Der Ausverkauf des Gesundheitswesens
Archivmeldung vom 29.07.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Oliver RandakSind wir noch zu retten? Sachbuchautorin Renate Hartwig klärt über die fatalen Folgen der Gesundheitsreform auf.
Krankenschwestern arbeiten für einen Hungerlohn. Alte Menschen
verkommen in ihrem Dreck. Aus Patienten werden Kunden, aus Ärzten
Händler, aus Krankenhäusern Abfertigungsanlagen. Gesundheit wird mit
Gewalt auf Markt getrimmt.
Renate Hartwig, die Mutter Courage unter den deutschen
Sachbuchautoren, klagt in ihrem aktuellen Buch, „Der verkaufte
Patient“, die Gesundheitspolitik und ihre Reformen an.
„Gesundheitsreform“, so Renate Hartwig, „ist nur der Deckname für einen
undemokratischen und unsozialen Umbau in unserer Gesellschaft, der alle
Bürger mit höheren Kosten bestraft und ihnen geringere Leistungen
beschert“. Und das, weil angeblich nicht genug Geld für eine
gesundheitliche Grundversorgung existiert. Doch das Gegenteil ist der
Fall: Das Geld wird nur für die falschen Dinge ausgegeben.
Glaubt man den Politikern, so Hartwig, dann ist die Privatisierung
unseres Gesundheitswesens das letzte Mittel, um das marode System zu
sanieren. Die privaten Kapitalgesellschaften reiben sich ihre Hände.
Amerikanische, italienische, französische und russische Investoren
stehen wie Hyänen um den großen Kuchen herum. Längst sind Patient und
Arzt zu Randgrößen einer Irrsinnsmaschinerie geworden, die sich nur für
die Rendite interessiert. Der Patient wird zur Ausplünderung an den
freien Markt ausgeliefert.
Amerikanische Verhältnisse in Deutschland?
Was Renate Hartwig in ihrem aktuellen Anklagebuch, „Der verkaufte
Patient“, aufdeckt, klingt nach amerikanischen Verhältnissen. Doch
viele Missstände sind auch in Deutschland schon Realität. Bereits heute
wird die völlige Auslieferung aller gesundheitlichen Einrichtungen an
die Wirtschaft organisiert. Hartwig untermauert ihre Analyse mit
Beispielen aus dem täglichen Leben von Ärzten und Patienten. So
beschreibt sie den Fall einer Mutter, die um die Bezahlung der
Krankengymnastik für ihre an einer schweren Hirnverletzung erkrankte
Tochter betteln muss. Die Bezahlung wird von der Krankenkasse
schließlich eingestellt, obwohl Ärzte diese dringend empfehlen. Die
Krankenkasse äußert sich zu ihrem Entschluss: Die Behandlung müsse
wirtschaftlich sein. Drei Monate nach dem Tod des Kindes erhält die
Mutter ein Schreiben der Krankenkasse: Der Tod des Kindes wird
bedauert, doch das „Wirtschaftlichkeitsgebot“ stehe an oberster Stelle.
Der Mensch als Ware?
Wird das Gesundheitswesen industrialisiert, was unter anderem durch die
Abschaffung der Hausärzte oder durch den Trend zur Apparatemedizin
forciert wird, wird der Mensch nicht mehr als Mensch behandelt. Dann
ist der Mensch nicht mehr das Maß aller Dinge, sondern, so Renate
Hartwig, „für das System nur noch in seiner ökonomischen Ausbeutbarkeit
interessant“. Ist diese Entwicklung noch zu stoppen?
Protest gegen die Zerstörung des Gesundheitswesens
Samstag, 07.06.2008, München. Das Olympiastadion präsentiert sich als
riesige Protestbühne. Renate Hartwig hat aus gegebenen Anlass für einen
Tag das Stadion gemietet. Über 25.000 Menschen sind aus ganz
Deutschland und Österreich angereist, um Flagge zu zeigen. Und um mit
Renate Hartwig das nächste Ziel zu erreichen: den Schulterschluss
zwischen Arzt und Patient.
Es sind nicht mehr nur die Ärzte, die sich gegen die derzeitige
Gesundheitspolitik auflehnen, so viel wird beim Blick in die Masse
klar. Der Protest ist auch in der breiten Bevölkerung angekommen.
„Bürger informiert euch!“, ist der Leitsatz Renate Hartwigs. Und:
„Schaut genau hin, was mit eurem Geld und euren Wählerstimmen passiert“.
Das Thema Gesundheitsreform ist ein heißes Eisen. Viele Gelder und
Adern hängen an diesem Tropf. Doch Renate Hartwig hat schon mehrmals
bewiesen, dass sie sich vor Risiken nicht scheut. Und wer sie einmal
live erlebt hat, weiß, dass bei diesem Thema noch alles möglich ist.