Fliegenpilze als Antidepressiva
Archivmeldung vom 22.11.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas rote Kostüm des Weihnachtsmanns hat auch etwas mit dem Aussehen von Fliegenpilzen zu tun. Sibirische Schamanen brauten aus den Pilzhüten ein Getränk, um sich selbst und ihre „Gemeinde“ in tiefen Trance zu versetzen. Britische Forscher haben eine ähnliche Verwendung für die rotweißen Giftpilze gefunden. Auch den Indianern war die Wirkung der „magischen“ Pilze wohlvertraut, schreibt am Mittwoch die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“. Die amerikanischen Ureinwohner teilten ihr Wissen mit den Kolonisatoren aus Europa. Sehr viel später wurde aus den Fliegenpilzen dann Psilocybin gewonnen – ein Rauschgift, das jedoch, so die Zeitung, sanfter wirkt als das grobe LSD.
Die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik" berichtet weiter: "Jedenfalls haben Forscher vom Imperial College in London jetzt an 20 Versuchspersonen gezeigt, dass Psilocybin die Gehirnaktivität von Depressionskranken resetten kann, berichtet die Zeitung unter Verweis auf das Fachblatt „Scientific Reports“.
Demnach haben die Wissenschaftler mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) festgestellt, welche Hirnregionen bei den depressiven Patienten nach der Einnahme des Rauschgifts aktiviert wurden. Verwendet wurde dabei laut dem Blatt hochreines Psilocybin, dessen Synthese den Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität in Jena gelungen war.
Der Wirkstoff wurde den Versuchsteilnehmern mit schweren Depressionserkrankungen in wöchentlichem Abstand verabreicht. Ihre Gehirne wurden vor und nach der Einnahme des Präparats gescannt. Außerdem füllten die Probanden detaillierte Fragebögen zu ihrem Befinden aus, so die Zeitung.
Die MRT-Untersuchung ergab laut dem Blatt ganz klar, dass die Blutversorgung der Amygdala nach der Einnahme des Psilocybins deutlich zurückgeht. Diese Hirnregion gilt als unser Angstzentrum, ist jedoch auch für weitere Emotionen und Reaktionen auf die Umgebung zuständig.
Zu ihrer großen Überraschung entdeckten die Wissenschaftler auch, dass bestimmte neuronale Verbindungen, die bei Depressionskranken sonst sehr aktiv waren, nach der Einnahme des Rauschgifts stabilisiert wurden. Bis zu fünf Wochen hielt dieser Effekt bei manchen Probanden an, so das Blatt.
Trotz dieses vielversprechenden Versuchsergebnisses warnen die Wissenschaftler laut der Zeitung jedoch vor der Einnahme von Psilocybin: Künftig werde dieses Rauschgift starke Antidepressiva ersetzen, doch es stehe überhaupt noch nicht fest, ob dieser Wirkstoff für alle Depressionskranken geeignet ist."