Wo ist Deutschlands Justizministerin?
Archivmeldung vom 14.06.2019
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEigentlich wollte Bundesjustizministerin Katarina Barley direkt nach der Europawahl von ihrem Amt zurücktreten und in das EU-Parlament nach Brüssel wechseln. Doch es gibt anscheinend unerwartet Probleme: Barleys Platz am Kabinettstisch ist leer und ihre Nachfolge ungeklärt. Woran liegt das? Und ist das überhaupt rechtlich möglich? Das russische online Magazin "Sputnik" fragte beim Ministerium nach.
Im Oktober 2018 war Katarina Barley als Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl gekürt worden. Bereits während des Wahlkampfes betonte sie immer wieder: Ihre Sachen seien gepackt, der Umzug nach Brüssel solle direkt nach der Wahl erfolgen.
Auch hatte Barley direkt am Tag nach der Europawahl Ende Mai in einem offiziellen Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel um ihre Entlassung gebeten. Doch anscheinend kam es danach anders, als es sich die neue EU-Abgeordnete erhofft hatte.
Eigentlich war alles klar…
Die Kanzlerin hat Barley direkt nach ihrem Entlassungsgesuch darum gebeten, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz noch so lange zu leiten, bis ein Nachfolger vereidigt sei. Da das Ministerium aktuell ein SPD-Ressort ist, müssten die Sozialdemokraten zunächst also eine potentielle Nachfolgerin benennen.
Doch warum die Verzögerung? Die Frage lautet folglich also: Hat die SPD den Termin entweder verschlafen, oder haben die Sozialdemokraten bereits intern eine Kandidatin erwählt, doch Kanzlerin Merkel möchte diese Person nicht in ihrem Kabinett haben? Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte gegenüber Sputnik:
„Gemäß Artikel 64 GG werden Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt. Ich rege an, Fragen nach dem Verfahren an das Bundespräsidialamt zu richten.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann also keine neue Bundesjustizministerin ernennen, wenn diese ihm nicht offiziell von Kanzlerin Merkel vorgeschlagen wird und er Barley damit offiziell aus dem Amt entlassen kann. Diesen Schritt kann oder will Merkel aktuell nicht gehen.
Was ist der Hintergrund?
Es ist unwahrscheinlich, dass sich die SPD einfach noch keine Gedanken über die Barley-Nachfolge gemacht hat. Möglich ist natürlich trotzdem ein interner Machtkampf, denn wichtige Posten werden bei den Sozialdemokraten sehr häufig nach Landesverband und Geschlecht vergeben. Aus diesem Grund schaffte es auch die bisher unbekannte NRW-Politikerin Svenja Schulze in das Amt der Bundesumweltministerin. Wahrscheinlicher ist aber ein Stopp der Kanzlerin, die bei dem neuen Kabinettsmitglied ein wichtiges Wort mitreden möchte.
Hier kommt Eva Högl ins Spiel. Ihr Name fiel zuerst, als Barley damals ihre EU-Kandidatur erklärte. Die 49-jährige Juristin, die drei Mal in Folge als Direktkandidatin den Wahlkreis Berlin-Mitte gewann und seit 2009 im Bundestag sitzt, wird in der SPD-Fraktion für ihren Sachverstand in der Innen-und Rechtspolitik geschätzt. Doch die Sozialdemokratin ist bei der Union nicht sonderlich beliebt: Im vergangenen Jahr stellte sich Högl öffentlich gegen ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, auf Twitter schrieb Sie: „Wie wär‘s damit, mal die widerlichen ‚Lebensschützer*innen‘ in der Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren?“
Auch bei dem Thema Mietpreisbremse ist Högl anderer Meinung, als CDU und CSU. Sollte die SPD also Högl intern zur Nachfolgerin Barleys im Justizministerium erklärt haben, dürfte die Kanzlerin die Notbremse gezogen haben.
Lange kann dieser Zustand aber nicht mehr andauern: Am 2. Juli konstituiert sich das neue EU-Parlament, Barley ist damit offiziell Europaabgeordnete. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft als Ministerin im Bundeskabinett und als EU-Parlamentarierin ist untersagt. Die Satzung des EU-Parlaments verbietet ausdrücklich eine Doppelfunktion. Die Bundesregierung steht als zeitlich massiv unter Druck.
Ist das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz denn momentan führungslos? Danach sieht es nicht aus, denn trotz Abwesenheit im Bundestag haben seine Mitarbeiter und Staatssekretäre jüngst sogar gleich mehrere Gesetzesvorlagen in Parlament und Justizausschuss eingebracht. Seitens des Ministeriums hieß es gegenüber Sputnik außerdem: „Ministerin Barley kommt ihren Aufgaben als Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz nach. Sie ist regelmäßig im BMJV.“
Wie regelmäßig genau, bleibt offen. Klar ist nur, es muss dringend eine Lösung her. Deutschlands oberste Verbraucherschützer sind verärgert, die Liste von zu lösenden Problemen sei lang. Von Seiten des Kanzleramts und aus dem Willy-Brand-Haus sind bislang bei dem Thema Barley-Nachfolge jedoch nur Hinhalte-Parolen zu vernehmen.
Quelle: Sputnik (Deutschland)