Bosbach (CDU) für Generationenschnitt beim Doppelpass
Archivmeldung vom 20.04.2017
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Freigeschaltet durch André OttDer neue Chefstratege der NRW-CDU für das Thema "Innere Sicherheit", Wolfgang Bosbach, will den Doppelpass für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern abschaffen.
Bosbach sagte im Interview mit der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post": "Bei den Deutschtürken der ersten und zweiten Generation sollten wir den Doppelpass beibehalten. Aber warum die Möglichkeit eines Doppelpasses auch noch bei den Enkeln und Urenkeln aufrechterhalten bleiben soll, die doch längst Abstammungsdeutsche sind, verstehe ich nicht."
Das vollständige Interview:
Wie geht es Ihnen? Bosbach Im Moment gut. Mir ist im September ein Teil meiner Lunge entfernt worden, weil sich dort ein Tumor angesiedelt hatte. Die ersten Wochen nach der OP habe ich unterschätzt, aber inzwischen geht es mir deutlich besser. Ich spüre im Alltag keine Einschränkungen, aber ich bin abends ganz schön kaputt.
Sie haben damals angekündigt, 2017 aus dem Bundestag auszuscheiden und kein politisches Amt mehr anzustreben. Wie hat Armin Laschet Sie überzeugt, sich jetzt in den Wahlkampf einzumischen? Bosbach Er hat an meine politische Ehre appelliert. Er wusste, dass ich kein politisches Amt anstrebe. Auch nicht auf Landes- oder Kommunalebene. Aber ich bin ein leidenschaftlicher, politischer Mensch. Und die Innenpolitik ist mein Lebensthema. Es ist eine Ehre, diese Kommission zu leiten.
Warum wollen Sie bei einem Wahlsieg nicht auch Innenminister werden? Bosbach Ich stehe zu meiner Entscheidung. Aus gesundheitlichen Gründen, denn ich werde in wenigen Wochen 65 Jahre alt und bin nicht mehr der Fitteste. Aber auch aus politischen Gründen. Ich habe ja damals Ihrer Zeitung gesagt, dass ich nicht die Kuh sein möchte, die ständig quer im Stall steht. In wichtigen Fragen bin ich anderer Auffassung als die Mehrheit meiner Partei.
Sie haben die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin mal als großen Fehler bezeichnet, Armin Laschet ist Merkels größter Unterstützer. Bosbach Da müssen Sie differenzieren. Ich habe nie die Entscheidung kritisiert, dass die Kanzlerin Anfang September 2015 die Flüchtlinge einreisen ließ, die unter unsäglichen Umständen im Budapester Bahnhof eingepfercht waren. Ich habe kritisiert, dass wir danach nicht zur geltenden Rechtslage zurückgekehrt sind, insbesondere jene Personen nicht einreisen zu lassen, deren Identität völlig ungeklärt ist.
Sind Flüchtlinge ein Sicherheitsrisiko in NRW? Bosbach Es gibt Problemgruppen, und die muss man als solche bezeichnen. Die Flüchtlinge aus Syrien sind unter Kriminalitätsaspekten ziemlich unproblematisch. Anders ist es bei Flüchtlingen aus Nordafrika, die zu einem hohen Prozentsatz kein Aufenthaltsrecht haben und in erheblichem Umfang straffällig in Erscheinung treten. Nicht nur bei der so genannten Kleinkriminalität.
Der Terrorist Anis Amri kam aus Tunesien. Wer hat in dem Fall versagt? Bosbach Ich verstehe jedenfalls die Argumentation der nordrhein-westfälischen Landesregierung nicht, dass man es nicht einmal versucht hat, den Mann abzuschieben. Ich kann nicht ausschließen, dass man vor Gericht gescheitert wäre. Aber es nicht einmal zu versuchen, ist fahrlässig.
Im Bund-Länder-Terrorabwehrzentrum in Berlin wurde Amri falsch eingeschätzt. Bosbach Es gehört zur Wahrheit dazu, dass die unterschiedlichen Kriterien zur Einschätzung eines Gefährders zwischen Bund und Ländern und zwischen den Sicherheitsbehörden die Sache erschwert haben. Auch im Bund gab es ja Gesetzesverschärfungen. Bosbach Das war auch notwendig, denn bisher konnte die Abschiebehaft nur zur Durchführung einer zeitnahen Ausreisepflicht angeordnet werden. Das bringt aber nichts, wenn der Herkunftsstaat keine Papiere ausstellen will oder die Identität bezweifelt. Nun können die Sicherheitsbehörden einen Gefährder in Haft nehmen, während die Behörden auf die Papiere und die Identitätsfeststellung warten.
Leben wir in NRW unsicherer als anderswo? Bosbach Zweifellos. Das Risiko, in Nordrhein-Westfalen Opfer einer Straftat zu werden, ist 70 Prozent höher als in Bayern.
Innenminister Ralf Jäger sagt, das liege an den Ballungsräumen im Land. Bosbach Abstrakt ist das richtig. Aber wieso ist das Risiko in Köln Opfer einer Straftat zu werden 100 Prozent höher als in München? Ich bin mir sicher: Die Kölner Silvesternacht wäre in München nicht passiert. München hat übrigens 300.000 Einwohner mehr als Köln.
