Betreuungsgeld: Grüne befürchten langes Verfahren in Karlsruhe
Archivmeldung vom 15.06.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Grünen haben massive verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Betreuungsgeld - fürchten aber ein langes Verfahren in Karlsruhe. "Eine Prüfung durch das Verfassungsgericht kann Jahre dauern, deshalb ist es wichtig, das Betreuungsgeld politisch zu stoppen", sagte die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Katja Dörner den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe.
Anders als bei der geplanten Verfassungsklage von Hamburgs Regierendem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zielen die Bedenken der Grünen nicht auf die Umgehung der Länder im Gesetzesverfahren, sondern auf den Inhalt des Gesetzes: Sie bezweifeln, dass das Betreuungsgeld dem "grundgesetzlichen Auftrag, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern" entspreche und kritisieren "die Diskriminierung" von Eltern, die Hartz IV beziehen.
SPD wirft Merkel beim Betreuungsgeld "Geschacher auf dem Rücken der Kinder" vor
Die SPD hat das Vorgehen von Kanzlerin Merkel und der Koalitionsspitze im Streit um das Betreuungsgeld scharf verurteilt und an die Kritiker in der Koalition einen eindringlichen Appell zur Ablehnung der Reform gerichtet. "Was die Koalition jetzt macht, ist alles nur ein schlimmes Geschacher auf dem Rücken der Kinder", sagte SPD-Vize Manuela Schwesig den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. "Mit faulen Kompromissen wollen Frau Merkel und Herr Rösler die vielen Kritiker in der Koalition einkaufen", sagte Schwesig mit Blick auf das Treffen Merkels mit der Unionsfraktions-Frauengruppe und von FDP-Chef Rösler mit den FDP-Familienpolitikern am Donnerstag. Keiner der jetzt diskutierten Vorschläge mache aber das Betreuungsgeld besser. Die einzige Lösung sei, auf das Betreuungsgeld zu verzichten und die geplanten 1,2 Milliarden Euro jährlich in den Ausbau und die Qualität der Kindertageseinrichtungen zu stecken. Stattdessen wolle sich Merkel mit dem Betreuungsgeld "aus ihrer Verantwortung herauskaufen".
Frau Schwesig rief die Abgeordneten von Union und FDP auf, das Gesetz bei der Abstimmung Ende Juni im Bundestag zu verhindern: "Ich appelliere eindringlich an die vielen Kritiker in der Koalition, jetzt Rückgrat zu zeigen und das Betreuungsgeld zu stoppen. "Die Abgeordneten dürften sich "nicht dem Druck der Kanzlerin beugen" - viele in der Koalition und in den Ländern hätten Bedenken und wüssten, dass jeder Euro für den Kita-Ausbau gebraucht werde. Das Betreuungsgeld-Gesetz wird am Freitag in erster Lesung im Bundestag beraten.
CSU warnt Kanzlerin vor Zugeständnissen gegenüber Skeptikern des Betreuungsgeldes
Die CSU hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Zugeständnissen gegenüber den Skeptikern des Betreuungsgeldes gewarnt. Das berichtet die "Welt" in ihrer Freitagausgabe (15.06.2012). Unmittelbar vor einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der "Gruppe der Frauen" in der Unionsfraktion mahnt Stefan Müller, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe in der "Welt": "Am Kern des Betreuungsgeldes ist nicht zur rütteln, für Verhandlungen steht es nicht mehr zur Verfügung. Verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für Kinder oder eine bessere Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente lassen sich damit nicht verknüpfen. Hierüber können wir selbstverständlich unabhängig vom Betreuungsgeld diskutieren." Damit spricht sich die CSU explizit gegen Vorschläge der zuständigen Arbeitsgruppe der Fraktion aus, den Gesetzesentwurf noch zu verändern, der am Freitag im Bundestag in erster Lesung beraten wird.
Weiter Widerstand gegen Betreuungsgeld in der FDP
Bei den Liberalen gibt es weiter Widerstand gegen das umstrittene Betreuungsgeld. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung lehnen zahlreiche FDP-Bundestagsabgeordnete den aktuellen Gesetzentwurf ab. Wie die Zeitung unter Berufung auf Fraktionskreise schreibt, werden mutmaßlich bis zu zehn Parlamentarier Ende Juni im Bundestag mit Enthaltung oder Nein stimmen. Unter den Abweichlern sind aktuell Christian Lindner, Miriam Gruß und Sibylle Laurischk. Wie die "Bild"-Zeitung weiter schreibt, versucht der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler, die Abweichler auf Linie zu bringen.
Schröder will "felsenfest" am Rechtsanspruch auf Krippenplatz festhalten
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will trotz der Verzögerungen beim Kita-Ausbau an der Einführung des individuellen Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige im August 2013 festhalten. Das Ziel zu kassieren, sei mit ihr "überhaupt nicht zu machen", sagte Schröder am Mittwoch in Berlin auf einer Konferenz, die die Tageszeitung "Die Welt" zum Thema "Frauen im Top-Management" organisiert hat. Sie werde "felsenfest" an dem Anspruch festhalten, sagte Schröder, auch Übergangsfristen kämen nicht in Frage. Länder und Kommunen seien nun für den Ausbau verantwortlich. Die kommunalen Spitzenverbände hatten bereits mehrmals angekündigt, dass sie die Nachfrage, die im August kommenden Jahres auf sie zukommen wird, wohl nicht befriedigen können.
Das Bundesfamilienministerium rechnet damit, dass Eltern für 39 Prozent der Unter dreijährigen einen Betreuungsplatz einfordern auf der Basis schätzt das Ministerium die derzeitige Lücke auf 160000 Plätze. Die Städte und Kommunen gehen von einer Lücke von weit mehr als 200.000 Plätzen aus, sie erwarten zudem eine viel höhere Nachfrage. Können sie die nicht befriedigen, wird eine Klagewelle auf sie zurollen.
Schröder betonte mit Blick auf die Diskussionen um das Betreuungsgeld, dass Betreuungsgeld und Kita-Ausbau "zusammengehören". Erst wenn es einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz gebe, bestünde "die Wahlfreiheit, die wir haben wollen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur