Bosbach fordert in NSU-Affäre weitere Konsequenzen
Archivmeldung vom 03.07.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), fordert nach dem Rückzug des Verfassungsschutz-Präsidenten Heinz Fromm im Zuge der NSU-Affäre weitere Konsequenzen. "Allein bei persönlichen Konsequenzen für den Präsidenten wird es wohl nicht bleiben können", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Niemand soll glauben, dass sich mit der Demission von Herrn Fromm das Thema erledigt hat." Dies könne "nicht das letzte Wort" gewesen sein.
Wolfgang Bosbach (CDU), bedauert den Rücktritt von Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm. "Ich bedauere seine Demission sehr", sagte Bosbach der Tageszeitung "Die Welt". "In den letzten Monaten hat er bei allen Auftritten glaubwürdig deutlich gemacht, wie sehr ihn die Mordserie und die Terrortaten des NSU persönlich betroffen machen. Er war immer klar in der Aussage. Fromm war kein Heißsporn, sondern ein solider Sachwalter zum Schutze der Verfassung, ein nüchterner Analytiker und guter Behördenleiter. Ihm ging es nie um Aktion. Kein James Bond des Verfassungsschutzes."
Bosbach warnte zugleich mit dem Rücktritt Fromms seien alle Konsequenzen zum Versagen der Ermittlungsbehörden im Fall NSU gezogen. Es müsse alles getan werden, auch um Verschwörungstheorien rund um die Rolle des Verfassungsschutzes auszuräumen. "Die Aufklärungsarbeit muss rückhaltlos und schonungslos weitergehen. Auch gegenüber denen, die diesen unglaublichen Vorgang zu verantworten." "Business as usual wird es seit dem Vorfall nicht mehr geben", so der CDU-Politiker.
Ombudsfrau Barbara John: Rücktritt Fromms erzeugt keinen Respekt
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der rechtsextremistischen Mordserie, Barbara John, hat dem zurückgetretenen Verfassungsschutzpräsidenten Fromm den Respekt verwehrt und die Behörden massiv kritisiert. Im "Tagesspiegel" sagte sie: "Das ist ein komfortabler Rücktritt, weil er keinen Respekt erzeugt. Achtung für Herrn Fromm wäre nur angebracht gewesen, wenn der Präsident in seinem letzten Amtsjahr mit absoluter Schonungslosigkeit die Schwächen der Versagertruppe aufgearbeitet hätte."
NSU-Ausschuss will Verfassungsschutzmitarbeiter zur Verantwortung ziehen
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Kurth, der Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages ist, schließt juristische Schritte von Parlamentariern gegen Sicherheitsbehörden nicht mehr aus. "Wir sind nahe an dem Zeitpunkt, zu dem geprüft werden muss, inwiefern die Parlamentarier auch juristisch gegen falsche Aussagen und Vertuschung vorgehen können", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) mit Blick auf die Vernichtung von Akten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Kurth spielte zugleich indirekt darauf an, dass auch das Ministerium für Staatssicherheit Akten vernichtet habe.
Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy (SPD), kündigte gegenüber der "Mitteldeutschen Zeitung" an, dass in der Ausschuss-Sitzung am Donnerstag neben dem scheidenden Verfassungsschutz-Präsidenten Heinz Fromm voraussichtlich auch der direkt für die Akten-Vernichtung verantwortliche Referatsleiter als Zeuge gehört werde. Die Aktenvernichtung sei "ein skandalöser Vorgang", erklärte Edathy und fügte hinzu: "Die skandalöse Vernichtung einschlägiger Akten ist nicht dazu geeignet, Verschwörungstheorien den Boden zu entziehen."
Edathy schließt weitere personelle Konsequenzen nicht aus
Der Vorsitzende des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), Sebastian Edathy (SPD), schließt nach dem Rücktritt von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm weitere personelle Konsequenzen nicht aus. Fromm sei "der erste Fall, bei dem im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen ein Verantwortlicher persönliche Konsequenzen zieht. Ob noch weitere folgen, wird sich zeigen", sagte Edathy "Handelsblatt-Online". "Wir sind noch am Anfang der Aufklärungsarbeit." Fromm werde trotz seines Rückzugs die Aufklärung weiter unterstützen, sagte Edathy weiter. "Sein Erscheinen im Untersuchungsausschuss ist nicht infrage gestellt." Möglicherweise werde er dann auch zu den Hintergründen seiner Entlassung Stellung nehmen.
Auf die Frage, ob auch beim Bundeskriminalamt (BKA) personelle Konsequenzen nötig seien, sagte Edathy: "Die Vernichtung einschlägiger Akten durch Verfassungsschützer ist ein skandalöser Vorgang. Ein ähnliches Behördenversagen kann ich aber beim Bundeskriminalamt nicht erkennen."
Nach Ansicht des Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), verdiene Fromms Entscheidung zum Rücktritt Respekt. "Er ist der erste Vertreter einer Behörde, der persönliche Konsequenzen beim Versagen einer Behörde in Sachen NSU zieht", so Edathy gegenüber der Tageszeitung "Die Welt". Fromm habe stets "eine klare Position" in Sachen Rechtextremismus vertreten. "Ich bedauere, dass über das Ende seiner Amtszeit ein Schatten fällt", so der SPD-Politiker weiter.
Anwalt nach Fromm-Rücktritt: NSU-Opfern wird Gewissheit gestohlen
Jens Rabe, Anwalt von Opfern der NSU und Vertreter der Familie Simsek, sieht die Aufklärung der Mordserie und ihrer Hintergründe gefährdet. "Den Opfern wird wieder ein Stück Gewissheit gestohlen, weil ein Teil der Aufklärung unmöglich geworden ist", sagte er dem "Tagesspiegel". Nach dem Rücktritt des Bundesverfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm haben sich Opferanwalt und Angehörige der NSU-Mordopfer dementsprechend enttäuscht gezeigt.
Der Chef des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, war am Montag auf sein Gesuch hin von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) entlassen worden. Damit zog Fromm die Konsequenzen aus den Pannen bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) sowie der jüngst bekannt gewordene Vernichtung brisanter Akten von Verfassungsschützern im Zusammenhang mit der NSU.
Quelle: dts Nachrichtenagentur