Seehofer will erneute Überprüfung von Flüchtlingen ohne klare Identität
Archivmeldung vom 23.12.2016
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtBayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer hat die neuerliche Überprüfung von Asylbewerbern ohne klare Identität verlangt. "Ein Verbrechen in dieser furchtbaren Dimension erzwingt von der Politik zu überlegen, welche Schritte wir unternehmen können, um eine Wiederholung zu verhindern", sagte Seehofer der "Welt am Sonntag" vor dem Hintergrund des Berliner Anschlags.
"Zum Beispiel, dass wir die Identitäten der Menschen gesichert feststellen, die in unser Land kommen", sagte der CSU-Chef. Seehofer forderte, dass all jene Asylbewerber noch einmal überprüft werden, deren Identität "nur mit einem formalisierten Fragebogen durchgeführt worden sind. Es gab keine Gespräche, keine Beteiligung des Verfassungsschutzes, wie es früher in bestimmten Fällen einmal üblich war. Zumindest diese Formblatt-Fälle muss der Bundesinnenminister jetzt noch einmal prüfen lassen."
Seehofer geht davon aus, dass es sich um eine vierstellige Zahl Menschen handelt. "Ich schätze eine Größenordnung, die mehr im Tausenderbereich liegt als im Hunderterbereich." Darüber hinaus will der CSU-Vorsitzende das Alter vermeintlich minderjähriger Flüchtlinge durch eine medizinische Untersuchung ermitteln lassen.
"In Dänemark zum Beispiel wird mit einer speziellen Röntgen-Methode überprüft, ob die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge tatsächlich minderjährig sind." Das Ergebnis sei, dass der Großteil schon über 18 Jahre alt sei. "Eine derartige Überprüfung zur Feststellung des wahren Alters sollte man auch in Deutschland in Zweifelsfällen nutzen."
Darüber hinaus müsse die Kontrolle der europäischen Außengrenzen und - solange dies nicht funktioniere - auch die Kontrolle der deutschen Binnengrenzen deutlich verbessert werden. "Sie ist leider immer noch sehr, sehr lückenhaft", sagte Seehofer.
CSU-Chef Seehofer will Klarheit beim Zugang von Asylbewerbern
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer hat die Bundesregierung aufgefordert, sich an eine nachvollziehbare Rechtsgrundlage beim Zugang von Asylbewerbern zu halten: "Zur wirksamen Grenzkontrolle gehört natürlich auch eine vernünftige Rechtsgrundlage. Jahrelang bestand sie aus dem Schengen- und dem Dublin-Abkommen. Aus unserer Sicht gilt dieses Recht nach wie vor", sagte Seehofer der "Welt am Sonntag". Es könne nicht sein, dass jemand dieses Regelwerk ohne triftigen Grund außer Kraft setze und massenhaft hier in Deutschland Asylverfahren durchgeführt würden, für die ein anderes Land in Europa zuständig sei.
Auf die Bundeskanzlerin wollte Seehofer diesen Vorwurf allerdings nicht konkret bezogen wissen. Vielmehr beklagte er ein vollkommen undurchsichtiges rechtliches Durcheinander. "Gegenwärtig ist doch eines zu beklagen: Niemand in Deutschland, selbst die Experten nicht, können eine Frage beantworten: Nach welchem System funktioniert gegenwärtig die Zuwanderung von außerhalb der EU genau? Mal gilt Dublin, mal nicht. Das kann doch kein Zustand auf Dauer sein."
Seehofer betonte, dass an der Grenze zurückgewiesene Personen besser überwacht werden müssten. "Wir können nicht sagen, ob sie nicht an einem anderen, nicht kontrollierten Grenzübergang wieder ins Land kommt. Das kann nicht so bleiben. Darauf werden wir drängen." Bayern hätte derzeit einen Zugang von 100 bis 200 Personen täglich.
Grünen-Politiker Palmer kritisiert deutsches Asylsystem
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat nach dem Anschlag in Berlin scharfe Kritik am deutschen Asylsystem geübt. "Es gibt Asylbewerber, die falsche Anreize in unserem Asylsystem erkennen und ausnutzen", sagte Palmer der "Welt".
Wer nicht aus einem Bürgerkriegsland wie Syrien komme und das wahrheitsgemäß angebe, habe praktisch keine Chance, bei uns zu bleiben. Werfe er aber den Pass weg und gebe ein falsches Herkunftsland an, sei ein langes Verfahren und am Ende eine Duldung sehr wahrscheinlich, so Palmer. "Eigentlich sollte es umgekehrt sein: Wer nicht nachweisen kann, vor einem Krieg geflohen zu sein, sollte schlechtere Erfolgsaussichten haben."
Dass Flüchtlinge in Deutschland mit mehreren Identitäten unterwegs sind und der Informationsaustausch innerhalb Europas nicht richtig funktioniert, hält Palmer für problematisch. Unter Verweis auf den Freiburger Mordfall an einer Studentin sagte Palmer: "Es darf einfach nicht sein, dass eine Familie vollkommen ahnungslos einen angeblich minderjährigen Flüchtling bei sich aufnimmt, der zum Mörder wird. Und nachher stellt sich heraus, die griechischen Behörden haben den wegen Überfüllung der Gefängnisse nach Deutschland ziehen lassen. Genauer hinschauen müssen wir schon."
Zu den Äußerungen der AfD, die Opfer von Berlin seien "Merkels Tote", sagte Palmer, damit wolle die Partei vor allem Aufmerksamkeit erregen: "Ich glaube, dass man der AfD einen Gefallen tut, wenn man auf solche Provokationen einsteigt und zurückschimpft. Wir sollten der AfD durch Lösungen für Probleme den Wind aus den Segeln nehmen. Jeder weiß doch, dass das nicht Merkels Tote sind."
Quelle: dts Nachrichtenagentur