Piloten-Streik: Klare Mehrheit der Deutschen hält Gehaltsforderungen für überzogen
Archivmeldung vom 02.04.2014
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Freigeschaltet durch Doris OppertshäuserDie Bundesbürger haben eine klare Meinung zum Piloten-Streik bei der Lufthansa, der derzeit weite Teile des Luftverkehrs in Deutschland lahm legt: 74 Prozent und damit knapp Dreiviertel der Deutschen halten die Forderungen der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit nach mehr Geld und Beibehaltung der betriebsinternen Frührente für ungerechtfertigt und überzogen.
Das ist das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage, die das RTL-Mittagsjournal "Punkt 12" in Auftrag gegeben hat. Danach sagen 21 Prozent der Befragten, das geforderte Gehaltsplus von zehn Prozent sei gerechtfertigt.
Cockpit-Sprecher verteidigt Streik der Lufthansa-Piloten
Der Sprecher der Piloten-Gewerkschaft Cockpit, Jörg Handwerg, hat den Streik der Lufthansa-Piloten verteidigt. "Die Lufthansa mit ihren Langstrecken-Flotten wird von einem Tag Streik gar nicht richtig berührt. Erst ab dem dritten Streik-Tag ist auch die Langstrecke betroffen", sagte Handwerg am Mittwoch in hr-Info. Der Sprecher bezeichnete das bisherige Angebot der Fluglinie als Mogelpackung: "De facto sieht es so aus, dass die Kollegen bis 63 fliegen müssen. Das Geld will die Lufthansa sich in die eigene Tasche stecken beziehungsweise den Aktionären als Dividende ausschütten."
Aus Sicht von Cockpit-Sprecher Handwerg hat das Management der Lufthansa einen massiven Angriff auf die Sozialbedingungen der Mitarbeiter vor. "Wir sind die ersten, die jetzt dran kommen mit der Übergangsversorgung, aber das Thema gibt es auch beim Kabinenpersonal." Der Streik sei daher das einzige Mittel, sich gegen den Arbeitgeber zu wehren, so der Cockpit-Sprecher. Hintergrund für den dreitägigen Ausstand der Piloten ist die sogenannte Übergangsversorgung, die es Piloten bisher ermöglichte, ab dem 55. Lebensjahr in den Ruhestand zu gehen. Diese Möglichkeit wurde von der Fluggesellschaft einseitig gekündigt.
CDU-Wirtschaftsrat fordert Reform des Tarifrechts
Als Konsequenz aus dem Pilotenstreik bei der Lufthansa fordert der Wirtschaftsrat der CDU von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine Reform des Tarifrechts. "Die massive Erpressbarkeit der gesamten Wirtschaft durch Streiks an Schaltstellen der Infrastruktur ist so nicht mehr hinnehmbar", sagte der Generalsekretär des Rats, Wolfgang Steiger, "Handelsblatt-Online". "Wenn kleinste Berufsgruppen ihre Sonderstellungen ausnutzen und bundesweit Transportsysteme stilllegen können, müssen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden." Nahles setze die falschen Schwerpunkte in ihrem Ressort, kritisierte Steiger. "Wo bleibt der Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium zur Tarifeinheit?" Scharfe Kritik äußerte Steiger auch am Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Die DGB-Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst haben über Jahre durch ihre Tarifpolitik Berufsgruppen abspenstig gemacht und so den Erosionsprozess befördert", sagte der CDU-Politiker und fügte hinzu: "Jetzt muss der Gesetzgeber die Fehlentwicklung einfangen."
DGB-Vorstand lehnt gesetzliche Regulierung des Streikrechts ab
Der Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) lehnt eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit über einen Eingriff ins Streikrecht ab. Damit schwinden die Chancen auf die Realisierung des Vorhabens, auf das vor allem die Arbeitgeber pochen. Die Ablehnung des Vorhabens soll auf dem Kongress des DGB im Mai offiziell beschlossen werden. In dem Leitantrag des DGB-Bundesvorstands, der der "Welt" vorliegt, heißt es: "Grundsatz der Tarifpolitik muss die einheitliche Vertretung aller Beschäftigten in Betrieb und Dienststelle sein.
Der DGB und seine Gewerkschaften lehnen aber eine gesetzliche Regulierung des Streikrechts grundsätzlich ab. Zur Stärkung der Tarifautonomie gehört es auch, Arbeitskampfmaßnahmen als grundgesetzlich garantiertes Freiheitsrecht aus Artikel 9 Absatz 3 GG nicht einzuschränken." "Wir sehen die Tarifeinheit als ein richtiges Ziel an. Allerdings wollen wir dies nicht mit Eingriffen ins Streikrecht verbunden sehen", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der "Welt". Auch bei der IG Metall, die mit Verdi zusammen die meisten DGB-Mitglieder repräsentiert, heißt es: "Wir sind für das Vorhaben der Tarifeinheit - aber nur, wenn es weder einen Eingriff des Streikrechts noch eine Verfassungsänderung gibt."
Die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit, die eigentlich auch im Koalitionsvertrag steht, sollte dazu dienen, die Streikmacht der kleinen Gewerkschaften einzuschränken. Noch vor vier Jahren war der DGB gemeinsam mit den Arbeitgebern aufgetreten und hatte eine gesetzliche Regelung gefordert, die einen Eingriff ins Streikrecht beinhaltete. Eine wirksame Regelung der Tarifeinheit ohne Eingriff ins Streikrecht gilt als kaum möglich. "Die Tarifeinheit lässt sich nicht ohne Feinabstimmung des Arbeitskampfrechts regeln", sagte Arbeitsrechtler Gregor Thüsing von der Universität Bonn der "Welt". Ansonsten sei die Tarifeinheit tot. "Das Streikrecht ist ja das eigentliche Problem", sagte er. Auch Daniel Schultheis, Arbeitsrechtler der Kanzlei Simmons & Simmons, ist dieser Meinung: " Man müsste zumindest hinbekommen, dass die Sparten-Gewerkschaften in einem bestimmten Zeitfenster nicht streiken dürfen", so der Experte.
Quelle: dts Nachrichtenagentur