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Terror-Experte: „Amri steuerte den LKW nicht“

Archivmeldung vom 29.06.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.06.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Breitscheidplatz: Das beschädigte Führerhaus der Sattelzugmaschine
Breitscheidplatz: Das beschädigte Führerhaus der Sattelzugmaschine

Von User:Emilio Esbardo - File:01 Breitscheidplatz Berlin foto Emilio Esbardo.jpg, CC BY-SA 4.0, Link

Während Sonderermittler Bruno Jost am Donnerstag im Bundestag vor dem Untersuchungs-Ausschuss zum Amri-Attentat spricht, behauptet ein internationaler Terror-Experte: „Es gibt keinen Beweis, dass Amri der Täter vom Berliner Breitscheidplatz ist.“ Innenpolitiker von AfD und FDP widersprechen: „Wir dürfen uns nicht in wilden Theorien verlieren.“ Dies schreibt Alexander Boos auf der deutschen Webseite des russischen online Magazins "Sputnik".

Weiter heißt es im Beitrag: "Noch immer sind nicht alle Hintergründe des Amri-Attentats kurz vor Weihnachten 2016 aufgeklärt. Diese Aufgabe soll nun der Untersuchungs-Ausschuss (Amri-U-Ausschuss) im Bundestag erfüllen. Dort sprach am Donnerstagmittag Sonderermittler Bruno Just als Zeuge. Der Jurist war lange Zeit für den Berliner Senat als Sonderermittler zu dem Anschlag tätig und kam so auch in Kontakt mit dem Amri-U-Ausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus.

„Es ist gut, dass Bruno Jost vor dem U-Ausschuss des Deutschen Bundestags angehört wird“, sagte der Berliner Innenpolitiker Karsten Woldeit (AfD) im Sputnik-Interview. Das Mitglied im Berliner Landes-U-Ausschuss zu Amri erklärte: „Jost war von Anfang an in die Causa Amri involviert.“ Der Ermittler kenne die Sach- und Faktenlage sehr gut und sollte nach den Vorstellungen des Politikers jetzt mithelfen, die Sache schonungslos aufzuklären.

Der Kern ist für den Berliner FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe die Frage: „Was ist damals eigentlich passiert? Und was hätte man dagegen unternehmen können? Diese Fragen können wir erst dann beantworten, wenn wir tatsächlich alle Unterlagen und Akten kennen.“ Der rot-rot-grüne Berliner Senat weigere sich, den Berliner alle Amri-Dokumente Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. „Das ist ein Skandal!“, urteilte der Politiker, der ebenso im Berliner U-Ausschuss tätig ist, gegenüber Sputnik.

Der 24-jährige Tunesier Anis Ben Othman Amri steuerte laut Polizei- und Medienangaben am 19. Dezember 2016 einen Sattelschlepper in den gut besuchten Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin. Dabei starben elf Menschen. Kurz darauf erschoss die italienische Polizei den mutmaßlichen und auf der Flucht befindlichen Täter bei Mailand.

AfD: „Politische Akteure zur Verantwortung ziehen“

AfD-Politiker Woldeit vermutet, nun werde Jost wohl zu den „Vorgängen innerhalb der Berliner Polizeibehörde“ befragt.

„Ich habe aber auch kritisiert, dass wir den Fokus zu sehr auf diese Behörden gelegt haben. Wir haben keinen einzigen Politiker mit politischer Verantwortung dazu vernommen. Ich glaube, wenn wir nach knapp 20 Jahren SPD-geführter Regierung in Berlin ein strukturelles Personaldefizit haben, dann haben wir in der Tat ein Problem.“

Der innenpolitische Sprecher seiner Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus setze große Hoffnungen in den U-Ausschuss des Bundestages, weil „er mit größeren Kompetenzen ausgestattet ist. Insbesondere was den internationalen Austausch – gerade mit den italienischen Behörden – angeht.“ Diese transnationale Kompetenz fehle dem Landes-U-Ausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus.

Das betreffe nicht nur die Sicherheitsbehörden des Landes, sondern auch Ämter, die für Asyl-Entscheidungen zuständig sind oder auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). Wenn dort geschultes Personal fehle, sei ein solcher Terror-Akt auch kaum zu verhindern, so Woldeit. Diesen Punkt hätte nun der U-Ausschuss zu betrachten, forderte er. „Wir können nicht die Verantwortung bei dem kleinen Beamten suchen und die große politische Verantwortung außer Acht lassen.“

FDP: „Berliner Politik tut alles, um Aufklärung zu verhindern“

Luthe fasste als innenpolitischer Sprecher der Berliner FDP-Landesfraktion kurz die Vorgeschichte zusammen. „Bruno Jost hatte Gelegenheit, all die Unterlagen zu lesen, die wir bisher noch nicht als Parlament bekommen haben. Welche Schlüsse er darauf ziehen und präsentieren wird, ist mir nicht klar, weil ich nach wie vor nicht alle Unterlagen zum Fall Amri habe. Wir haben bisher etwa ein Zehntel der Unterlagen bekommen, die wir vor einem Jahr angefordert haben.“ Das sei skandalös.

