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Frühchen: Je kleiner, desto lukrativer

Archivmeldung vom 19.12.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.12.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Ronny Senst / PIXELIO
Bild: Ronny Senst / PIXELIO

Die Zahl der Frühgeburten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Aktuell kommen in Deutschland jährlich über 50.000 Kinder zu früh zur Welt, also vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche. Für die unter ständigem Wettbewerbs- und Kostendruck stehenden Kliniken ist dies eine sichere und wichtige Einnahmequelle. Pro Frühchen zahlen Krankenkassen bis zu 130.000 Euro.

Je kleiner und leichter, desto ertragreicher. Dass bei dieser Logik die Gesundheit der Kinder eine nachrangige Rolle spielt, kritisiert die Initiative für moderne Wehenhemmung "Jeder Tag zählt". Denn für die Geburtsverzögerung, die die Lebens- und Überlebenschancen des Kindes verbessert, erhalten die deutschen Kliniken kaum Geld. Jährlich könnten bis zu 30.000 Frühgeburten wirksam verzögert werden, wenn man Schwangere bei vorzeitigen zervixwirksamen Wehen mit den modernsten Mitteln behandeln würde. Trotz der schwerwiegenden Konsequenzen einer Frühgeburt kommen aus Kostengründen auch Mittel zum Einsatz, die für diese Behandlung nicht zugelassen sind oder starke Nebenwirkungen haben und zum Therapieabbruch führen können.

"Bei Frühgeburten setzt das aktuelle Vergütungssystem falsche Anreize", urteilt Silke Mader, Geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von EFCNI (European Foundation for the Care of Newborn Infants). "Je früher das Kind da ist, desto größer der Ertrag für die Kliniken. Dabei besteht die größte Überlebenschance für die Kinder im Mutterleib. Hier muss dringend nachgesteuert werden." Besorgniserregend sei, so Mader, vor allem die steigende Zahl der Frühgeborenen mit extrem niedrigem Geburtsgewicht. Von 2000 bis 2007 stieg diese nach Daten des Statistischen Bundesamtes um 73 Prozent. Um Frühgeburten zu verhindern, müsse außerdem mehr in die Forschung und Aufklärung von Schwangeren investiert werden.

Zustimmung erhält Silke Mader auch aus der geburtsmedizinischen Praxis von Univ.-Prof. Dr. med. Werner H. Rath von der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Aachen: "Es kann nicht sein, dass Schwangere mit vorzeitigen Wehen aus Budgetzwängen nicht optimal versorgt werden. Für die Verzögerung und Verhinderung von Frühgeburten steht beispielsweise seit dem Jahr 2000 mit Atosiban ein Wirkstoff zur Verfügung, mit dem zervixwirksame Wehen effektiv und besonders nebenwirkungsarm gehemmt werden können. Zum Einsatz kommen jedoch zumeist Medikamente, die vom Arzneimittelpreis zwar günstiger sind, aber unter Einbeziehung ihrer Nebenwirkungen und Komplikationen teurer sind und zudem Mutter und Kind nachweislich mehr belasten. Dies sollte sowohl den Geburtshelfern als auch den administrativen Entscheidungsträgern bekannt sein", kritisiert Rath.

Unter dem Motto "Jeder Tag zählt" setzen sich Betroffene, Vertreterinnen und Vertreter der Selbsthilfe, der klinischen Praxis und der Geburtshilfe in einer Initiative für eine verbesserte Hemmung vorzeitiger Wehen in Deutschland ein. Ziel der Initiative ist es, bei vorzeitigen zervixwirksamen Wehen allen Frauen den Zugang zu einer dem neuesten Kenntnisstand entsprechenden Behandlung zu ermöglichen. Erste notwendige Schritte dazu sind die Etablierung einer langfristigen und ganzheitlichen Kostenbetrachtung von Tokolyse-Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen und eine Anpassung der derzeitigen Vergütungsrichtlinien an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse. Darüber hinaus soll durch die Initiative in der Öffentlichkeit das Verständnis für die medizinischen Herausforderungen der Frühgeburt und für innovative Behandlungsmöglichkeiten der Perinatalmedizin gestärkt werden. 

Quelle:  "Jeder Tag zählt"

 

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