Elektronische Zigarette auf dem Prüfstand
Archivmeldung vom 03.12.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtElektronische Zigaretten erleben derzeit einen Boom. Bereits zwei Millionen Deutsche sollen Schätzungen zufolge schon zu dem Dampfgerät greifen, das für viele als gesunde Alternative zum Glimmstängel gilt. Zahlreiche Stimmen – vor allem aus der Politik – warnen jedoch vor möglichen Gesundheitsrisiken, Langzeitfolgen seien noch gar nicht absehbar.
Bislang vorliegende Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen Bewertungen. Fundierte Fakten fehlen und so streiten sich Befürworter und Gegner weiterhin vehement. Mit einer neuen, unabhängigen Studie wollen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung WKI in Braunschweig zu einer Versachlichung dieser emotional geführten Diskussionen beitragen. Ziel der Wissenschaftler war es, herauszufinden, ob E-Zigaretten die Raumluft belasten und somit auch Dritte beeinträchtigen können.
Eine E-Zigarette besteht aus einem Akku, einem Verdampfer, einer Heizspirale sowie einem Depot mit den Betriebsflüssigkeiten, auch Liquids genannt. Letztere werden im Verdampfer erhitzt und bei 65 bis 120 Grad Celsius verdampft. Diesen Mechanismus aktiviert der Konsument – je nach Design des Geräts – per Tastendruck oder durch Ansaugen. Es gibt die Liquids mit oder ohne Nikotin, zudem enthalten sie Aromenträger und Aromen wie Amaretto, Mandel, Vanille oder Apfel. Trägersubstanz ist meist Propylenglykol. Dieses Nebelfluid sorgt auch für den sichtbaren Dampf beim Ausatmen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Zigarette, die Tabak verbrennt und permanent qualmt, setzt das elektronische Pendant die Substanzen nur dann frei, wenn es eingeschaltet wird. Doch nicht nur darin unterscheiden sich die beiden Genussmittel, wie die Forscher vom WKI herausfanden. »Die verdampften Substanzen erzeugen in der E-Zigarette ein Aerosol aus ultrafeinen Partikeln, die beim Inhalieren in der Lunge weiter schrumpfen. Die Nanotröpfchen lösen sich mit der Zeit auf. Beim Verbrennungsprozess hingegen werden feste Partikel freigesetzt, die sich in der Raumluft lange halten können«, sagt Dr. Tobias Schripp, Wissenschaftler am WKI und Mitautor der Studie.
Formaldehyd wird nicht freigesetzt
Im Rahmen verschiedener Emissionsprüfkammermessungen analysierten die Experten die Freisetzung von flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs, kurz für Volatile Organic Compounds), von ultrafeinen Partikeln und von Formaldehyd. Dabei untersuchten sie unter anderem die Menge, Konzentration und Verteilung der Partikel. Hierfür führten sie in einer 8-Kubikmeter-Prüfkammer Probandentests durch, wobei konventionelle und E-Zigaretten mit unterschiedlichen Liquids miteinander verglichen wurden. Um zu ermitteln, wie sich die Partikelverteilung über mehrere Minuten entwickelt und welche Mengen an Propylenglykol über einen längeren Zeitraum freigesetzt werden, wurde das Aerosol beziehungsweise der Dampf zudem direkt in eine 10-Liter-Glaskammer gepumpt. Dieser Test erfolgte mit unterschiedlichen E-Zigaretten, die jedoch alle dasselbe Liquid enthielten. »Generell waren die Emissionen an VOCs und ultrafeinen Partikeln beim Konsum von E-Zigaretten geringer als bei der klassischen Zigarette«, sagt Schripp. Auch konnten der Forscher und sein Team bei E-Zigaretten keine Freisetzung von Formaldehyd nachweisen. Beim herkömmlichen Glimmstängel hingegen wurde der Richtwert von 0,1 ppm (parts per million) für die Innenraumluft überschritten. Das Nebelfluid Propylenglykol entwich aus E-Zigarette sowie Tabakzigarette in die Raumluft, da es ebenfalls ein häufig verwendeter Zusatzstoff im Tabak ist. Lungenärzte befürchten, dass das Vernebelungsmittel beim Einatmen in großer Menge die Atemwege reizen kann. »Die elektronische Zigarette ist eine schwächere Quelle für Raumluftverunreinigungen als die Tabakzigarette, allerdings ist auch sie nicht emissionsfrei. Man kann daher davon ausgehen, dass Umstehende dem freigesetzten Dampf ausgesetzt sind und somit »Passivdampfen« möglich ist«, resümiert Schripp die Ergebnisse der Messungen. Zu monieren sei zudem die in vielen Fällen ungenaue und unzureichende Deklaration der Liquids. Gesicherte Informationen, welche Stoffe er inhaliere und ausatme, habe ein E-Raucher im Einzelfall oft nicht.
Mit der Studie wollen die Wissenschaftler orientierende Messwerte für weitere Untersuchungen vorlegen. »Eine toxikologische Einschätzung liefern wir damit jedoch nicht«, betont Schripp. Die Messergebnisse wurden in der Zeitschrift »Indoor Air« veröffentlicht (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1600-0668.2012.00792.x/pdf). Am 6. Dezember 2012 wollen die Forscher die Studie auf der 10. Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle vorstellen.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft (idw)