Warum nicht? Bosbach Der Spuk wäre in München nach wenigen Minuten vorbei gewesen, weil dort die Devise gilt: Wehret den Anfängen. Dort wird konsequentes Durchgreifen in der polizeilichen Praxis gelebt, in NRW nicht.
Die CDU-geführte Regierung unter Jürgen Rüttgers hat Polizeistellen abgebaut. Bosbach Mal langsam. Ich habe mir die Zahlen genau angeschaut. Der größte Abbau der Polizeistellen wurde zur Jahrtausendwende in Berlin und in NRW vollzogen, damals beides keine CDU-geführten Länder. Wo sehen Sie Schwächen im CDU-Wahlprogramm zur inneren Sicherheit? Bosbach Da sehe ich gar keine. Die Prioritäten sind richtig gesetzt. Wenn die Bürger das Vertrauen verlieren, dass der Staat sie wirksam vor Verbrechern schützen kann, wenden sie sich von etablierten Parteien ab. Das wäre fatal.
Warum braucht es dann eine Kommission? Bosbach Die Sicherheitspolitik bedarf einer ständigen Überprüfung. Es gibt neue Bedrohungslagen, neue sicherheitsrelevante Themen, denken Sie nur an das große Thema der Cyberkriminalität. Diese Kommission soll der neuen Landesregierung dauerhaft als Expertengremium und Ideengeber dienen.
Dann werden Sie sie sicher parteiübergreifend besetzen? Bosbach Ich werde kein Mitglied nach einem CDU-Parteibuch fragen. Was glauben Sie, ist das drängendste Problem für Nordrhein-Westfalen? Bosbach Die Bedrohung durch den islamistisch motivierten Terror. Es gibt drei Aspekte: Erstens die stark steigende Zahl der Salafisten in unserem Land. Nicht jeder Salafist ist ein potenzieller Terrorist. Aber fast jeder Terrorist hat Kontakte zur salafistischen Szene.
Wie kann es sein, dass sich zehn Prozent der salafistischen Szene in NRW rund um Bonn ansiedeln? Da müssen wir ran. Zweitens gerät der IS im Irak und in Syrien unter Druck. Dies könnte dazu führen, dass der IS seine Schlagkraft demonstrieren will und Anschläge in anderen Ländern begeht. Drittens haben wir eine nennenswerte Zahl von Rückkehrern aus den Kampfgebieten, die ihre Tötungshemmung verloren haben. Von ihnen geht die größte Gefahr aus. In Deutschland leben derzeit 600 Gefährder, davon 20 vom Schlage eines Anis Amri. Sie vollumfänglich zu überwachen, ist ausgesprochen schwierig.
Wie kann man diese Menschen stärker in den Fokus nehmen? Bosbach Das Hauptaugenmerk muss auf der Frage nach der Ursache der Radikalisierung liegen, und ich glaube, dass da einige Moscheegemeinden eine unrühmliche Rolle spielen. Es muss deshalb eine konsequente Kappung aller ausländischen Einflüsse auf die Arbeit in den Gemeinden geben. Wenn Imame einreisen, um hier zu predigen, dann predigen sie sehr oft an der Lebenswirklichkeit der Gläubigen in Deutschland vorbei. Deshalb halte ich es für richtig, dass Imame in Deutschland ausgebildet werden.
Müsste Innenminister Jäger zurücktreten? Bosbach Er hätte schon längst zurücktreten müssen, wenn er wirklich konsequent gewesen wäre. Als er selbst Oppositionspolitiker war, hat er an die Verantwortlichen in der Landesregierung ganz andere Maßstäbe angelegt als an sich selbst heute. Jetzt, vier Wochen vor der Landtagswahl, nach dem Rücktritt von Ralf Jäger zu rufen, macht aber wenig Sinn.
Wie beurteilen Sie das Wachsen der Konservativen Kreise? Ist das eine Gefahr für die CDU? Bosbach Das ist eine Chance für die CDU, enttäuschte Wähler wieder zurückzugewinnen und deutlich zu machen, dass die Wertkonservativen genau die gleiche Daseinsberechtigung und politische Bedeutung haben wie die Christlich-Sozialen und die Liberalen.
Halten Sie eine Abschaffung des Doppelpasses für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern für notwendig? Bosbach Ja. Ich habe beim Parteitag für die Reform gestimmt. Ich kann verstehen, dass man Menschen, die eingewandert sind, nicht ihre Wurzeln wegnehmen möchte. Bei den Deutschtürken der ersten und zweiten Generation sollten wir den Doppelpass beibehalten. Aber warum die Möglichkeit eines Doppelpasses auch noch bei den Enkeln und Urenkeln aufrechterhalten bleiben soll, die doch längst Abstammungsdeutsche sind, verstehe ich nicht. Deswegen favorisiere ich den so genannten Generationenschnitt, den der Bundesinnenminister vorgeschlagen hat.
Quelle: Rheinische Post (ots)