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BW Bank widerspricht Wulffs Darstellungen im Fernsehinterview

Archivmeldung vom 06.01.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.01.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Christian Wilhelm Walter Wulff Bild: wikipedia.org
Christian Wilhelm Walter Wulff Bild: wikipedia.org

Die BW Bank hat den Darstellungen von Bundespräsident Christian Wulff in einem zentralen Punkt widersprochen. Dies berichtet die Tageszeitung "Die Welt". Demnach kam der Vertrag für ein langfristiges Darlehen zur Finanzierung seines Einfamilienhauses nicht bereits im November 2011 zustande, wie es Wulff am Mittwoch im Interview mit ARD und ZDF dargestellt hatte. Denn im November hatten sich die Bank und Wulff lediglich mündlich geeinigt. Dies reicht jedoch nach Auskunft der Bank nicht aus, um den Vertrag wirksam werden zu lassen.

"Ein Kreditvertrag mit Verbrauchern bedarf der Schriftform", antwortete die Bank auf eine entsprechende Anfrage der Tageszeitung "Die Welt". Einen schriftlichen Vertrag schickte die Bank erst am 12. Dezember an Wulff, unterschrieben hat er den Kreditvertrag am 21. Dezember und damit rund eine Woche nach den ersten Medienberichten über seine Hausfinanzierung. Bei der Bank ging der unterschriebene Vertrag am 27. Dezember ein.

Wulff hatte im Fernsehinterview Vorwürfen widersprochen, der neue Kreditvertrag mit der BW Bank, der ein günstigeres Geldmarktdarlehen ablösen soll, sei deutlich später zustande gekommen als von ihm zunächst angegeben. "Denn wenn Sie am 25. November sich geeinigt haben (...), dann ist der Vertrag geschlossen", sagte er im Interview. Es gelte "Handschlagqualität in diesem Bereich, wenn man sich mit einer Bank verständigt".

Die BW Bank bestätigte der "Welt" zwar, dass alle Konditionen des Kredits am 25. November vereinbart worden seien - betonte aber die Notwendigkeit der Schriftform. Dies deckt sich mit Auskünften anderer Banken. Selbst ein vermögender Kunde bekomme in mündlicher Form allenfalls eine vorbehaltliche Kreditzusage, danach müsse die interne Risikoprüfung zustimmen, hieß es bei zwei auf wohlhabende Kunden spezialisierten Instituten. Kredite per Handschlag zu vergeben, "das war vielleicht früher einmal Usus, heute aber nicht mehr", sagte ein Banker.

Mit dem Kreditvertrag vom Dezember will Wulff Mitte Januar ein rollierendes Geldmarktdarlehen der BW Bank ablösen, das er zuvor zur Finanzierung seines Hauses in Burgwedel genutzt hatte. Der Präsident hat dieses Darlehen als "normal und üblich" bezeichnet. Der Auskunft mehrerer Banken zufolge sind solche Darlehen allerdings üblicherweise Unternehmen oder sehr wohlhabenden Privatkunden mit einem Millionenvermögen vorbehalten. Denn der Kunde muss in der Lage sein, das Risiko einer kurzfristigen Zinsänderung selbst zu tragen. Im Gegenzug kann man erheblich Zinsen einsparen. Das kam auch Wulff in den rund 22 Monaten zugute, in denen er das Geldmarktdarlehen nutzte. Nach Berechnungen der "Welt" hat er etwa 26.000 Euro an Zinsen eingespart. Schließlich hätte eine Immobilienfinanzierung mit mehr als zehn Jahren Laufzeit, wie er sie später vereinbart hat, im März 2010 nach Bundesbankstatistiken etwa 4,3 Prozent an Zinsen gekostet - für das Geldmarktdarlehen berechnete die BW Bank während der Laufzeit nur 0,9 bis 2,1 Prozent.

FDP-Vizevorsitzende Homburger fordert Klarheit von Wulff

Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger hat Bundespräsident Christian Wulff aufgefordert, Klarheit über seinen Anruf beim Chefredakteur der "Bild"-Zeitung zu schaffen. "Die "Bild"-Redaktion hat eine neue Frage aufgeworfen. Auch diese muss beantwortet werden", sagte Homburger der Tageszeitung "Die Welt". Wulff lehnte die Veröffentlichung seines Drohanrufs bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann ab. Damit wollte die Zeitung ihre Darstellung belegen, dass der Bundespräsident eine Berichterstattung über seinen 500.000-Euro-Kredit verhindern wollte. Wulff sagte bei seinem Fernsehauftritt, er habe nur eine Verschiebung der Veröffentlichung um einen Tag erreichen wollen. Homburger kritisierte, der Bundespräsident habe in der Affäre "nicht klug agiert". Es verdiene aber Respekt, dass er "Fehler eingeräumt und um Entschuldigung gebeten" habe. Die Debatte der vergangenen Wochen sei nicht gut für das Ansehen des Bundespräsidenten, mahnte Homburger. "Das höchste Staatsamt ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Debatte schadet auch dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland." Daher solle sie "schnell beendet werden". Anders als SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht Homburger nicht die Gefahr einer Staatskrise, sollte Wulff zurücktreten: "Es wäre mit Sicherheit keine gute Situation. Aber wir haben in Deutschland eine stabile Demokratie."

