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Ein bislang unentdecktes Bauprinzip im Nanometerbereich schützt Knochen vor Brüchen

Archivmeldung vom 14.11.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung
Bild: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Knochen sind extrem stabil und dennoch verformbar. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung haben jetzt einen weiteren Grund dafür gefunden. Dank ihrer hierarchischen Struktur wirkt eine äußere Kraft nämlich nur zu einem Bruchteil auf ihre kleinsten Baueinheiten

Der ganze Knochen dehnt sich viel mehr als seine einzelnen Fasern, die sich geschmiert von einer dünnen Klebeschicht gegeneinander verschieben. Die Fasern wiederum dehnen sich stärker als die Mineralpartikel, die sie enthalten. Weil die sehr starren Mikropartikel nicht der ganzen Kraft ausgesetzt sind, brechen sie nicht so schnell. Und auch der ganze Knochen bleibt unversehrt. (PNAS, November 2006).

Abb.: Die hierarchische Struktur von Knochen ermöglicht eine hierarchische Deformation aufgrund eines schrittweisen Transfers der Last bis auf die Nanoebene. Die gelben Zylinder zeigen mineralisierte Kollagenfibrillen im Längenschnitt, die roten Tafeln stellen Apatitkristalle dar, die innerhalb der Kollagenmatrix der Fibrillen eingebettet sind. Die grünen Bereiche symbolisieren die extrem verformbare Klebeschicht zwischen den Fibrillen. Die Belastung nimmt von dem abgebildeten Gewebe (links) zur Mineralpartikelebene (rechts) im Verhältnis von 12:5:2 ab.


Knochen müssen ausreichend starr sein, damit sie nicht unter dem eigenen Körpergewicht einknicken. Wie Knetmasse können sie aber auch genug Energie schlucken, um nicht schon wie Keramik bei einem relativ harmlosen Sturz zu splittern. Dass Knochen Eigenschaften von Knetmasse und Keramik vereinigt, verdankt er seinem Aufbau: Er besteht zur Hälfte aus dem dehnbaren, faserigen Protein Kollagen und zur anderen Hälfte aus dem spröden Mineral Apatit. Doch erst die Struktur der organischen und anorganischen Bestandteile im Nano- und Mikrometerbereich macht ihn stabil und bruchsicher: Die einzelnen Komponenten verformen sich hierarchisch, wie die Potsdamer Max-Planck-Wissenschaftler herausgefunden haben.

Die weichen organischen Bestandteile schlucken hohen Druck, so dass die kleinsten Bauteile, winzige Apatitplättchen, davon nur noch weniger als ein Sechstel spüren. Die Mineralplättchen selber sind starr und spröde und würden schon bei relativ kleinen Belastungen brechen. Die weichen Schichten aus Kollagenfasern zwischen ihnen lassen sich dagegen gut verformen. Mineralplättchen und Kollagenfasern bilden zunächst Fibrillen - Fasern, die ihrerseits in einer extrazellulären Matrix lagern. Diese lässt sich wiederum leichter deformieren als die einzelnen Fasern.

Über die hierarchische Deformation hinaus haben die Wissenschaftler einen zweiten Grund gefunden, warum Knochen so stabil sind: Auch die Apatitkristalle in ihnen halten viel größeren Druck aus als die Eigenschaften des Minerals erwarten lassen. Das liegt an der Größe der Plättchen - sie messen nur wenige Nanometer. Da sich solche kleinen Partikel anders verhalten als Kristalle im Mikrometermaßstab, halten sie zwei bis dreimal höhere Kräfte aus, ehe sie brechen. "Aufgrund der geringen Größe der Partikel bilden sich nicht so schnell Risse", sagt Himadri Gupta, einer der beteiligten Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Dieser verstärkende Effekt war bislang nur in den Materialwissenschaften bekannt. Die Max-Planck-Forscher haben jetzt erstmals an einem Biomaterial bewiesen, dass kleine Partikel widerstandsfähiger sind als große.

Die Prinzipien, nach denen Knochen gebaut sind - hierarchische Deformation, Matrixempfindlichkeit und die hohe Stabilität von Nanopartikeln - können Vorbild für neue Materialien sein. Die neuen Erkenntnisse helfen aber auch zu verstehen, welche molekularen Veränderungen Knochen bei einer Osteoporose brüchig machen.

[HER]

Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

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