Neue Einblicke in die Evolution und die Regulation von menschlichen Genen
Archivmeldung vom 30.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit einen neuen methodischen Ansatz können der Bioinformatiker und Systembiologe Prof. Nikolaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und Dr. Kevin Chen vom Center for Comparative Functional Genomics, New York University, New York (USA) jetzt gezielter nach Strukturen im Genom des Menschen fahnden, die mit großer Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Krankheiten von Bedeutung sind.
An Hand kleinster vererbter Variationen im Genom des Menschen versuchen sie, neue Einblicke in die Regulation von Genen und ihre Bedeutung für Gesundheit und Krankheit zu gewinnen. Die Forscher interessiert dabei vor allem die Frage, wie sich die Genregulation im Laufe der Jahrmillionen der Entstehung des Menschen entwickelt hat. Dazu haben sie zwei Methoden der Genomforschung miteinander verknüpft, die Suche nach einzelnen vererbten Unterschieden im Aufbau der DNA, die das korrekte Ablesen (Expression) von Genen beinflussen können, und die Populationsgenetik. Sie sind damit in der Lage, Aussagen über die Genregulation zu treffen und solche Variationen im Genom ausfindig zu machen, die die Ursache für Erkankungen sein können. Ihre Forschungsergebnisse sind jetzt als "Research Highlight" in der Fachzeitschrift Nature Genetics (Vol. 38, Nr. 11, 29. Oktober 2006) erschienen.
Die Genregulation ist ein grundlegender Prozess, der die Entwicklung des Menschen steuert und für seine Gesundheit und die Entstehung von Krankheiten von Bedeutung ist. Gene sind Abschnitte auf der Erbsubstanz DNA. Sie enthalten die Bauanleitung für die Baustoffe und Maschinen des Lebens, die Proteine. Die DNA ist aus rund 3,2 Milliarden Bausteinen aufgebaut. Die Reihenfolge der Bausteine ist aber nicht bei jedem Menschen gleich. So hat ein Mensch an einer Stelle der DNA-Abfolge den Baustein Adenin (A) stehen, ein anderer an derselben Stelle den Baustein Cytosin (C).
Elf Millionen Variationen
Wissenschaftler schätzen, dass es rund elf Millionen solcher Unterschiede im gesamten Genom der Menschen gibt. Sie nennen sie kurz SNPs (single nucleotide polymorphisms) und versuchen, die Variationen oder Polymorphismen dieser individuellen genetischen Ausstattung (Genotyp) aufzuspüren und ihre Bedeutung für Gesundheit und Krankheit zu entschlüsseln. Mehrere große Konsortien haben die Häufigkeiten für mehrere Millionen SNPs in verschiedenen menschlichen Population gemessen. Darauf aufbauend konnten Prof. Rajewsky und Dr. Chen ihren Forschungsansatz entwickeln.
Zur Erforschung der Genregulation haben Prof. Rajewsky, der bis vor kurzem noch an der New York University gearbeitet hat, und Dr. Chen so genannte microRNAs unter die Lupe genommen. MicroRNAs können, und dies hat Prof. Rajewsky's bisherige Forschung gezeigt, tausende von menschlichen Genen regulieren. Nach neuen Studien spielen microRNAs eine entscheidende Rolle in der Entwicklung, bei Krebs und beim Stoffwechsel.
MicroRNAs binden an bestimmte kurze Regionen der DNA, in der Fachsprache cis regulatorische Stellen oder "microRNA targets" genannt. Sie sind sehr breit über das gesamte Genom gestreut. MicroRNAs blockieren an diesen Bindungstellen die Boten-RNA mit ihrer umgeschriebenen Bauanleitung für Proteine und verhindern damit deren Produktion. Sie beinflussen somit, welche Gene und deren Proteinprodukte im Körper abgelesen werden.
Prof. Rajewsky und Dr. Chen verknüpften Informationen über die einzelnen genetischen Variationen in bioinformatisch vorhergesagten microRNA targets aus SNP-Datenbanken mit populationsgenetischen Methoden. Dadurch konnten sie demonstrieren, dass bestimmte vorhergesagte microRNA targets gute Kandidaten dafür sind, die Entstehung von Krankheiten des Menschen besser zu verstehen. Zugleich konnten sie mit ihrer Methode zeigen, dass rund 85 Prozent der vorhergesagten microRNA targets tatsächlich Bindungsstellen sind. Weiterhin konnten die Forscher aufzeigen, dass auch eine große Zahl von microRNA targets, die spezifisch für den Menschen sind, zu Krankheitsmustern beitragen könnten, die spezifisch bei ihm auftreten. Schließlich sind die Forscher der Ansicht, dass ihr neuer Ansatz in Zukunft auch auf andere genregulatorische Mechanismen angewandt werden kann.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.