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Kreditaffäre: Grünen-Chefin Roth hält sich mit Rücktrittforderungen zurück

Archivmeldung vom 04.01.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.01.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Christian Wilhelm Walter Wulff Bild: wikipedia.org
Christian Wilhelm Walter Wulff Bild: wikipedia.org

In der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff (CDU) hält sich die Grünen-Chefin Claudia Roth weiter mit Rücktrittsforderungen zurück. Der Bundespräsident müsse schon selbst wissen, ob er noch die nötige Autorität hat, um als "Konsensfigur und Wertevermittler" aufzutreten, sagte Roth der "Süddeutschen Zeitung".

Im Übrigen liege das Problem nun auch eher bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Sie hat eine Posten- und Machtfrage daraus gemacht, statt den Konsens zu suchen", so Roth. Also müsse Merkel sich nun zu den Vorgängen rund um ihren Wunsch-Kandidaten äußern. Wolle Wulff die Affäre nur aussitzen, werde er ein "extrem schwacher Präsident". Schließlich gehe das nur, "wenn Merkel die Hand über ihn hält".

Ex-SPD-Chef Vogel ruft Wulff zu öffentlicher Stellungnahme auf

Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel hat Bundespräsident Christian Wulff (CDU) zu einer öffentlichen Stellungnahme aufgefordert. "Seit einigen Tagen ist das Amt des Bundespräsidenten von Wolken überzogen. Wenn es gelingen soll, diese Wolken verschwinden zu lassen, muss sich Herr Wulff rasch noch einmal - und diesmal sehr ausführlich - erklären", sagte Vogel der Tageszeitung "Die Welt". Vogel kritisierte Wulffs Intervention bei Journalisten. Der Bundespräsident habe ja nicht einen Chefredakteur angerufen, "sondern zudem einen massiven Vorstoß beim dem Verlag dieser Zeitung unternommen", sagte der einstige Bundesjustizminister: "Für ein Staatsoberhaupt, der die Pressefreiheit als hohes Gut würdigt, ist das - vorsichtig formuliert - ein nicht alltäglicher Vorgang. Ich kann mich nicht erinnern, aus meinen Funktionen heraus auch nur einmal bei einem Verlag interveniert zu haben." Zwar wäre ein zweiter Rücktritt eines Bundespräsidenten in kurzer Zeit ein Novum, sagte Vogel. Die Opposition aber "hat eine Kontrollaufgabe, auch in Bezug auf den Bundespräsidenten. Wir alle sollten uns eine Meinung bilden, wenn sich Herr Wulff erneut erklärt hat und auch die Umstände seines massiven Vorstoßes bei dem Verlag Axel Springer geklärt sind."

CDU-Politikerin Lengsfeld fordert Rücktritt Wulffs

In der Union wächst der Druck auf Bundespräsident Christian Wulff. Als erstes prominentes Parteimitglied hat sich die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld im "Handelsblatt" für einen Rücktritt des Staatsoberhaupts ausgesprochen und Joachim Gauck als Nachfolger vorgeschlagen. "Unser Bundespräsident ist endgültig zur Witzfigur geworden. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung kann ihn nicht mehr ernst nehmen", sagte Lengsfeld. "Jede Stunde, die er sich länger an das Amt klammert, das er nie ausfüllen konnte und das er fast irreversibel geschädigt hat, schadet der demokratischen Kultur." Die einstige DDR-Bürgerrechtlerin betonte: "Es braucht keine neue Enthüllung, um sicher zu sein, dass Wulff gehen muss."

Lengsfeld appellierte an SPD und Grüne, sich aktiv für eine Ablösung Wulffs einzusetzen. Die Opposition könne nun beweisen, dass ihr Vorschlag, den früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck zum Bundespräsidenten zu machen, kein parteipolitisches Manöver gewesen sei. "Joachim Gauck kann dem Amt seine Würde zurückgeben", sagte die CDU-Politikerin. "Als zweiten Schritt sollte man dazu übergehen, den Bundespräsidenten vom Volk wählen zu lassen." Nur so sei gesichert, "dass unser höchstes Amt nie wieder parteipolitisch instrumentalisiert werden kann".

SPD fordert von Merkel Erklärung zu Wulff

Die Sozialdemokraten haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu aufgefordert, sich zu den Vorwürfen gegen den Bundespräsidenten zu äußern. "Nun muss Frau Merkel erklären, ob Herr Wulff ihren Ansprüchen an sein Amt noch gerecht wird", sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil der Tageszeitung "Die Welt". "Frau Merkel und die Union ducken sich weg. Dabei haben sie Herrn Wulff doch einst für dieses Amt vorgeschlagen", so der SPD-Politiker weiter. Die neuen Vorwürfe gegen Bundespräsident Christian Wulff hätten eine größere Dimension als bislang, sagte Heil: "Nun geht es nicht mehr um den Ministerpräsidenten Wulff. Jetzt geht es um das Verhalten Wulffs als Bundespräsident. Es ist unerträglich, dass der Bundespräsident Journalisten unter Druck setzt und die Pressefreiheit verletzt."

Ex-CDU-Minister attackiert Merkel in Wulff-Debatte

In der Debatte um Bundespräsident Christian Wulff wird jetzt auch erstmals Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) laut. Das politische Deutschland hülle sich in Schweigen, weil niemand den ersten Stein werfen dürfe, sagte der frühere Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Werner Marnette (CDU), der Onlineausgabe des "Handelsblatts". Dabei treffe auch die Kanzlerin "eine entscheidende Mitschuld", so der CDU-Politiker. "Denn ihre kalte Machtpolitik hatte einen geachteten und erfahrenen Bundespräsidenten aus dem Amt hinaus- und einen offenbar menschlich und politisch unreifen Karrierepolitiker in das Amt hineingedrängt." Daraus könne man lernen: "Ministerpräsident und Kanzler kann jeder werden. Doch für das höchste Staatsamt bedarf es einer ausgewiesenen Lebensleistung."

Nach der versuchten Pressebeeinflussung von Wulff forderte Marnette das Staatsoberhaupt zudem eindringlich auf, für Aufklärung zu sorgen. Das Ausland stehe dem Treiben verwundert gegenüber, und Deutschland, insbesondere das politische Deutschland, sei fassungslos über die Zurückhaltung Wulffs. "Unsere Bürger spüren längst, dass die demokratische Grundordnung dauerhaft beschädigt werden könnte, wenn nicht bald eine befreiende Klarstellung des Bundespräsidenten erfolgt", sagte der CDU-Politiker und fügte hinzu: "Dies wäre jetzt höchste Amtspflicht."

Wulff hat laut Medienberichten versucht, die Berichterstattung über seinen umstrittenen Privatkredit mit Interventionen beim Axel Springer Verlag zu verhindern. So hat er nach Angaben der "Bild"-Chefredaktion in einem Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann dem verantwortlichen Redakteur mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, sollte ein Beitrag über seinen umstrittenen Kredit veröffentlicht werden. Auch beim Chef des Axel-Springer-Verlages, Mathias Döpfner, hat er demnach interveniert. Wulff selbst nahm dazu bislang öffentlich nicht Stellung.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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