„Wenn wir in der Geschwindigkeit weitermachen, dann können wir in zehn Jahren vielleicht mal seriös anfangen, zu arbeiten und zu suchen. Das wichtigste Versäumnis, das wir bisher aufdecken können, ist der Bummelstreik, den der Innensenator und der Finanzsenator in Berlin seit dem Anschlag fabrizieren. Es wird alles getan, um die Aufklärung des Parlaments zu verhindern.“ Das sei nicht akzeptabel, so Luthe.

„Die Bundesanwaltschaft hat uns erklärt, wir könnten einen Sachverständigen benennen“, sagte Burkhard Dregger (CDU), der seinen Vorsitz im Berliner Amri-U-Ausschuss bald abtreten wird, zuletzt Berliner Medien. Dieser Sachverständige solle Aktenzugang erhalten und „diese Akten, die für den Ausschuss im Abgeordnetenhaus relevant sein könnten, dem Generalbundesanwalt vorlegt. Dieser entscheidet über die Freigabe.“ Das ist laut Medien der aktuellste Sachstand, was die Amri-Akten angeht.

Terrorismus-Experte: „Anschlag inszeniert: Amri saß nicht am Steuer”

Einen richtigen Beweis dafür, dass Amri tatsächlich beim Anschlag hinter dem Steuer saß, gebe es nicht. Das behauptete der international vernetzte Terrorismus-Experte Elias Davidsson im Gespräch mit Sputnik. „Wir haben keine bildnerischen Belege – also Foto oder Video – dass Amri mit seinem Lastwagen da durchgefahren ist. Wir haben nur die Zerstörung einiger Weihnachtsmarkt-Buden und Augenzeugenberichte. Aber diese Zeugenberichte sind größtenteils sehr, sehr dubios.“ Das belege er in einer detaillierten Analyse in seinem Buch „Der Gelbe Bus“. Denn die Frage, ob „er da durchgefahren ist oder nicht, die haben die Behörden nicht geklärt. Wenn Sie die Berichte des Staatsanwalts mal lesen, dann finden Sie keinen Beweis, dass der Laster da reingefahren ist.“

Zudem glaubt der jüdisch-isländische Terrorismus-Forscher, ein „internationales Muster“ beim Anschlag auf den Breitscheid-Platz zu erkennen. „Man geht davon aus, es ist alles schon aufgedeckt worden. Obwohl kein Gerichtsverfahren stattfand.“ Dabei seien noch längst nicht alle Fakten auf dem Tisch.

„Aber wie war das mit Amri? Einer der gemeinsamen Nenner aller dieser Terror-Anschläge seit dem 11. September 2001 ist die Tatsache, dass der mutmaßliche Täter stirbt. Er stirbt also. Meist unter dubiosen Umständen. Das heißt also, dass kein Gerichtsverfahren stattfindet und die Tat nicht in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung geklärt wird. Das befreit den Staat von der Bürde, die Schuld des Verdächtigen beweisen zu müssen.“

Innenpolitiker antworten auf „Verschwörungstheorien“

„Ich nehme solche Analysen wahr, selbstverständlich: Aber wir dürfen hier nicht in Verschwörungstheorien abgleiten“, erwiderte AfD-Innenpolitiker Woldeit im Sputnik-Interview. „Ich nehme die Unterlagen und die Daten wahr, die ich von der Polizeibehörde bekomme. Ich möchte jetzt nicht das Renommee des Wissenschaftlers in Frage stellen, aber ich kenne den Ermittlungsumstand des Anis Amri. Ich kenne die Faktenlage, die Aussagen. Ich weiß, wo er wie wann geführt wurde. In welchen Bereichen. Das sind alles Fakten. Daran orientiere ich mich.“

FDP-Politiker Luthe betonte: „Bisher arbeiten wir in dem gesamten Bereich nur mit Theorien. Denn die relevanten Unterlagen – beispielsweise das Ballistik-Gutachten, das dem Generalbundesanwalt vorliegt – brauchen wir Parlamentarier natürlich, um uns eine Meinung bilden zu können. Letztlich brauchen wir, um all diesen Verschwörungstheorien begegnen können, schlichtweg Beweise. Dazu sind wir als Parlament da.“ Die Wahrheit über den Anschlag werde sonst nie festgestellt. Er wies ebenso daraufhin, dass gegen den toten Amri nicht gerichtlich ermittelt werden könne. Es sei nun auch Aufgabe der Berliner Parlamente, die Tat aufzuklären.

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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