Wirtschaftsverbände warnen vor Griff in die Rentenkasse
Archivmeldung vom 04.11.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtMehrere Wirtschaftsverbände haben die Pläne von Union und SPD, trotz gut gefüllter Rentenkasse die Beiträge nicht zu senken, scharf kritisiert. "Falls sich die Parteien in Koalitionsverhandlungen auf Leistungsausweitungen einigen sollten, müssen diese als gesamtgesellschaftliche Leistungen ausschließlich über Steuermittel und keinesfalls über Rentenbeiträge finanziert werden", sagte der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke, "Handelsblatt-Online". "Die Rentenversicherung darf weder Sparkasse noch Schattenhaushalt der Sozialpolitik sein."
Gerade im arbeitsintensiven Handwerk stärke eine Rentenbeitragssenkung die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Beschäftigung. Der Präsident des Familienunternehmer-Verbandes, Lutz Goebel, warnte, eine schwarz-rote Bundesregierung dürfe nicht gleich mit einem Rechtsbruch starten.
"Die Beitragsüberschüsse stehen den Beitragszahlern, allen Arbeitnehmern und Betrieben zu, nicht der Politik als sozialpolitische Verteilungsmasse für Wahlgeschenke", sagte Goebel "Handelsblatt-Online". Diese Überschüsse dürften jetzt nicht für neue Leistungen und höhere Ansprüche in der Zukunft verwendet werden. "Neue Rentenleistungen würden dann die Beiträge in der Zukunft nach oben treiben", sagte Goebel.
Auf einen möglichen negativen Effekt einer ausbleibenden Rentenbeitragssenkung auf den Arbeitsmarkt weist Lencke Wischhusen, Bundesvorsitzende des Verbandes Die Jungen Unternehmer, hin. "Für uns Unternehmer würde die gesetzlich festgelegte Beitragssenkung mehr Spielraum für Investitionen bedeuten, mit denen wir neue Arbeitsplätze schaffen können", sagte Wischhusen "Handelsblatt-Online".
Arbeitgeber werfen Union und SPD Renten-Manipulation vor
Die Pläne von Union und SPD zum Verzicht auf eine Rentenbeitragssenkung 2014 stoßen bei den Arbeitgebern auf scharfe Kritik. In der "Bild-Zeitung" (Dienstagausgabe) warf der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, den künftigen Koalitionären eine Renten-Manipulation und Wählertäuschung vor.
"Eine Große Koalition darf nicht mit einer Manipulation der gesetzlichen Rentenversicherung starten. Wenn schon die gesetzlich vorgeschriebene Senkung der Beiträge nicht erfolgen soll, dann müssen die Rücklagen eine Reserve bleiben, mit der in den nächsten Jahren ein Teil der sonst unvermeidlichen Beitragserhöhungen aufgefangen werden kann", sagte Hundt der Zeitung.
Der Verbandschef warf Union und SPD zugleich vor, die Rentenkasse mit erheblichen Mehrausgaben belasten zu wollen. Die von der CDU geforderte Mütterrente würde "in den nächsten zehn Jahren 100 Milliarden Euro kosten" und hätte "eine drastische Beitragserhöhung zur Folge, wenn sie nicht durch Steuermittel finanziert wird". Außerdem sei es eine "Täuschung der Rentner und Beitragszahler", wenn die Aufstockung der Geringverdiener-Renten nicht aus Steuermitteln, sondern aus den Reserven der Rentenversicherung bezahlt werden soll.
F.A.Z.: Union und SPD wollen Rentenbeitragssatz halten
Union und SPD bereiten einen Zugriff auf die Rentenkasse vor. Um neue Rentenleistungen finanzieren zu können, wollen die designierten Koalitionspartner verhindern, dass der Rentenbeitragssatz zum Jahreswechsel automatisch von 18,9 auf 18,3 Prozent sinkt, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) in ihrer Montagsausgabe.
Weil die Zeit drängt, erwägen Union und SPD, schon während der laufenden Koalitionsverhandlungen ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, um ihr Ziel zu erreichen. Nur dann wäre eine Gesetzesänderung bis Jahresende zu schaffen. Intern geprüft wird derzeit, ob dabei auch die Oppositionsfraktionen von Grünen und Linkspartei in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden sollen, um parlamentarische Fristverkürzungen erreichen zu können.
In den Koalitionsverhandlungen berät die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales unter Leitung der amtierenden Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles an diesem Montagnachmittag zum ersten Mal über Kompromisse in der Rentenpolitik. Die 17 Unterhändler jeweils sieben von CDU und SPD sowie drei von der CSU sind ungeachtet des scharfen Protests von Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden weitgehend einig in der Absicht, die Beiträge auf hohem Niveau zu lassen und somit finanzielle Spielräume in der Rentenversicherung zu erhalten.
