"Nationaler Aktionsplan" gegen Übergewicht: Eckpunktepapier von Seehofer und Schmidt skizziert Maßnahmen der Regierung
Archivmeldung vom 04.05.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlBis zum Jahr 2020 will die Bundesregierung mit einem "Nationalen Aktionsplan" maßgebliche Fortschritte bei der Bekämpfung des Übergewichts der Deutschen erzielt haben. Das geht aus einem gemeinsamen Eckpunktepapier "Gesunde Ernährung und Bewegung - Schlüssel für mehr Lebensqualität" von Ernährungs- und Gesundheitsministerium hervor, das stern.de im Entwurf vorliegt.
Demnach will
die Bundesregierung das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der
Deutschen nachhaltig verbessern, die Zunahme von Übergewicht bei
Kindern stoppen und die Verbreitung von Übergewicht verringern. Diese
Ziele könnten nur erreicht werden, heißt es in dem neunseitigen
Dokument, "wenn der Ernährungszustand nachhaltig verbessert und mehr
Bewegung dauerhaft in den Alltag integriert wird." Von konkreten
gesetzlichen Maßnahmen oder Verboten ist in dem Papier nicht die
Rede.
Das Eckpunktepapier ist seit Anfang dieses Jahres von dem von
Horst Seehofer, CSU, geführten Ministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem von Ulla Schmidt, SPD,
geführten Gesundheitsministerium gemeinsam erarbeitet worden. Es soll
als Grundlage dienen für die Erstellung des "Nationalen Aktionsplans
zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und
damit zusammenhängenden Krankheiten." Die Eckpunkte sollen am
kommenden Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden. Am
Donnerstag soll Horst Seehofer sie im Rahmen einer
Regierungserklärung im Bundestag vorstellen. Gesundheitsministerin
Schmidt wird diese Erläuterungen im Bundestag nach bisheriger Planung
"ergänzen",
heißt es aus ihrem Haus.
In dem inter-ministeriellen Eckpunktepapier heißt es laut
"stern.de", die Notwendigkeit für einen Aktionsplan ergebe sich aus
der Tatsache, dass in Deutschland derzeit rund 37 Millionen
Erwachsene und rund 2 Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig
oder adipös seien. 45 Prozent der Erwachsenen seien körperlich zu
wenig aktiv, auch bei Kindern und Jugendlichen nehme die "körperliche
Fitness" ab. "In unserer Gesellschaft findet zu wenig Bewegung im
Alltag statt, und Sportangebote erreichen viele Zielgruppen kaum",
heißt es. Die Kosten durch ernährungsbedingte Krankheiten beliefen
sich auf 30 Prozent aller Gesundheitskosten, somit auf über 70
Milliarden Euro jährlich.
Neben den großen Zielen sind in dem Papier "Teilziele" für den
Aktionsplan vorgegeben. Demnach will die Regierung "Gesund leben als
gesellschaftlichen Wert" verankern, berichtet "stern.de". Die
Vermittlung von Wissen über Ernährung und Bewegung soll schon in
einem frühen Alter einsetzen und lebenslang fortgeführt werden. Die
Infrastruktur in Wohn-, Arbeits- und Freizeitumfeld müsste so
verbessert werden, dass sie mehr Bewegungsanreize schaffe. Dabei
enthalten die Eckpunkte weder konkrete Gesetzesvorschläge noch
Verbote. Es heißt lediglich, dass es Aufgabe der Politik sei,
Rahmenbedingungen für gesellschaftliches Handeln zu setzen. "Dies
kann von gesetzlichen Regelungen über modellhafte Maßnahmen bis hin
zu lokalen Projekten zu Ernährung und Bewegung reichen", heißt es.
Darüber hinaus stünde auch die Zivilgesellschaft in der Pflicht:
Unternehmen, Krankenversicherungen, Sportvereine. "So sollten
Gesundheitsförderung und Prävention stärker als bisher Maßstab des
Handelns bei der wirtschaftlichen Tätigkeit und des
gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen sein", heißt es.
Das Eckpunktepapier definiert fünf "Handlungsfelder" für den
"Nationalen Aktionsplan". Erstens müsse die öffentliche Hand eine
Vorbildfunktion übernehmen, heißt es. Zweitens, müssten Information
und Bildung verbessert werden. Dazu sei auch eine verbesserte
Produktinformation notwendig, die über eine Kennzeichnung von
Lebensmitteln erreicht werden könne. "Dabei muss die Kennzeichnung
von Lebensmitteln dem Informationsbedürfnis in klarer und
verständlicher Form Rechnung tragen und vor Täuschung und Irreführung
schützen", heißt es in den Eckpunkten. "Dies ist die Leitlinie der
Bundesregierung bei den anstehenden Beratungen auf EU-Ebene zur
Reform der Lebensmittel- und Nährwertkennzeichnung." Drittens müsste
die Infrastruktur im beruflichen und privaten Umfeld so verbessert
werden, dass mehr Bewegungsanreize geschaffen würden. Viertens, müsse
die Verpflegung außer Haus verbessert werden. "Bereits 26 Prozent der
Bevölkerung essen einmal täglich auswärts; das sind 8 Prozent mehr
als vor zehn Jahren. So kann in Kindertageseinrichtungen, Schulen und
Arbeitsstätten, in Krankenhäusern, in Senioreneinrichtungen, aber
auch beim gastronomischen Service z.B. in Restaurants, Raststätten,
Zügen und Flugzeugen noch vieles optimiert werden." Fünftens, fordern
die Ministerien, dass die wissenschaftliche Forschung intensiviert
und unterstützt werden müsse.
Ausgehend von diesen Eckpunkten wollen Ernährungsministerium und Gesundheitsministerium den Aktionsplan erarbeiten, der unter dem gleichen Motto stehen soll wie das Eckpunktepapier: "Gesunde Ernährung und Bewegung - Schlüssel für mehr Lebensqualität". Ein konkretes Zieldatum wird in dem Text nicht genannt. Der Plan solle konkrete Schritte und Maßnahmen beschreiben, "damit eine Trendwende herbeigeführt und die Zunahme von Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten in allen Bevölkerungsgruppen gestoppt werden" könne, heißt es in dem Papier. Der Nationale Aktionsplan solle mit anderen Ministerien sowie mit Ländern und Kommunen abgestimmt werden. Deshalb solle eine interministerielle Arbeitsgruppe sowie eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Auch gesellschaftliche Akteure wie Sozialversicherungen, Sportvereinigungen, die Wirtschaft, die Wissenschaft und Verbraucherverbände sollen demnach in den Beratungsprozess mit eingebunden werden.
Quelle: Pressemitteilung stern.de