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Euro-Debatte: Harsche Kritik aus FDP an Lambsdorffs Richter-Schelte

Archivmeldung vom 10.07.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.07.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Roben der Richter am Bundesverfassungsgericht
Roben der Richter am Bundesverfassungsgericht

Foto: UrEvilboyheber
Lizenz: CC-BY-SA-3.0-de
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die Vorsitzende der Hamburger FDP, die Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel, hat die Aussage ihres Parteikollegen Alexander Graf Lambsdorff scharf kritisiert, der die Urteilsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Sachen ESM und Fiskalpakt bezweifelt hatte. "Die Einflussnahme der Politik auf das Bundesverfassungsgericht ist weder zielführend für die zu erwartenden Urteile noch für unsere Demokratie als Ganzes", sagte Canel "Handelsblatt-Online".

"Grundsätzlich hat sich die Gewaltenteilung in Deutschland bewährt und sollte von den Parlamentariern nicht unterlaufen werden." Einem guten demokratischen Stil folgend sei es zudem angemessen, die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgericht zu achten und die Würde des Gerichts nicht zu verletzten.

Ähnlich äußerte sich der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. "Lambsdorffs Vorwurf an das Gericht ist abwegig", sagte Beck "Handelsblatt-Online". "Es ist Aufgabe der Bundesregierung alle entscheidungserheblichen europapolitischen Sachverhalte morgen vorzutragen." Im Übrigen gehe er davon aus, "dass sich das Bundesverfassungsgericht seiner Verantwortung für Europa und die Stabilität des Euros sehr wohl bewusst ist".

Staatsrechtler nimmt Bundesverfassungsgericht gegen Kritik in Schutz

Der Staatsrechtler Joachim Wieland von der Verwaltungshochschule Speyer hat sich gegen aus der Politik geäußerte Zweifel an der Urteilsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Euro-Fragen gewandt. "Die Aussage von Graf Lambsdorff, mit der er die Urteilsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts angezweifelt hat, weil die Karlsruher Richter nicht mit allen Vorgängen in Europa vertraut seien, halte ich nicht für zutreffend", sagte Wieland "Handelsblatt-Online". Den Karlsruher Richtern würden in jedem Verfahren von den Beteiligten alle tatsächlichen Umstände vorgetragen, die für die Entscheidung des Gerichts von Bedeutung sein könnten. Das Problem für die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts liege daher "nicht in einer unzureichenden Kenntnis von den Vorgängen in Europa, sondern besteht darin, die richtige Grenze für die Reichweite ihrer Rechtsprechungsgewalt zu finden"

Wie Wieland erläuterte, dürfen die Richter nur über die Vereinbarkeit von Maßnahmen mit deutschem Verfassungsrecht befinden. Dabei müssten sie den Vorrang des Unionsrechts beachten. "Das wirft häufig schwierige Rechtsfragen auf und erfordert eine sorgfältige Prüfung", sagte der Jurist. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Aufgabe in den vergangenen Jahren aber immer gemeistert, auch wenn nicht alle Entscheidungen ohne Kritik geblieben seien.

"Unterschiedliche Auffassungen zu verfassungsrechtlichen Fragen sind nicht außergewöhnlich", unterstrich Wieland. "Aufgabe des Gerichts ist es, insoweit durch seine Rechtsprechung für Klarheit zu sorgen."

Der FDP-Vorsitzende im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, hatte die Urteilsfähigkeit der Verfassungsrichter bezweifelt: Diese seien "nicht mit allen Vorgängen in Europa ausreichend vertraut", meinte er. "Deshalb kommt es gelegentlich zu Fehleinschätzungen aus Unkenntnis."

CDU-Politiker wirft Lambsdorff "Vernebelung der Sinne" vor

Die harsche Kritik des FDP-Politikers Alexander Graf Lambsdorff am Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Verhandlung über die Klagen gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt sorgt für Unmut in der Union. "Es ist in der Tat Sinn einer Verfassungsgerichtsbarkeit, das Handeln der Regierung zu beschränken, nämlich auf den verfassungsmäßig zulässigen Rahmen. Dass ausgerechnet ein Liberaler den Rechtsstaatsgrundsatz, wonach die Macht unter das Recht muss, anzweifelt, zeigt das Ausmaß an Vernebelung der Sinne, den das Billionenkarussell im Euroraum offenbar anrichtet", sagte der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch "Handelsblatt-Online".

Unionsfraktion warnt Verfassungsgericht vor Kippen des ESM

Vor der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge zu Eurorettungsschirm ESM und Fiskalpakt hat der Justiziar der Unionsfraktion, Helmut Brandt, Karlsruhe vor einem Kippen der Regelungen gewarnt. "Die Richter müssen beachten, dass wir durch die Banken- und Schuldenkrise in Europa eine Situation haben, die die Politik zu grenzwertigen Entscheidungen nötigt", sagte Brandt dem "Handelsblatt". "Es wäre politisch und wirtschaftlich fatal, wenn es zu einem solchen Urteil käme", warnte der CDU-Politiker.

Der Unions-Justiziar fordert vom Bundesverfassungsgericht, bei seiner Prüfung die besondere Situation der Politik mit zu bedenken. "Ohne dem Bundesverfassungsgericht vorgreifen zu wollen, bin ich der festen Überzeugung, dass wir alles, was juristisch möglich war, bei dem Gesetzesvorhaben berücksichtigt haben", sagte Brandt Die Fraktion und der Bundestag hätten sehr darauf gedrungen, dass die Parlamentsrechte, insbesondere das Budgetrecht, nicht mehr "traktiert" würden als nötig. "Wir sind uns natürlich bewusst, dass wir mit Fiskalpakt und ESM einen Schritt gehen, der an die Grenzen dessen geht, was noch nach unserem Grundgesetz möglich ist", räumte Brandt ein. "Die Grenze wird aber nicht überschritten", betonte er.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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