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Aigner will Kurswechsel bei Vorratsdatenspeicherung

Archivmeldung vom 15.07.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.07.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Markus Vogelbacher / pixelio.de
Bild: Markus Vogelbacher / pixelio.de

Verbraucherministerin Ilse Aigner hat sich für einen Kurswechsel der Union bei der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. "Die jüngsten Spionagefälle geben Anlass dazu, die Speicherung von Daten auf den Prüfstand zu stellen", sagte die CSU-Politikerin der "Welt am Sonntag". "Wir sollten darüber reden, ob eine Speicherdauer von sechs Monaten wirklich notwendig ist."

Entscheidend sei auch, genau zu regeln, wer Zugriff auf die Vorratsdaten habe und unter welchen Bedingungen. "Das kann nur nach richterlichem Beschluss geschehen und muss über das Parlament gesteuert werden", forderte sie. "Dafür brauchen wir eine neue EU-Richtlinie."

Die Balance zwischen dem bestmöglichen Schutz der Sicherheit und dem bestmöglichen Schutz der Freiheit müsse immer wieder neu ausgelotet werden, sagte Aigner. Deshalb gebe sie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Recht, dass Deutschland die geltende Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in dieser Wahlperiode nicht mehr umsetzen solle.

Über 5.500 Telekommunikations-Überwachungen pro Jahr

Deutsche Strafverfolgungsbehörden setzen verstärkt auf die "Telekommunikationsüberwachung" (TKÜ) als Ermittlungsmethode bei Straftaten. Das berichtet die in Berlin erscheinende "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Statistiken des Bundesjustizministeriums.

Die "Welt" hat die alljährlich veröffentlichten Zahlen zu TKÜ-Maßnahmen im Zeitraum von 2000 bis 2011 ausgewertet. Aktuelle Zahlen für 2012 liegen bislang noch nicht vor. Demnach stieg die Zahl der Ermittlungsverfahren, in denen TKÜ-Maßnahmen gegen Verdächtige eingesetzt wurden, bundesweit seit dem Jahr 2000 um rund 65 Prozent an.

Im Jahr 2011 beantragten deutsche Staatsanwälte in 5.516 Strafverfahren, Telefonate abhören, E-Mails und SMS mitlesen und Briefe öffnen zu dürfen. Im Jahr 2000 war das nur in 3353 Strafverfahren der Fall. Insgesamt griffen Strafverfolger in dem Elf-Jahres-Zeitraum in 56.400 Strafverfahren auf Abhöraktionen zurück.

Die deutschen Nachrichtendienste allerdings setzen laut "Welt" im Vergleich zur Polizei eher in geringem Umfang auf diese Überwachungsmaßnahmen. So wurden im Jahr 2011 lediglich 156 Mal die Überwachung von verdächtigen Extremisten, Terroristen oder Spionen durch den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) im Rahmen der "G-10-Regelung" genehmigt. Die Landesämter für Verfassungsschutz hingegen unterliegen eigenen "Ausführungsgesetzen" bei geheimen Überwachungsmaßnahmen und legen ihre Zahlen nur in Einzelfällen offen.

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sagte der "Welt am Sonntag" auf Anfrage, zwischen 2009 und 2011 habe die Behörde insgesamt 23 Mal Überwachungsmaßnahmen gegen Rechts- und Linksextremisten sowie Islamisten angewendet. In Bayern gab der Verfassungsschutz an, die Zahl der Abhörmaßnahmen liege pro Jahr im unteren zweistelligen Bereich.

In einigen Bundesländern überwachen Polizei und Staatsanwaltschaften offenbar besonders häufig die Telekommunikation von Verdächtigen. Beispielsweise setzte die Polizei in Bayern im Jahr 2011 in insgesamt 1316 Verfahren die TKÜ ein. Bei den Abhörmaßnahmen pro Kopf liegt Bayern mit 10,45 Maßnahmen pro 100.000 Einwohner auf Platz zwei hinter dem Spitzenreiter Hamburg. Die Hansestadt zählte insgesamt 201 Verfahren, woraus sich eine Pro-Kopf-Quote von 11,17 ergibt. Schlusslicht bei den Pro-Kopf-Zahlen ist Nordrhein-Westfalen mit 2,51 TKÜ-Maßnahmen pro 100.000 Einwohner. Vorletzter ist Berlin mit einem Wert von 4,31.

Die TKÜ-Maßnahmen werden bei einer Vielzahl von Straftaten als Ermittlungswerkzeug eingesetzt. Am häufigsten vertreten sind Verfahren im Bereich der Drogenkriminalität, des Bandendiebstahls, Raubs und der Erpressung. Aber auch in Fälle von Mord, Subventionsbetrug, Vergewaltigung und Völkermord werden Telefone gezielt angezapft und E-Mails mitgelesen.

Leutheusser-Schnarrenberger fordert internationales Datenschutzabkommen

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine globale Kraftanstrengung zum Datenschutz gefordert: "Wir brauchen neben der europäischen Ebene mit einer guten neuen Datenschutzregelung auch internationales Handeln", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der "Welt". "Ein Zusatzprotokoll zum internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 würde verbindliche Regelungen zum Schutz der Privatsphäre schaffen."

