Schwangerschafts-Frühscreening kann Eltern verunsichern
Archivmeldung vom 01.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVorsorgemaßnahmen in der Schwangerschaft sind in Deutschland besonders umfangreich und werden ständig erweitert. Mit den Vorsorgemaßnahmen und dem Mutterpass werden viele Untersuchungen angeboten und durchgeführt. Dabei sind die sich ständig ausweitenden – routinemäßig angewandten – Verfahren der Pränataldiagnostik ein besonderes Problem.
Die Medizin hat mit der Schwangerschaftsvorsorge aus einem normalen Lebensabschnitt einen grundsätzlich pathologischen, also behandlungsbedürftigen Zustand
gemacht. Seit die Pränataldiagnostik, allem voran der „übliche“
Ultraschall, zur selbstverständlichen Vorsorge gehört, erleben
GfG-Geburtsvorbereiterinnen® in ihren Kursen immer wieder emotionale
und betroffene Diskussionen über deren Auswirkungen. Hauptproblem für
werdende Eltern sind oftmals unbedachte Bemerkungen: „Das Kind ist aber
groß (oder klein)“ u. ä. und falsch positive Ergebnisse, wie sie
besonders häufig beim Triple-Test vorgekommen sind.
Eltern werden durch diese Ergebnisse sehr verunsichert, können selbst
nicht einschätzen, was die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten und
deren entsprechenden Varianzen für sie persönlich bedeutet. Sie erleben
dadurch eine Zeit, in der sie auf Distanz zu ihrem eventuell
fehlgebildeten Kind gehen. Glücklicherweise ist es meistens „falscher
Alarm“. Diese beunruhigende Zeit der Schwangerschaft kann sich Wochen
hinziehen. Doch nicht nur werdende Eltern können so schwerlich „guter
Hoffnung“ sein – auch gesellschaftlich ist die Entwicklung der
Pränataldiagnostik alarmierend: Die Medizin verspricht, für ein
gesundes Kind zu sorgen, alle Abweichungen zu sehen und zu
diagnostizieren. Da aber Konsequenzen nur bei den wenigsten
chromosomalen Abweichungen oder Stoffwechselerkrankungen möglich sind
(denn die Krankheiten können in der Regel nicht behandelt werden), ist
die einzige Konsequenz, die Entscheidung der Eltern: „Wollen wir dieses
Kind oder nicht?“.
In einer Gesellschaft, die behinderte und nicht-normgerechte Menschen
derart ausgliedert, ist das eine besonders bedrückende Entscheidung.
Ein Gewissenskonflikt, der fast alle Eltern überfordert – auch weil
nicht die Zeit und die Ruhe da sind, mit unabhängigen Beratern,
Freunden und Verwandten, als Paar eine befriedigende Lösung zu finden,
denn den Eltern bleiben meist nur wenige Tage zur Entscheidungsfindung.
Die Pränataldiagnostik ist nur selektiv: Es gibt keine Therapie und
keine Heilung. Daher müssen sich werdende Eltern als Konsequenz aus den
Tests für oder gegen das Leben eines Kindes mit Abweichungen
entscheiden.
Nun werden Schwangere noch mehr verunsichert durch das Fehlbildungsscreening in der Frühschwangerschaft (Ersttrimesterscreening), welches den Tripletest weitgehend abgelöst hat, da mit dieser neuen Methode genauere Ergebnisse erwartet werden. Ärztinnen und Ärzte sollen u.a. aufgrund der im Ultraschall gemessenen Nackentransparenz und Wahrscheinlichkeitstabellen beurteilen, ob das zu erwartende Kind eventuell ein Down-Syndrom, eine andere Chromosomenabweichung, einen Herzfehler hat oder nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen und Statistiken mit unterschiedlichen Ergebnissen verwirren dabei auch die Ärzte (vor allem, je umfassender sie sich informieren). Eltern aber wird eingeredet, sie könnten damit sicher sein, dass ihr Kind kein Down-Syndrom hat. Eine eingehende Beratung über mögliche andere Formen von Abweichungen findet in der Regel nicht statt.
Erschreckend ist auch, so die GfG-Ehrenvorsitzende Ines Albrecht-Engel,
dass hier Untersuchungsmethoden angewandt werden, deren
Unbedenklichkeit, z.B. bei intensiven, langen
Ultraschalluntersuchungen, noch lange nicht bewiesen ist.
- Frühscreening gibt Eltern keine Sicherheit.
- Frühscreening belastet Eltern in der Wartephase extrem.
- Frühscreening durch intensive, lange Ultraschalluntersuchungen ist eventuell sogar gesundheitsschädigend.
- Frühscreening trägt dazu bei, dass die Gesellschaft immer weniger akzeptiert, dass Menschen sehr unterschiedlich sein können.
- Frühscreening trägt dazu bei, dass Kinder nicht leben dürfen mit Krankheiten, mit denen heute viele Menschen leben – und dabei sicher nicht nur leiden.
Die Gesellschaft für Geburtsvorbereitung – Familienbildung und
Frauengesundheit – Bundesverband e. V. fordert angesichts dieser
Probleme des Erstrimesterscrennings den Eltern nicht für vermeintliche
Sicherheiten Geld aus der Tasche zu ziehen. Denn die Eltern müssen dies
als frei wählbare (IGeL-) Leistung bezahlen, die Krankenkassen
übernehmen die Kosten nicht.
Die GfG unterstützt werdende Eltern, die Schwangerschaft positiv zu
erleben und sich auf ihr Kind zu freuen. Wir wehren uns dagegen, Eltern
mit zweifelhaften Untersuchungen zu belasten und in einer Sicherheit zu
wiegen, die kein Mensch garantieren kann, da nur ein Bruchteil aller
möglichen Behinderungen und Krankheiten untersucht werden kann. Die GfG
ist parteiisch für die Eltern, die aufgrund nicht ausreichender
Informationen in Entscheidungszwänge hineinstolpern, die sie nicht
voraussehen konnten.
Quelle: GfG