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Gabriel fordert "Atempause" im Streit um Stuttgarter Bahnhof

Archivmeldung vom 01.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Anti-Stuttgart 21-Aufkleber
Anti-Stuttgart 21-Aufkleber

Für eine "Atempause" bei der Auseinandersetzung um "Stuttgart 21" hat der SPD-Chef Sigmar Gabriel plädiert. "Die Landesregierung in Baden-Württemberg muss jetzt etwas dafür tun, dass der Streit um das Projekt nicht noch mehr eskaliert. Die Politik darf jetzt nicht die Polizei mißbrauchen, um vollendete Tatsachen zu schaffen, sondern muss im Gegenteil Druck aus der Auseinandersetzung heraus nehmen", sagte Gabriel den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe.

Die Politik müsse sich jetzt die Zeit  nehmen, mit der Bevölkerung ohne Druck zu diskutieren. Der richtige Weg sei dafür von der SPD in Baden-Württemberg vorgeschlagen worden: eine landesweite Diskussion des Projekts, an deren Ende die Bürger in Baden-Württemberg in einem Referendum selbst und endgültig über Stuttgart 21 entscheiden. "Wenn CDU  und FDP in Stuttgart und Berlin einfach mit dem Kopf durch die Wand wollen, führt das nur zu einer Verschärfung des Konflikts, wo alle doch eigentlich eine Beruhigung brauchen."

Der SPD-Vorsitzende machte nochmals deutlich, dass die Sozialdemokraten in Baden-Württemberg und auch in Berlin nach wie vor das Verkehrsprojekt Stuttgart 21 für richtig halten. Gabriel: "Wir halten das Projekt nach wie vor für die Verkehrsinfrastuktur in Baden-Württemberg und für die Entwicklung von Stuttgart für gut. Aber man kann solche Projekte  nicht mit dem Polizeiknüppel gegen die Bevölkerung durchsetzen," Stattdessen müsse man dafür werben und sich am Ende auch dem Votum der Bevölkerung stellen."

Die SPD befürwortet deshalb ein Referendum über das Projekt, um den "eskalierenden Konflikt" zu befrieden. "Volksabstimmungen sind kein Allheilmittel, aber sie bringen eine stärkere Legitimierung als es politische Entscheidungen von Parteien oder Regierungen heute haben. Damit übernehmen Bürgerinnen und Bürger auch direkte Verantwortung für ihr Land und ich bin sicher, dass sie das auch im Fall von Stuttgart 21 wollen und können."

Gabriel warf zugleich Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, sich "nicht fair" zu verhalten: "Wenn Frau Merkel gegen ein Referendum über Stuttgart 21 ist und stattdessen die Landtagswahl im Frühjahr zu einer Volksabstimmung auch über Stuttgart 21 machen will, finde ich das zwar falsch, weil es bei Landtagswahlen um weit mehr geht als um ein einzelnes Projekt. Aber wenn sie das ernst meint, dann muss sie jetzt einen Baustopp bis zur Landtagswahl verhängen und nicht die Polizei aufmarschieren lassen, um den Bau voran zu treiben. Alles schafft Tatsachen, die am Ende auch nach einer Wahl nicht mehr rückgängig zu machen sind." Der SPD-Vorsitzende forderte die Kanzlerin auf, selbst einen Beitrag zur Deeskalation zu leisten, in dem sie für einen Baustopp bis zur Landtagswahl sorgt.

Merkel kritisiert Gewalt bei Demonstrationen und verteidigt Stuttgart 21

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den gewalttätigen Verlauf der Demonstrationen gegen das Bahnprojekt "Stuttgart 21" kritisiert. "Gewalt hat bei Demonstrationen nichts zu suchen", sagte die Kanzlerin im SWR-Radio und es gelte, alles zu vermeiden, was zu Gewalt führen könne. Zugleich stellte sich Merkel hinter das geplante Bahnprojekt, es sei sinnvoll und wichtig. Da das Vorhaben Teil des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes sei, gehe es auch um die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen. In Frankreich sei die Strecke inzwischen schon ausgebaut. Darum sei es wichtig, dass sich einer auf den anderen verlassen könne. Die Pläne für das Hochgeschwindigkeitsnetz sehen eine Verbindung durch mehrere Länder über die Städte Paris, Straßburg, München und Wien bis nach Bratislava und Budapest vor. In Stuttgart soll deshalb der denkmalgeschützte Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof umgebaut werden. Gegen das milliardenteure Projekt, für das unter anderem mehrere Bäume gefällt werden müssen, gibt es bereits seit geraumer Zeit Proteste. Am Donnerstag war es in Stuttgart zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Polizei gekommen. Dabei sorgte besonders das gewaltsame Vorgehen der Beamten mit Wasserwerfern und Pfefferspray für starke Kritik. Der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Stefan Mappus (CDU), stellte sich am Freitagmittag hinter das Vorgehen der Polizei gegen die "Stuttgart 21"-Gegner. Sie seien extremst verantwortungsvoll vorgegangen. Der Ministerpräsident bestärkte jedoch, dass sich "die Bilder von gestern" nicht wiederholen dürften.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung/ dts Nachrichtenagentur

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