Habeck warnt in Bewerbungsrede für Kanzlerkandidatur vor GroKo
Der amtierende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat in seiner Bewerbungsrede für die Kanzlerkandidatur der Grünen deutlich vor einer Großen Koalition nach der Bundestagswahl im Februar gewarnt. "Jetzt auf einmal soll die Große Koalition die Antwort sein? Ich sage euch, sie ist der Grund für die Liebesaffäre mit dem Status quo", sagte er am Sonntag auf dem Grünen-Parteitag in Wiesbaden. "Sie ist der Grund für den Stillstand."
Die Grünen hätten einen eigenen Auftrag, "dafür zu sorgen, dass dies
nicht passiert und das bedeutet, dass die Regeln aus einer Zeit, wie sie
mal waren, überprüft und verändert werden müssen". Das gelte für
Europa, das sich weiter einen und vereinen müsse, wo man die
Außenpolitik, die Sicherheitspolitik, die Wirtschaftspolitik neu und
gemeinsam organisieren müsse. "Das bedeutet auch, Souveränitätsrechte
nach Brüssel zu übertragen."
Habeck warb in diesem Zusammenhang
auch für eine Reform der Schuldenbremse, möglichst noch vor der Wahl.
Man müsse die fiskalpolitischen Spielregeln neu aufstellen, sagte er.
"Die Große Koalition hat mehrfach sich dafür gerühmt, ausgeglichene
Haushalte vorzulegen. Nun, das heißt nicht, dass keine Schulden gemacht
wurden. Sie stehen nur nicht im Haushalt." Das sehe man in maroder
Infrastruktur, in mangelnder Einsatzfähigkeit der Bundeswehr oder in
fehlender Innovation.
"Diese Politik fortzusetzen, schadet der
Sicherheit Europas und Deutschlands", so Habeck. Sie schade auch der
Wirtschaft und der wirtschaftlichen Kraft sowie dem gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Er verwies darauf, dass Unions-Kanzlerkandidat Friedrich
Merz sich in dem Punkt zuletzt bewegt habe. "Unsere Hand ist
ausgestreckt, dieses große Ding, Reform der Schuldenbremse, noch vor der
Wahl zu machen, damit das Land investiert, damit wir vorankommen",
sagte der Grünen-Politiker.
Er verteidigte zudem, dass die Grünen
trotz der eher schwachen Umfragewerte einen Kanzlerkandidaten
aufstellen. "Verantwortung ist etwas, was man erwerben muss, was man
sich verdienen muss", sagte er. "Ich will eine ehrliche Ansprache. Ich
will nicht als der Besserwisser dem Land sagen, was alle zu denken
haben." Aber er wolle die Verantwortung suchen und tragen, mit der
Erfahrung, die er gesammelt habe, in fast zehn Jahren als Minister, drei
Jahre davon in der Bundesregierung.
Habeck versuchte in seiner
Rede zudem, speziell feministische Themen anzusprechen. Es gebe noch
immer keine Geschlechtergleichheit in Deutschland, sagte er. Es gebe
"viele gläserne Decken und Hürden" für Frauen, die er als Mann gar nicht
mehr sehe. Es sei dabei nicht die Aufgabe der Frauen alleine, für
Geschlechtergerechtigkeit zu kämpfen, sondern auch der Männer und auch
ihn selbst, so Habeck. Das gelte auch für das Thema des Schutzes des
ungeborenen Lebens, fügte er hinzu. "Es ist eine schwierige Frage für
alle, die davon betroffen sind. Aber eins ist auch klar, sie gehört
nicht in Strafrecht", so der designierte Kanzlerkandidat.
Vor
Habeck hatte bereits Außenministerin Annalena Baerbock versucht, den
Zusammenhalt der Grünen zu beschwören. Der Parteitag habe gezeigt, dass
man "im Team unschlagbar" sei, sagte sie. Zugleich warb sie für Habeck
als Anführer im Wahlkampf: Dieser habe in Krisenzeiten Kurs gehalten und
sei nicht ins Schlingern geraten, so Baerbock. "Wir wollen Robert als
Kanzler für uns und die Menschen in diesem, in unserem wunderschönen
Land", so die Kanzlerkandidatin von 2021.
Die Kür Habecks soll am
Nachmittag per Antrag erfolgen, wobei in diesem das Wort
"Kanzlerkandidat" gar nicht vorkommt. Stattdessen heißt es, dass Habeck
ein "Kandidat für die Menschen in Deutschland" sein solle und er "das
Zeug zu einem guten Bundeskanzler" habe. An seiner Seite soll Baerbock
stehen, mit der er ein "Spitzenduo" bilden soll.
Quelle: dts Nachrichtenagentur