Juristin: Veröffentlichung von Wulffs Mailbox-Nachricht wäre nicht strafbar

Bundespräsident Christian Wulff hätte juristisch keine Möglichkeit, eine Veröffentlichung seiner Nachricht auf der Mailbox von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann zu verhindern. In Deutschland sei die "unbefugte Veröffentlichung" eines "befugt aufgezeichneten Anrufs" nicht strafbar, sagte Rechtsanwältin Simone Kämpfer dem Nachrichtenportal "Welt Online". Auch gebe es für den Bundespräsidenten keine Sonderregelungen, betont die anerkannte Expertin und juristische Fachautorin: "Es gibt im Strafgesetzbuch mit §90 zwar einen Tatbestand, der eine Verunglimpfung des Bundespräsidenten unter Strafe stellt. Dies indes wäre nur dann gegeben, wenn sich jemand erheblich ehrenkränkend über den Bundespräsidenten äußert." Sollte die "Bild"-Zeitung die eigenen Worte des Bundespräsidenten veröffentlichen, wäre die Veröffentlichung auch als Verunglimpfung nicht strafbar.

Grünen-Politikerin Lemke kritisiert Wulffs Stellungnahme

Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, hat die Entscheidung von Bundespräsident Christian Wulff (CDU) kritisiert, seine umstrittene Mailbox-Nachricht an "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann nicht veröffentlichen lassen zu wollen. "Es wird immer absurder. Wenn Christian Wulff nichts zu verbergen hat, dann soll er der Veröffentlichung zustimmen", sagte Lemke der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe). Sonst gehe "diese verfahrene Debatte um angebliche Transparenz, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit" ewig weiter. "Das ist keine Privat-Angelegenheit zwischen Christian Wulff und Kai Diekmann mehr", sagte Lemke. "Ob der Bundespräsident gestern die Wahrheit gesagt hat oder nicht, ist eine Frage öffentlichen Interesses geworden."

Politologe Langguth für Veröffentlichung des Wulff-Anrufs bei "Bild"

Der Politikwissenschaftler Gerd Langguth empfiehlt Bundespräsident Christian Wulff, seine ablehnende Haltung zur Veröffentlichung des Anrufs bei der "Bild"-Zeitung im Zusammenhang mit dem privaten Hauskredit zu überdenken. "Einerseits ist das nachvollziehbar, weil Wulff endlich den Deckel über dieser unseligen Geschichte schließen will. Es wäre aber besser, wenn der Bundespräsident den Text freigeben würde, zumal dieser sowieso bald den Weg in die Öffentlichkeit finden dürfte", sagte Langguth der "Saarbrücker Zeitung". Die Gefahr, dass noch weitere unliebsame Neuigkeiten ans Tageslicht kämen, sei für Wulff nicht gebannt, so Langguth. "Ich meine aber, dass er noch eine Chance verdient hat. Auch wenn er angeschlagen ist, so bleiben ihm noch dreieinhalb Jahre Zeit, um die Scharte auszuwetzen".

Historiker Wehler zweifelt an Wulffs Eignung für Präsidentenamt

Der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler hat die Eignung von Christian Wulff für das Amt des Bundespräsidenten in Frage gestellt. Die Bürger erwarteten vom höchsten Repräsentanten des Staates eine besondere Integrität, sagte Wehler im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Die Serien von Fehlgriffen haben große Zweifel aufkommen lassen." Freundschaftsdienste anzunehmen sei nicht statthaft, "wenn der Verdacht besteht, dass irgendwann Gefälligkeiten erwartet werden". Wehler, Nestor der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichtsschreibung, warf dem Bundespräsidenten im Umgang mit Medien "einen für einen Berufspolitiker beinahe unverzeihlichen Dilettantismus" vor. Entweder sei Wulff politisch blind gewesen oder so empört, dass er nicht mehr mit klarem Kopf urteilen konnte, so Wehler zu "Focus". "Beides weckt für die Zukunft kein Vertrauen." Es werde "sehr schwer" für ihn.