Zuvor hatte sich bereits Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) für ein internationales Datenschutzabkommen ausgesprochen. "Wir brauchen einen Vertrag, an den sich alle Staaten halten und der dann für alle Unternehmen verpflichtend wird", sagte sie der "Welt am Sonntag". In ihren Augen wäre es "ein historischer Fehler, das jetzt nicht anzupacken".

Spielregeln für ein freies Internet würden am besten im Rahmen der Vereinten Nationen definiert, sagte Aigner. "Beim Klimaschutz hat man auch geglaubt, ein internationales Abkommen sei unrealistisch - und dann ist Kyoto gelungen."

Bei der Verwertung personenbezogener Daten sieht die CSU-Politikerin große Internet-Unternehmen in der Bringschuld. "Konzerne wie Google oder Facebook müssen endlich aufwachen und erkennen, dass sie ein Eigeninteresse haben, endlich für Klarheit zu sorgen", sagte sie der Sonntagszeitung.

Scharfe Kritik an Aigner kam von den Grünen. "Das ist ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver", sagte Parteichef Cem Özdemir der "Welt". Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe in den USA keine Aufklärung über die Spähaffäre erreicht. "Aber er findet jetzt, dass die Amerikaner mit der Überwachung durch das Programm "Prism" schon irgendwie alles gut und richtig machen." Da sei die Forderung nach einem weltweiten Datenschutzabkommen "ein schlechter Witz".

Datenschutz: EU-Kommissarin Reding fordert mehr Unterstützung von Deutschland

EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat Deutschland aufgefordert, zu einem besseren Datenschutz in Europa beizutragen. "Die Bundesregierung kann ihren jüngsten Bekenntnissen zum Datenschutz Taten folgen lassen, indem sie meine seit Langem vorliegenden Vorschläge vorantreibt", sagte die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus": "Ich wünsche mir von Deutschland mehr Unterstützung. Deutschland muss mit seinen hohen Datenschutzstandards hier eine Vorreiterrolle übernehmen." Reding beklagte, dass "einige EU-Staaten, etwa Großbritannien", die von ihr angestrebte Reform des Datenschutzes zu bremsen versuchten. Auch von Seiten der USA habe es "unmäßige Lobby-Arbeit gegeben".

Die jüngsten Enthüllungen über US-Ausspäh-Aktionen waren für Reding nach ihren eigenen Worten "keine wirkliche Überraschung". Sie ergänzte: "Ich stelle auch immer wieder fest, dass die US-Regierung Druck auf Firmen ausübt, Kundendaten herauszugeben - auch wenn dies gegen EU-Recht verstößt." Dies geschehe immer wieder, "obwohl wir seit 2010 ein Rechtshilfeabkommen mit den USA haben, das Spielregeln festlegt, wie man unter anderem Datenaustausch legal handhaben kann. Mir ist es unverständlich, weshalb sich die USA um die Anwendung dieses Abkommens herummogeln wollen."

Reding zufolge ist die Haltung zum Datenschutz in den USA und Europa sehr verschieden: "Bei den Amerikanern ist die Datenverarbeitung erlaubt, solange sie nicht verboten ist. Bei uns ist sie verboten, solange sie nicht erlaubt ist. Ich habe schon vor der Schnüffelaffäre darum gekämpft, unsere Kultur des Datenschutzes gegen die völlig andere Einstellung in den USA durchzusetzen."

Schweizer Rechenzentren profitieren von Ausspähaffäre

Die Rechenzentren in der Schweiz profitieren von der Ausspähaffäre um den US-Geheimdienst NSA. "Allein in den letzten drei Wochen ist unser Mail-Bereich um 30 Prozent gewachsen", sagte Franz Grüter, Chef des Datacenters Green.ch, gegenüber dem Nachrichtenportal "20min.ch". Die Anfragen für Speichervolumen hätten sich Grüter zufolge im letzten Quartal gar verdoppelt.

Anders als europäische Rechenzentren versprechen die Datenzentren in der Eidgenossenschaft Schutz vor dem Zugriff durch US-Geheimdienste. Diese Sicherheit hat allerdings ihren Preis: Schweizer Rechenzentren sind laut dem Bericht um gut ein Viertel teurer als die Datenzentren in den USA oder der EU.

Abhörskandal: Merkel will sich als Datenschützerin positionieren

Nach den Enthüllungen über Abhörpraktiken der US-Geheimdienste bemüht sich Angela Merkel erneut, sich als Datenschützerin zu positionieren. "Ich erwarte eine klare Zusage der amerikanischen Regierung für die Zukunft, dass man sich auf deutschem Boden an deutsches Recht hält", sagte Merkel dem ARD-Hauptstadtstudio in der Sendung "Bericht aus Berlin".

Die USA und Deutschland seien befreundete Partner und seien schließlich in einem Verteidigungsbündnis, da müsse man sich "aufeinander verlassen können." Zur Abwägung zwischen Datenschutz und Kampf gegen Terror und der Frage der Verhältnismäßigkeit, sagte Merkel: "Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch gemacht werden. Der Zweck heiligt aus unserer Sicht nicht die Mittel."

Von den großen US-Internetanbietern wie Google und Facebook forderte sie Auskunft, wem diese Daten weitergeben. "Das muss Teil eines solchen Datenschutzabkommens sein, denn wir haben zwar ein tolles Bundesdatenschutzgesetz, aber wenn Facebook in Irland registriert ist, dann gilt das irische Recht und deshalb brauchen wir hier eine einheitliche europäische Regelung", so die Kanzlerin.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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