktlagen die innenpolitische Stimmung
nicht so sehr aufrühren, wie es zurzeit der Fall ist."
Schweitzer
lobte Scholz ausdrücklich. "Er ist nach meinem persönlichen Erleben ein
brillanter Politiker. Ich würde mir wünschen, dass er, so wie er in
kleinen Runden auftritt - klug, klar, mit persönlichem Witz, diesem
Charme - sich häufiger auch öffentlich zeigt. Wenn er so auftritt, ist
er unschlagbar."
Laut Schweitzer gibt es in der Ampel auf
Bundesebene nach innen keine sicheren Debattenräume mehr. "Bevor die
Diskussion abgeschlossen ist, wird sie schon nach draußen getragen, für
Landgewinn auf Kosten des jeweils anderen. Das ist Gift für die
Zusammenarbeit." Jeden Tag jede kleine Frage als Auseinandersetzung zu
"zelebrieren, führt zu Vertrauensverlust". Die SPD leide darunter, "dass
sie in einer Koalition als Teil eines permanenten kommunikativen
Durcheinanders wahrgenommen wird".
Schweitzer beschreibt sich
selbst als "sicherlich nicht konservativ". Er sei daran interessiert,
dass die Wirtschaft läuft. Dafür habe er einen Draht zu Unternehmen, die
ohne Belegschaft nicht erfolgreich sein könnten, weshalb er sich für
gewerkschaftliche Mitbestimmung einsetze. "Dafür stehe ich als
bisheriger Arbeitsminister, aber auch durch meine Biografie als
Arbeiterkind vom Dorf. Ich weiß, welche Themen am Küchentisch relevant
sind", sagte Schweitzer der FAZ. "Ich möchte als Sozialdemokrat
Mehrheiten ansprechen, um Mehrheiten für meine politischen Ziele zu
bekommen."
Der künftige Ministerpräsident kündigte an, den
Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz umsetzen zu
wollen, zusätzlich aber zwei Akzente setzen zu wollen: Zum einen will er
stärker an den Entwicklungschancen der Regionen im Bundesland arbeiten,
zum anderen will er mithilfe von Bildungspolitik stärker das
"Aufstiegsversprechen" einlösen. "Die Idee, durch Bildung einen sozialen
und wirtschaftlichen Aufstieg zu schaffen, ist aus Sicht vieler
Familien nur noch theoretisch möglich", so Schweitzer. "Es ist eine
entscheidende Frage unseres Wohlstandsmodells, dass Menschen sagen
können: Ich habe es nur durch Leistung nach oben geschafft."
Der
SPD-Politiker möchte grundsätzlich mit der Ampel-Koalition auch nach
2026 weiterregieren, sagte aber, der jetzige Zeitpunkt sei für eine
solche Festlegung zu früh. "Für mich ist das Ziel, dass die Koalition,
die wir gerade führen, so stark sein wird, dass wir sagen: Es ist
erstrebenswert, sie einfach weiterzuführen."
In wenigen Tagen
jährt sich die Ahrtal-Flutkatastrophe zum dritten Mal. Während Malu
Dreyer sich für das politische Versagen während der Flut nicht
entschuldigen wollte, kündigt Schweitzer an, zunächst in seiner neuen
Rolle Gespräche führen zu wollen, bevor er die Frage beantworte, ob er
sich entschuldige.
Quelle: dts Nachrichtenagentur