Europäische Studie legt nah, dass bei Flaschenkindern das Risiko der Aufnahme von Bisphenol A mit der Nahrung am grössten ist
Archivmeldung vom 11.03.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBei ihren Untersuchungen zu den Wegen, auf denen eine Exposition gegenüber einer häufig in Plastikbehältern und Beschichtungen von Dosen verwendeten chemischen Substanz erfolgt, finden Schweizer Forscher die höchsten geschätzten Konzentrationen von Bisphenol A (BPA) bei Säuglingen, wobei die Belastung mit zunehmenden Alter abnimmt.
Auch wenn die geschätzten Konzentrationen deutlich unter der von den europäischen Aufsichtsbehörden festgelegten tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge liegen, sind die Ergebnisse dennoch insofern von Bedeutung, dass man von einem Beeinflussung der Entwicklung des Menschen durch BPA ausgeht und die Substanz zur Klasse das Hormonsystem störenden chemischen Verbindung gehört. Als solche kann sie möglicherweise ein Gefahr für sich entwickelnde Säuglinge und Föten darstellen, bei letzteren im Falle einer BPA-Exposition der Schwangeren.
Die Schweizer Studie untersucht 17 verschiedene potenzielle Expositionsquellen bei neun Alters-/Geschlechtsgruppen in der deutschen/ Schweizer/ österreichischen Bevölkerung, wobei sich gezeigt hat, dass die Gruppe der mit Fläschchen ernährten Säuglinge im Alter von 0-6 Monaten potenziell am stärksten exponiert ist. In dieser Gruppe fanden sich geschätzte mittlere Dosisraten von fast 0,8 Mikrogramm pro kg Körpergewicht pro Tag, wobei diese Werte deutlich unterhalb der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge liegen. Dennoch "ist dies in derselben Grössenordnung wie in jüngster Zeit berichtete Konzentrationen, die bei Nagern gesundheitliche Wirkungen aufgrund niedriger Dosen hervorriefen", so die Autoren.
"Allgemein scheint der sich entwickelnde Mensch (Fötus, Säugling und Kind) stärker als Erwachsene exponiert zu sein", schrieb die Autorin Dr. Natalie von Goetz, leitende Wissenschaftlerin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, zusammen mit ihren Kollegen Matthias Wormuth, Martin Scheringer und Konrad Hungerbuehler.
Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge für BPA ist in der Europäischen Union auf 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag festgelegt und damit mit dem Risikogrenzwert der US-Umweltschutzbehörde EPA identisch. Die EPA und die US-Gesundheitsbehörde FDA gaben im Januar bekannt, dass sie Studien zur Klärung der Forschungsergebnisse zu den Wirkungen einer Belastung mit geringen BPA-Dosen beschleunigen werden.
Die Studie mit dem Titel "Bisphenol A: How the Most Relevant Exposure Sources Contribute to Total Consumer Exposure" (Bisphenol A: wie die wichtigsten Expositionsquellen zur Gesamtexposition des Verbrauchers beitragen) erscheint in der März-Ausgabe des Journals Risk Analysis, das von der Fachgesellschaft Society for Risk Analysis herausgegeben wird.
Die Forscher geben die relativen Anteile der wichtigsten Expositionswege im Einzelnen an und schätzen so die Gesamtexposition des Verbrauchers, wohingegen zuvor durchgeführte Studien sich häufig auf einen einzigen Expositionsweg konzentrierten. Bislang fehlt es an Daten zum relativen Beitrag der verschiedenen Expositionswege an der Gesamtbelastung des Verbrauchers, aber genau diese Informationen sind entscheidend für den Umgang mit Risiken, die in Zusammenhang mit Substanzen bestehen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Studien, die sich damit beschäftigen, wie Flaschen und Behälter aus Polycarbonat mit zunehmender Erwärmung mehr chemische Substanzen freisetzten, und der Ergebnisse anderer Forschungsarbeiten stellt die vorliegende Studie fest, dass Nahrungsmittel bei allen Verbrauchergruppen die Hauptquelle der BPA-Belastung sind. Allerdings entfallen auch Anteile auf die Umgebungsluft, das Trinkwasser aus mit Epoxid abgedichteten Rohren und zahnärztliche Eingriffe sowie auf andere Quellen. Bei Erwachsenen stammen die höchsten Belastungen aus Nahrungsmitteln in Dosen.
Die höchste Unsicherheit der Beurteilung liegt in den Annahmen zum Verzehr von abgepackten Nahrungsmitteln begründet. Folglich konzentrierten sich die Forscher auf die Gewinnung von realistischen Aufnahme-Mittelwerten aus einer Vielzahl unterschiedlicher Studien, um zunächst die einzelnen BPA-Quellen zu unterscheiden.
Die Autoren fordern vermehrte Forschungsanstrengungen, um Ersatzmaterialien für diese Anwendungszwecke zu finden. Es zeigte sich, dass die Ergebnisse zu den Dosisraten für alle Verbraucher weitgehend mit den weltweiten Biomonitoring-Studien mit BPA-Messung bei Menschen übereinstimmten, darunter auch Untersuchungen in den USA.
Quelle: Society for Risk Analysis