FDP-Abgeordneter Lotter hält Wulff für gescheitert

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter wertet das Fernsehinterview von Bundespräsident Christian Wulff als weiteren Beleg dafür, dass er als Staatsoberhaupt gescheitert ist. "Eltern haften für ihre Kinder und die CDU-Vorsitzende zunehmend für ihren Präsidenten", sagte Lotter der Onlineausgabe des "Handelsblatts". Also habe sie ihm ein TV-Interview als Befreiungsschlag verordnet. "Das Fazit: Mission gescheitert." Für Lotter stellt der Weg, den Wulff mit seinem TV-Auftritt zu seiner Verteidigung gewählt hat "keine vertrauensbildende Maßnahme" dar, "sondern nur einen weiteren Akt in dem quälenden Staatsdrama". Aufgezeichnet und zeitversetzt gesendet, was der Präsident vor gerade einmal zwei ausgewählten Journalisten zu sagen bereit gewesen sei, habe Wulff "aufgesagt, was Berater vorher sorgsam aufgeschrieben haben", kritisierte der FDP-Politiker.

Harsche Kritik an Wulff kommt auch aus der CDU. In dem Gespräch mit ARD und ZDF habe der Bundespräsident "nochmals stark an Glaubwürdigkeit und Souveränität eingebüßt", sagte der frühere Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Werner Marnette (CDU), "Handelsblatt-Online". Statt eines "ehrlichen" Befreiungsschlages habe Wulff die Bürger um Entschuldigung gebeten, ohne wirklich Schuld einzugestehen: nicht beim Hauskredit, nicht bei den Amigo-Geschichten und auch nicht im Umgang mit der Pressefreiheit. "Es war der Auftritt eines Provinzpolitikers, aber nicht der eines Staatsmannes", sagte Marnette weiter. Amt und Person seien daher schwer beschädigt. "Die Vorbildrolle insbesondere gegenüber unserer Jugend ist verloren", sagte der CDU-Politiker. "Bis zum Ende seiner Amtszeit beziehungsweise bis zum Ende dieser Legislatur kann der Bundespräsident deshalb nur noch am Tropf des Kanzleramts überleben."

Umfrage: Mehrheit der Deutschen will Wulff zweite Chance geben

Die Bundesbürger finden das Auftreten von Bundespräsident Christian Wulff im Fernsehinterview vom Mittwoch nicht überzeugend, eine Mehrheit will ihm aber eine zweite Chance geben. In einem "ARD-DeutschlandTrend extra" vom Donnerstag fanden 61 Prozent derjenigen, die das Gespräch gesehen hatten, das Auftreten Wulffs während des Interviews eher nicht überzeugend, 30 Prozent fanden es überzeugend. Allerdings ist nun eine Mehrheit der Deutschen von 60 Prozent der Ansicht, "Christian Wulff hat jetzt eine zweite Chance verdient". 36 Prozent sind nicht dieser Ansicht.

Dies schlägt sich auch in der Frage nach einem möglichen Rücktritt Wulffs wieder. 56 Prozent sprechen sich in der ARD-Blitzumfrage am Donnerstag dafür aus, dass Christian Wulff im Amt bleiben sollte. Dies sind neun Punkte mehr im Vergleich zum Mittwoch dieser Woche. 41 Prozent sind hingegen dafür, dass Wulff vom Amt des Bundespräsidenten zurücktreten sollte. Am Mittwoch hatte sich noch die Hälfte der Deutschen (50 Prozent) für den Rücktritt Wulffs ausgesprochen.

Wulff kann im Vergleich zum Mittwoch auch in punkto Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit leicht zulegen, erzielt aber weiterhin schwache Werte. 37 Prozent der Deutschen halten Wulff aktuell für glaubwürdig (+10 im Vergleich zu Mittwoch). 56 Prozent finden ihn nicht glaubwürdig (-12). Dass Wulff ehrlich ist, glauben aktuell 31 Prozent der Deutschen (+9). 61 Prozent halten ihn für nicht ehrlich (-7). Eine Mehrheit der Deutschen von 57 Prozent gibt an, "das Verhalten des Bundespräsidenten peinlich zu finden". 40 Prozent sind nicht dieser Meinung.

Dass Christian Wulff "sein privates Wohlergehen wichtiger zu sein scheint als sein Amt", finden 40 Prozent der Befragten. 50 Prozent sehen das nicht so. Die Mehrheit der Deutschen (57 Prozent) hat hingegen "den Eindruck, die Medien wollen Wulff fertig machen". 37 Prozent haben nicht diesen Eindruck.

Bei der Frage, ob Bundespräsident Christian Wulff am Ende des Jahres noch im Amt sein wird, sind die Deutschen gespalten. 45 Prozent glauben dies, 49 Prozent glauben dies nicht. Für diese Blitzumfrage im Auftrag der ARD-Tagesthemen hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap am Donnerstag dieser Woche 1.000 Wahlberechtigte bundesweit telefonisch befragt.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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