Nach dem geltenden Recht muss der Rentenbeitragssatz sinken, wenn die finanzielle Lage der Rentenversicherung so gut ist, dass ihr Finanzpolster das eineinhalbfache einer Monatsausgabe übersteigt. Dies ist in diesem Jahr der Fall. Union und SPD könnten diesen Mechanismus jedoch dadurch ändern, dass sie die Obergrenze der Finanzreserve im Gesetz auf das Zwei- oder das Dreifache einer Monatsausgabe heraufsetzten. Dann verbliebe mehr Geld in der Rentenkasse. Diese Option wird jetzt in der Koalitions-Arbeitsgruppe geprüft. Gleichzeitig soll auch die Untergrenze angehoben werden: Derzeit darf die Reserve auf 20 Prozent einer Monatsausgabe schmel! zen, bev or der Beitragssatz steigen muss. Dies erscheint den Unterhändlern als zu geringe Vorsorge für wirtschaftlich schlechte Zeiten.
DGB-Vorstandsmitglied fordert Rentenbeitragserhöhung
Eine Erhöhung der Rentenbeiträge zur Bildung einer nachhaltigen "Demografiereserve" hat DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach gefordert. In einem Beitrag für die "Frankfurter Rundschau" schreibt die Rentenexpertin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die neue Bundesregierung habe jetzt "die Verpflichtung, eine solidarische Vorsorge zu treffen und die Renten der Zukunft zumindest auf dem heutigen Level zu halten". Um dies zu erreichen, genüge "ein einfacher Kniff, der darin besteht, dass die Erhöhungen des Rentenbeitrags, die in den Jahren ab 2018 aufgrund der Demografie ohnehin nötig sein werden, schlicht vorgezogen werden".
Union und SPD wollen bei ihren Koalitionsgesprächen in dieser Woche unter anderem über die Rente verhandeln. Nach Buntenbachs Angaben wäre die derzeitige Rücklage der Rentenversicherung in Höhe von 30 Milliarden Euro "in vier Jahren weg", wenn die zurzeit diskutierten Mütterrenten und Solidarrenten aus Beiträgen bezahlt würden.
Die Gewerkschafterin fügte hinzu: "Die nötigen Verbesserungen beim Rentenniveau, der Erwerbsminderungsrente und den Altersübergängen sind Sache der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler - der Aufbau einer Demografie-Reserve liefert dafür den nötigen Spielraum. Mütterrenten und Solidarrenten sind dagegen gesellschaftliche Aufgaben und müssen aus Steuermitteln bezahlt werden."
Gröhe: Keine Beitragssenkung, dafür höhere Renten für Geringverdiener
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat die Absicht von Union und SPD bekräftigt, die Rentenbeiträge nicht zu senken, obwohl die Rentenkasse gut gefüllt ist. "Eine weitere Senkung der Rentenbeiträge kann es derzeit nicht geben, wenn wir wirksamen Schutz vor Altersarmut bieten wollen", sagte Gröhe der "Welt" und warb dafür, die Renten von Geringverdienern aufzustocken: "Wer jahrzehntelang in die Rentenkasse einzahlt, muss im Alter mehr bekommen als die Grundsicherung. Das ist wahrlich keine unangemessene Wohltat."
Die ebenfalls vorgesehene Verbesserung bei der Mütterrente eine höhere Rente für Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben könne aus dem dafür gezahlten Bundeszuschuss finanziert werden. Die Forderung der SPD, weitere Ausnahmen von der Rente mit 67 zuzulassen, wies Gröhe zurück: "Ich habe erhebliche Zweifel hinsichtlich der Finanzierbarkeit. Eine Beitragserhöhung darf es dafür jedenfalls nicht geben."
Gröhe betonte: "Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch finanzierbar. Es geht nicht um möglichst viele Wohltaten. Es geht darum, dass der Wohlstand in Deutschland nur bei gesicherter, guter Beschäftigung erhalten bleibt."
Steinbrück attackiert Rentenpläne der Union
Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat die Pläne der CDU/CSU zur Einführung einer sogenannten Mütterrente kritisiert und sich für die Beibahltung der Rente mit 67 ausgesprochen. "Im Wahlkampf habe ich die Verbesserung der Mütterrente - für die Erziehung der vor 1992 geborenen Kindern - zwar als wünschenswert, aber mit 6,5 oder gar 13 Milliarden Euro als sehr teuer beschrieben. Dabei bleibe ich", sagte Steinbrück der "Welt am Sonntag". Er fügte hinzu: "Bis heute hat die Union nicht gesagt, wie sie das zusätzlich zu den anderen Bedarfsfeldern finanzieren will. Für die Rentenpläne der SPD gibt es Finanzierungsvorschläge."
Steinbrück wandte sich gegen Stimmen in der SPD, die die Rente mit 67 zu Fall bringen wollen. "Ich halte nichts davon, für den kurzfristigen Beifall von der Rente mit 67 Abstand zu nehmen, um dann aber in mittlerer Sicht vom demografischen Druck voll erwischt zu werden", sagte der frühere Bundesfinanzminister. Er fügte hinzu: "Die Unter-30-Jährigen müssen jedenfalls aufpassen, dass die Über-50-Jährigen nicht auf Dauer Politik gegen die Zukunftsinteressen der jüngeren Generationen machen."
Richtig aber sei auch: "Menschen, die 45 Versicherungsjahre auf dem Buckel haben, sollen mit 63 Jahren abschlagfrei in die Rente gehen können. Damit bauen wir Brücken für diejenigen, denen die Belastungen ihrer Arbeit im Alter nicht mehr zugemutet werden können, blenden aber die demografische Realität keineswegs aus."
Quelle: dts Nachrichtenagentur