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Krankenversicherung Bertelsmann-Studie ist Griff in die ideologische Mottenkiste

Archivmeldung vom 17.02.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.02.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bertelsmann Building, die Nordamerika-Zentrale in Manhattan, New York City
Bertelsmann Building, die Nordamerika-Zentrale in Manhattan, New York City

Foto: Americasroof at en.wikipedia
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Zu der von der Bertelsmann-Stiftung vorgelegten Studie zur Risikoverteilung im dualen Krankenversicherungssystem erklärt Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt: "Die Auftragsarbeit der Bertelsmann-Stiftung ist ein Griff in die ideologische Mottenkiste und wurde offenbar in Unkenntnis des jüngsten Gutachtens der Wissenschaftlichen Kommission für ein modernes Vergütungssystem der Bundesregierung (KOMV) verfasst."

Reinhardt weiter: "Die KOMV hatte einer Vereinheitlichung der Systeme einstimmig eine Absage erteilt. Stattdessen spricht sie sich für den Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems sowie für Reformen bei Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV) aus. Die Bertelsmann-Stiftung sollte sich an der Diskussion über praxistaugliche Lösungen beteiligen, statt ideologisch motivierte Debatten von vorgestern zu führen.

Die Autoren der Bertelsmann-Studie selbst räumen ein, dass ihrer zentralen These ein nicht "realistisches, umsetzungsnahes Szenario" zugrunde liegt. Konkret geht es um die Aussage, gesetzlich Versicherte würden um 145 Euro pro Jahr entlastet, wenn alle jetzt PKV-Versicherten Mitglieder in der GKV würden. Das sind mehr als zweifelhafte Zahlenspielereien, mit denen erneuet Forderungen nach der Einführung einer Einheitsversicherung auf die politische Agenda gedrückt werden sollen.

Es wird unterstellt, alle knapp neun Millionen Privatversicherten könnten in ihrer Gesamtheit ad hoc in die GKV überführt werden, was allein rechtlich nicht möglich wäre. Gar nicht thematisiert werden die über viele Jahre aufgebauten Alterungsrückstellungen der Privatversicherten, die bei einem solchen Szenario komplett entfallen würden. Man kommt auch nur dann auf die genannte Ersparnis, wenn der Mehrumsatz, den Ärzte durch PKV-Versicherte erzielen und der für die Finanzierung des Praxisbetriebs und des Praxispersonals unentbehrlich ist, ersatzlos entfallen würde.

Leider aber bleiben in der Studie solche wichtigen Aspekte der Patientenversorgung komplett außen vor. In den Niederlanden oder in Großbritannien sehen wir, dass Einheitssysteme zu Rationierung, Wartezeiten und Begrenzungen in den Leistungskatalogen führen. Hinzu kommt, dass die Private Krankenversicherung die rasche Übernahme des medizinischen Fortschritts für alle Patienten ermöglicht. Denn die Existenz der PKV führt mit einem hohen Leistungsversprechen dazu, dass trotz aller Sparbemühungen auch das GKV-System versucht, einen hohen Versorgungsstandard zu erreichen. In der Einheitsversicherung hingegen, sichern sich diejenigen, die es sich leisten können, einen exklusiven Zugang zur Spitzenmedizin als Selbstzahler oder durch teure Zusatzversicherungen. Diese Einschätzung teilt auch die Wissenschaftliche Kommission der Bundesregierung für ein modernes Vergütungssystem. Mit Blick auf ein Einheitssystem warnt sie in ihrem Gutachten vor der Bildung eines Sekundärmarktes, auf dem Patienten mit entsprechender Zahlungsbereitschaft ärztliche Leistungen zu höheren Preisen kaufen können. Damit wäre die Einheitsversicherung, anders als behauptet, keine gerechtere Alternative zum dualen Krankenversicherungssystem, sondern Wegbereiter für eine echte Zwei-Klassenmedizin in Deutschland."

Quelle: Bundesärztekammer (ots)

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