Steinbrück: Mit der SPD statt der FDP in der Regierung ginge es Griechenland und dem Euro-Raum heute besser
Archivmeldung vom 14.03.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGriechenland und der Euro-Gemeinschaft ginge es heute deutlich besser, hätte die SPD statt der FDP derzeit Regierungsverantwortung. Das meint der frühere SPD-Bundesfinanzminister aus den Zeiten der großen Koalition, Peer Steinbrück. Zugleich mahnte der Politiker, der auch als ein denkbarer SPD-Kanzlerkandidat für die Wahl 2013 gilt, dass die SPD dem Fiskalpakt im Bundestag nur dann zustimmen kann, wenn die Not leidenden Euro-Staaten zusätzliche wirtschaftliche Impulse erhalten.
In einem Video-Interview mit der in der Verlagsgesellschaft Madsack erscheinenden "Leipziger Volkszeitung" sagte Steinbrück auf die Frage, ob es Griechenland heute besser ginge, wäre die SPD statt der FDP in der Bundesregierung: "Die Frage lädt zur Eitelkeit ein, aber meine sachliche Antwort ist: Ja, weil ich glaube, dass die Bundeskanzlerin sichere Mehrheiten hätte und mit der SPD einen Partner, der das bisherige Krisenmanagement um die wichtige Komponente ergänzt hätte, wie helfen wir wem aus dem Schlamassel wieder herauszukommen."
Für die Zustimmung zum Fiskalpakt im Bundestag, für dessen Annahme eine Zwei-Drittelmehrheit notwendig ist, habe die SPD kein Ultimatum gestellt. "Wir haben kein Ultimatum und auch kein Junktim aufgestellt. Aber die SPD sagt: Wenn die Bundeskanzlerin uns für die Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag braucht, ist es der SPD durchaus erlaubt zu sagen, das gibt es nur unter bestimmten Bedingungen." Dabei gehe es "nicht um Teppichhändlergeschäfte", meinte Steinbrück. Vielmehr sei der Fiskalpakt "unzureichend". Deshalb müsse nachgelegt werden. "Es ist ein legitimes Anliegen, das die SPD vorbringen wird, dass man andere Aspekte noch mit hinzufügen muss, insbesondere mit Blick auf die Fragestellung, wie denn diesen Ländern mit wirtschaftlichen Impulse geholfen wird, wie die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werden soll, wie diese Länder auch politisch wieder stabilisiert werden, wie die administrative technische Hilfe aussehen muss, um diesen Ländern behilflich zu sein, damit die überhaupt wieder auf die Kapitalmärkte zurückkommen."
In diesem Zusammenhang wehrte sich Steinbrück gegen den Eindruck, die SPD verhalte sich anti-europäisch mit ihren zusätzlichen Forderungen. "Wenn sich bisher eine Partei staatstragend, einige sagen sogar zu staatstragend, aufgestellt hat - trotz Opposition und trotz erheblicher Defizite und Mängel des Krisenmanagements dieser Bundesregierung -, dann war es die SPD bis hin zum jüngsten Griechenlandpaket, das wir mit abgestimmt haben."
SPD-Kanzlerkandidat dürfe "nicht quer im Stall stehen", müsse aber von Merkel unterscheidbar sein und gelegentlich anders ticken
Der nächste Kanzlerkandidat der SPD muss, nach Ansicht des als Kandidaten genannten ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück, ein Sozialdemokrat sein, der nicht quer stehe im eigenen Stall und der im Zusammenspiel mit anderen die eigene Mitgliedschaft ebenso mobilisieren könne wie das breite Wählerpublikum. Im Video-Interview strich Steinbrück zugleich exemplarisch die sich ergänzenden Fähigkeiten von SPD-Chef Sigmar Gabriel und ihm selbst heraus.
"Natürlich ist mir klar, dass ich im Vergleich zu Sigmar Gabriel nicht die Binnenwirkung innerhalb der SPD habe wie er", räumte Steinbrück ein. "Aber umgekehrt ist jedem klar, dass ich vielleicht die größere Außenwirkung habe und ein breiteres Publikum. Und das können wir sehr kollegial, sehr freundschaftlich miteinander debattieren." Eine Partei wie die SPD gewinne Wahlen, wenn sie einerseits ihre eigene Wählerschaft und ihre Mitgliedschaft mobilisieren könne. "Aber das ist keine hinreichende Bedingung, um eine Wahl zu gewinnen. Die hinreichende Bedingung ist: Wie komme ich in das weite, breite Wählerpublikum hinein?", so Steinbrück.
Es dürfe aber nicht passieren, dass man den nächsten SPD-Kanzlerkandidaten schon jetzt für die nächsten eineinhalb Jahre "auf die Schleifmaschine" lege und "alle Speere auf seine Brust werfen". Dann würde der "wirklich rund geputzt, dass es nur so kracht". Das komme nicht in Frage. "Sie können einen Kandidaten nicht anderthalb Jahre im Ring laufen lassen. Das geht nicht." Allerdings räumte Steinbrück ein, dass sich die SPD spätestens ein halbes Jahr vor der Wahl mit dem Kandidaten an der Spitze präsentieren müsse. "Die Leute wollen vielleicht spätestens ein halbes Jahr vor einer Wahl wissen, was ist die personelle Alternative. Was hat die anzubieten an Lösungskompetenz, an Erfahrung? Welche Assoziationen treffen wir mit dieser Person mit Blick auf die Solidität und bezogen auf das, was der an Inhalten zu bieten hat?"
Der SPD-Kanzlerkandidat müsse, nach Ansicht von Steinbrück, aber auch im Vergleich zu Angela Merkel (CDU) eine gewisse Unterscheidbarkeit aufweisen und personifizieren. "Er kann sich von der Partei nicht so weit trennen, dass die eigene Partei diesem Kandidaten so weit hinterher läuft, dass es da keine Verbindung mehr gibt. Mehr denn je wird es für Spitzenkandidaten darauf ankommen, auch eine gewisse Unterscheidbarkeit zu haben gegenüber der eigenen Partei, weil das breite Wählerpublikum den typischen Parteigänger weniger denn je mag", sagte Steinbrück. "Er soll nicht quer im Stall stehen in der jeweiligen Partei. Aber dass er seine eigene Partei gelegentlich auch fordert, gelegentlich auch etwas schneller läuft oder anders tickt, ist in meinen Augen durchaus erlaubt."
Er sei dafür, "dass eine Partei sehr stark Konflikte austrägt über die zentralen Fragen, die heute das breite Publikum beschäftigen", so Steinbrück. "Aber irgendwann muss sie nach der Meinungsbildung und der Beschlusslage auch nach vorne laufen."
Quelle: Leipziger Volkszeitung (ots)