Akupunktur aktiviert Schmerzhemmer
Archivmeldung vom 01.06.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine physiologische Erklärung für die Wirkung von Akupunktur dürfte Forschern der University of Rochester gelungen sein. Sie zeigten bei Mäusen, dass Akupunkt-Einstiche eine körpereigene Substanz aktivieren, die unter anderem im Immunsystem und bei der Schmerzunterdrückung eine Rolle spielt. Im Versuch konnte dieser Effekt durch einen gängigen Wirkstoff der Krebstherapie zusätzlich verstärkt werden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" veröffentlicht.
"Akupunktur ist in der Schmerztherapie immer besser akzeptiert", berichtet der Neurologe Alexander Meng, Vizepräsident der österreichischen Gesellschaft für Akupunktur, im pressetext-Interview. "Neben dem psychischen Faktor Zuwendung und dem Placebo-Effekt treten durch die Nadelung jedoch auch schmerzlindernde Veränderungen in Hirn, Rückenmark oder Peripherie auf, die objektivierbar sind." Bisher bekannt sei vor allem die Ausschüttung körpereigener Opiate, sogenannte Endomorphine. Die aktuellen Ergebnisse beschreiben jedoch einen noch kaum diskutierten Mechanismus.
Adenosin heißt das Molekül, auf das sich die US-Forscher nun
konzentrierten. Bisher weiß man, dass diese natürliche Verbindung den
Blutdruck durch eine Blutgefäß-Weitung sinken lässt und die Herzfrequenz
verringert. Zudem fördert es Schlaf, hemmt Entzündungen und verhindert
Nervensignale, die etwa bei einer Hautverletzung aktiv werden und
Schmerz auslösen. Nun konnte gezeigt werden, dass die Substanz auch in
jenen tieferen Hautschichten aktiv ist, in die Akupunkturnadeln
eindringen.
Nadeln lindern Pfotenschmerz
Getestet wurde dies an Mäusen mit einer schmerzenden Pfote. Die Forscher um Jürgen B. Schnermann und Maiken Nedergaard behandelten die Tiere 30 Minuten lang mit Akupunktur, genau wie beim Menschen mit regelmäßiger Drehung der Nadeln. Unmittelbar danach konnte eine lokale Erhöhung des Adenosin-Niveaus im Gewebe auf das 24-fache festgestellt werden und Verhaltenstests zeigten, dass die Mäuse um zwei Drittel weniger Schmerz litten. Die Linderung trat auch dann ein, wenn Adenosin ohne Nadelstiche aktiviert wurde.
Weitere Erkenntnisse zu Adenosin lieferten Vergleichstests mit
sogenannten Knock-out-Mäusen, denen das Gen für einen Rezeptor namens A1
aus dem Erbgut entfernt hatte. Bei diesen Tieren hatte die Therapie
keine Wirkung - was die Forscher darauf schließen ließ, dass Adenosin
erst durch die Bindung an diesen Rezeptor Schmerzen lindert. Zudem
gelang es, durch Antibiotika den Effekt der Akupunktur auf das Dreifache
zu verlängern. Zum Einsatz kam der Adenosin-Abbauhemmer
"Deoxycoformycin", ein in der Leukämiebehandlung eingesetzter
Antimetabolit.
Brücke zwischen Ost und West
Meng begrüßt die Forschung als Annäherung zwischen östlicher und westlicher Medizin. "Die östliche Medizin arbeitet ständig außen am Körper, hat jedoch noch nie in diesen hineingesehen, wie dies im Westen gängige Praxis ist. Wenn die moderne Medizin diese Blackbox öffnet, ist das eine tolle Sache, von der sie auch selbst bereichert wird. Denn die Suche, warum sich etwas bei Nadelstimulation tut, bringt auch sie auf neue Fragestellungen und Mechanismen."
Dass Mäuse mit dem fehlenden Rezeptor nicht auf Akupunktur reagierten, sieht Meng als Hinweis auf die unterschiedliche Reaktion von Patienten auf Akupunktur. "Nicht bei allen kann die Methode ihre Wirkung entfalten. Mangelzustände oder Defekte können dies etwa verhindern, wobei Adenosin nur einer der möglichen Aspekte sein dürfte."
Quelle: pressetext.austria Johannes Pernsteiner