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Über 80 % aller Bandscheiben-OPs medizinisch überflüssig

Archivmeldung vom 29.04.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.04.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch HB

Mindestens 80 % aller 100.000 jährlich in Deutschland durchgeführten Bandscheiben-Operationen sind medizinisch völlig überflüssig – das ist das Ergebnis einer Langzeitanalyse von Dr. Martin Marianowicz, einem der renommiertesten Rückenexperten Deutschlands.

„Die Entscheidung, zu operieren, wird hierzulande völlig verfrüht, unbedacht und meist aus bedenklichen Interessen getroffen. Operative Wirbelsäulen-Eingriffe sind nicht nur riskant, sondern belasten die leeren Gesundheitskassen mit Milliarden. Dabei reicht eine orthopädische Schmerztherapie oder minimal-invasive Behandlung ohne OP meist aus, um dem Schmerz ein Ende zu machen. Unser Gesundheitssystem unterstützt den falschen Weg.“

Rückenschmerzen gehören aufgrund berufsbedingter, einseitiger Belastungen zu den am weitesten verbreiteten Volkskrankheiten. 12 % der Bevölkerung leiden täglich an Rückenschmerzen, 25 % gehen deshalb mindestens jährlich zum Arzt und 100.000 Bürger pro Jahr werden an der Bandscheibe operiert. Insgesamt verschlingen Rückenbehandlungen in Deutschland jedes Jahr 35 Milliarden Euro.

12.000 Fälle analysiert

Im Rahmen seiner Untersuchung hat Dr. Martin Marianowicz, der in München ein Zentrum für Moderne Orthopädie betreibt und bereits Patienten wie Boris Becker, Uschi Glas, Helmut Dietl oder Patrik Kühnen erfolgreich behandelt hat, über Jahre mehr als 12.000 Fälle analysiert: „Dabei handelte es sich um Patienten, bei denen Bandscheibenvorfälle diagnostiziert und anderenorts Operationen empfohlen worden waren. Wir mussten weit unter 20 % tatsächlich operieren.“ Sein erstaunliches Credo: „Der Patient sollte dem inneren Doktor vertrauen – und dem Körper Zeit lassen. In der Regel besiegt er, begleitet von einer guten Therapie, den Schmerz eines Bandscheibenvorfalls innerhalb von 6 bis 12 Wochen selbst – ohne bleibende Beschwerden.“ Das würde nicht nur Milliarden an Primärkosten sparen, sondern auch sekundäre Belastungen der Sozialkassen verhindern: „Narbenbildung im Rückenmarkskanal gehört zu den häufigsten Komplikationen. Bis zu 25 % aller Bandscheiben-Operationen enden in der Berufsunfähigkeit.“ Dass das System riskante OPs mit kostenintensiver stationärer Behandlung, Reha und anschließender Rente bewilligt, aber Schmerztherapien für 500 Euro ablehnt, gehört für den Mediziner zu den absurdesten Verfehlungen deutscher Gesundheitspolitik.

OP-Patienten werden gemacht

Dass den Entscheidungen für Bandscheiben-OPs selten objektive Kriterien zugrunde liegen, verdeutlicht die direkte Korrelation zwischen medizinischem Angebot und Eingriffswahrscheinlichkeit. Marianowicz: „In ländlichen Gegenden, wo es kaum Neurochirurgen und entsprechende Kliniken gibt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Bandscheiben-OP weit geringer als beispielsweise in München mit Europas höchster Dichte an Wirbelsäulenoperateuren.“ Interessant: Drei von zehn Bandscheibenvorfällen spürt man nicht einmal. Bei 28 % aller 40-Jährigen, die nie Rückenschmerzen hatten, entlarven Computertomographie und Magnetresonanztomographie einen Bandscheibenvorfall – unter den 70-Jährigen sind es sogar rund 70 %.

Effektive Alternativen

Dabei halten konservative Schmerzbehandlung und minimal-invasive Therapie kostengünstige und bessere Alternativen zur Operation bereit. So kann bei einfachen Fällen der Schmerz während der Selbstheilung bereits mit Entzündungshemmern, Physiotherapie oder Akupunktur beseitigt werden. In der nächsten Stufe greift die interventionelle Schmerztherapie. Zur Anwendung kommen gezielte, bildgesteuerte Injektionen, Schmerzkatheter oder stationäre Komplextherapien mit Infusionen, Physiotherapie und psychosomatischer Betreuung. Selbst schwere Fälle können im Rahmen von Mikrotherapien und endoskopischen Eingriffen meist ohne OP therapiert werden, z. B. durch die Entfernung von Teilen der Bandscheibe mit Laser. Studien belegen, dass Patienten konservativer Behandlungen im Vergleich zu OP-Patienten nach fünf Jahren in weit besserer Verfassung sind. Bei 80 % aller Nicht-OP-Patienten würde eine Kernspintomographie zwei Jahre nach der Therapie den Bandscheibenvorfall nicht einmal mehr erkennen. Schmerzpatienten, denen ein Arzt eine Bandscheiben-Operation ans Herz gelegt hat, empfiehlt der Rückenexperte deshalb in jedem Fall das Einholen einer zweiten Facharztmeinung: „Ein Bandscheibenvorfall ist immer das, was der Patient fühlt – nicht das, was ein Arzt oder das technische Auge sieht.“

Quelle: Dr. med. Martin Marianowicz

 

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