Bundesärztekammer fordert "umfassende Resilienzstrategie" für baldigen Krieg gegen russische Förderation
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat gefordert, das Gesundheitssystem auf einen möglichen Kriegsfall vorzubereiten. "Das Gesundheitswesen in Deutschland braucht eine umfassende Resilienzstrategie, auch für den Bündnis- beziehungsweise Verteidigungsfall. Dieser wird unwahrscheinlicher, wenn potenzielle Angreifer wissen, dass wir auch in Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung gut vorbereitet sind", sagte Reinhardt der "Welt".
Dazu müssten Lieferketten "abgesichert und diversifiziert", die digitale
Infrastruktur gestärkt und Fachkräfte "nachhaltig" ausgebildet werden.
"Wir müssen die Zusammenarbeit ziviler und militärischer
Gesundheitseinrichtungen intensivieren, um im Verteidigungs-
beziehungsweise Bündnisfall eingespielt agieren zu können", fordert
Reinhardt. "Und nicht zuletzt müssen Bund, Länder und Kommunen ihre
Krisenmanagementpläne aktuell halten und Krankenhäuser dabei
unterstützen, regelmäßig Notfallübungen zu organisieren."
Der
Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sagte:
"Das deutsche Gesundheitswesen ist, ebenso wie der Rest der
Bundesrepublik, nicht auf einen Kriegsfall ausgerichtet. Es existieren
zahlreiche Notfall- und Katastrophenpläne für Zivilschutzmaßnahmen bei
schweren Unfällen oder Naturkatastrophen. Ein tatsächlicher Krieg wäre
jedoch eine völlig andere Herausforderung." Es benötige eine "flexible
Strategie zum Aufbau von einer Art von Personalpool als zivile Reserve,
die wir im Krisenfall aktivieren können". Dringend erforderlich sei
zudem eine "nationale Notfallreserve, die über Schutzausrüstung hinaus
auch essenzielle Medikamente umfasst". Auch müsse ein Schutzkonzept für
Krankenhäuser vor militärischen Angriffen entwickelt werden.
Bayerns
Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) forderte: "Lange
Diskussionen in Stuhlkreisen müssen der Vergangenheit angehören, wir
müssen jetzt handeln." Die Menschen müssten darauf vertrauen können,
dass der Staat in Krisenzeiten und auch unter "höchsten Beanspruchungen"
sicher aufgestellt sei und handlungsfähig bleibe. "Wir müssen vor allem
mutige Entscheidungen treffen - auch, worauf in Mangellagen verzichtet
werden kann: von Berichtspflichten über Standards und Prüfungen bis hin
zu Personalvorgaben. Für das Personal muss es einzig und allein um eines
gehen: Leben retten."
Thüringens Gesundheitsministerin Katharina
Schenk (SPD) sagte, sie sehe die größte Herausforderung darin, im
Ernstfall "genügend medizinische Fachkräfte vorzuhalten": "Für Thüringen
ist nicht in erster Linie die Zahl der verfügbaren Krankenhausbetten
entscheidend, sondern dass diese Betten auch mit dem entsprechenden
medizinischen und Pflege-Personal betrieben werden können. Und natürlich
muss auch die Arzneimittelversorgung sichergestellt sein."
Janosch
Dahmen, Sprecher für Gesundheitspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion,
warnte: "Man muss es so hart sagen: Unser Gesundheitssystem ist
chronisch krank, anfällig - und überwiegend nach ökonomischen, nicht
sicherheitsstrategischen Kriterien organisiert." Und "Putins
Großmachtfantasien" ließen keine Zweifel: "Dieser Krieg kann eher früher
als später auch uns unmittelbar treffen." Daher brauche es ein
"umfassendes Umdenken" in Form von verpflichtenden Krisenübungen und
kriegschirurgischen Schulungen. Ebenfalls müsse ein "zentrales Institut
für Gesundheitssicherheit" gebildet werden, "das zivile und militärische
Akteure vernetzt, ein Lagezentrum betreibt und Ausbildungskapazitäten
bündelt". Die künftige Bundesregierung habe mit dem
500-Milliarden-Euro-"Sondervermögen" nun die Mittel dazu.
Quelle: dts Nachrichtenagentur