Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler weiter auf Rekordniveau

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Die Zahl der Verdachtsfälle auf medizinische Behandlungsfehler verharrt auf einem sehr hohen Niveau. Im vergangenen Jahr wandten sich 6.431 Versicherte an die Techniker Krankenkasse, weil sie einen Behandlungsfehler vermuteten, wie aus Daten der Kasse hervorgeht, über die die Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" berichten.
Das ist der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Er liegt nur
geringfügig unter dem bisherigen Spitzenwert des Jahres 2023, als 6.509
Versicherte einen Verdacht meldeten. "Die Bandbreite der geschilderten
Vorfälle ist groß: Sie reicht von verwechselten Medikamenten, über die
Operation des falschen Körperteils bis hin zu Todesfällen aufgrund von
Pflege- und Behandlungsfehlern", sagte Kassen-Chef Jens Baas dem RND.
Die TK ist mit zwölf Millionen Versicherten Deutschlands größte
Krankenkasse.
Mit 34 Prozent der Fälle ist der Statistik zufolge
die Chirurgie die Fachrichtung, bei der die Versicherten die meisten
Fehler vermuteten. Mit Abstand folgt die Zahnmedizin/Kieferorthopädie
mit einem Anteil von 18 Prozent. Auf diese beiden Fachrichtungen
entfallen damit 52 Prozent der gemeldeten Behandlungsfehler. Es folgen
Geburtshilfe/Gynäkologie (neun Prozent), Allgemeinmedizin (sieben
Prozent) und die Orthopädie (sechs Prozent).
Der TK-Chef forderte
eine Meldepflicht für Behandlungsfehler von allen medizinischen
Einrichtungen. Aktuell würden Fehler nur erfasst, wenn Patienten sie
selbst meldeten. "Dadurch bleiben viele Fehler unentdeckt und eine
systematische Auswertung von Fehlerquellen und Verbesserungen ist
unmöglich", kritisiert er. "Fehler werden bisher noch viel zu oft
verschwiegen oder bagatellisiert, statt sie als Chance für
Verbesserungen zu nutzen", so der Kassen-Chef. "Wir brauchen eine offene
Fehlerkultur, um die Qualität der medizinischen Versorgung zu
verbessern", mahnte er.
Baas kritisierte außerdem lange
juristische Verfahren bei Behandlungsfehlern. "Leider nutzen
Haftpflichtversicherungen immer wieder die wirtschaftlichen Nöte infolge
der Behandlungsfehler aus, um für sie günstige Vergleiche mit den
Geschädigten zu schließen", sagte er. So prozessiere die TK in ihrem
ältesten Behandlungsfehlerfall bereits seit 2008 vor den Gerichten und
ein Ende sei derzeit nicht absehbar.
"Die betroffene Familie
kämpft bereits seit 17 Jahren um ihr Recht", so der Kassenchef. Die
Haftpflichtversicherungen setzten hier häufig auf Zeit und hoffen
darauf, dass die Behandlungsfehler-Opfer irgendwann aufgeben, beklagte
er. "Es wird höchste Zeit, dass der Rechtsstaat die Interessen der Opfer
stärker in den Blick nimmt und die Verfahren beschleunigt", forderte
Baas.
Quelle: dts Nachrichtenagentur