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Wenn der molekulare Türsteher einen Riegel vorschiebt - Zellulärer Mechanismus schützt vor Tumorerkrankungen

Archivmeldung vom 20.05.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn zelluläre Schutzmechanismen versagen, können bestimmte Gene Tumorwachstum und damit Krebs auslösen. Bcl-3 gehört zu diesen Onkogenen und kann unter anderem Leukämie beim Menschen verursachen.

Professor Alexander Pfeifer und seine Mitarbeiterin Katharina Hennecke, Department für Pharmazie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, konnten jetzt in enger Zusammenarbeit mit Teamleiter Professor Dr. Reinhard Fässler und dessen Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried einen neuen Mechanismus aufklären, der dieses wichtige Onkogen aktiviert und reguliert. Wie in der aktuellen Ausgabe von "Cell" berichtet, hält ein Protein namens Cyld das Onkogen Bcl-3 in Schach - und schützt auf diesem Weg Mäuse vor Tumorwachstum. Die Wissenschaftler konnten den zellulären Signalweg aufklären, der bei einem Defekt des Cyld-Gens unkontrolliertes Wachstum auslöst. Es gibt erste Hinweise, dass auch bei Nieren-, Leber-, Gebärmutter- und Dickdarmtumoren ein defektes Cyld-Gen vorliegen kann. Möglicherweise ist Cyld einer der wichtigsten Gegenspieler von Bcl-3 - nicht nur bei Mäusen, sondern auch beim Menschen.

Das Wachstum, die Teilung und Differenzierung von Zellen gehören zu den am besten regulierten Vorgängen im Körper. Denn schon eine einzige Zelle, die sich dieser Kontrolle entzieht, kann zu einer Tumorerkrankung führen. Onkogene sind dabei so etwas wie tickende Zeitbomben, weil sie das Potential haben, Krebs auszulösen. In der gesunden Zelle wird ihre Aktivität durch Tumorsuppressorgene kontrolliert. Die zellulären Gegenspieler des Onkogens Bcl-3 allerdings waren bislang noch nicht bekannt. Als so genannter Transkriptionsfaktor muss das Protein in den Zellkern gelangen, um wirken zu können. Transkriptionsfaktoren initiieren und unterstützen die Abschrift von Genen, also Protein kodierenden DNA-Abschnitten. Dieser Vorgang ist nötig, um die genetische Information bei der Proteinsynthese umsetzen zu können.

Bcl-3 kooperiert bei der Genabschrift mit anderen, außerordentlich wichtigen Transkriptionsfaktoren, die zur NF-kB-Familie gehören. Deren fünf Mitglieder beeinflussen ein breites Spektrum von Krankheitsprozessen, wie etwa Entzündungen und Immunreaktionen, aber eben auch Zellwachstum. Zwei Vertreter dieser Gruppe, p50 und p52, müssen selbst erst aktiviert werden, um die Abschrift spezifischer krankheitsrelevanter Gene initiieren zu können. Ein wichtiger Mechanismus hierfür ist die Bindung an Bcl-3. Es ist bekannt, dass die Kooperation von Bcl-3 mit p50 oder p52 zu starkem Zellwachstum und auch zur Entstehung von Krebs führen kann. Vor einer möglichen Kooperation muss Bcl-3 noch in den Zellkern gelangen, wo die DNA und auch die NF-kB-Proteine zu finden sind. Das Münchner Team konnte jetzt zeigen, dass der Transkriptionsfaktor dafür auf die Hilfe eines molekularen Tickets angewiesen ist.

Ubiquitin ist ein Komplex, der Proteinen angehängt wird. Eine bestimmte Art der Bindung markiert die Proteine als Abfall, der entsorgt werden muss. Auf andere Weise angehängt, dienen die Ubiquitin-Gruppen aber als Transportsignal. So vermitteln sie beispielsweise den Import von Proteinen in den Zellkern. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass dies auch bei Bcl-3 der Fall ist. Allerdings nur, wenn Cyld nicht vorher in die Quere kommt. Dieses Protein wurde zuerst bei Patienten gefunden, die an Zylindromatose leiden. Bei dieser Erkrankung wachsen Tumoren im Gesicht, im Nacken und an der Kopfhaut. Cyld ist eine Deubiquitinase, also ein Enzym, das Ubiquitin-Gruppen von anderen Proteinen entfernt. Die Forscher konnten nachweisen, dass sich bei Bedarf die Cyld-Proteine an die Außenseite des Kerns anlagern. Dort können sie Bcl-3 abfangen und dessen Kernimport durch Entfernung des Ubiquitin-Schwanzes verhindern. Dies ist der erste Nachweis eines spezifischen Mechanismus, der das Onkogen Bcl-3 reguliert und kontrolliert. "Wir wissen jetzt also ganz grundsätzlich, wie Bcl-3 in den Zellkern gelangt", so Pfeifer. "Jetzt aber muss geklärt werden, wer das Protein ubiquitiniert, und wer an der Kernmembran überprüft, ob das Ubiquitin-Anhängsel noch vorhanden ist."

Insgesamt gelang dem Münchner Forscherteam eine lückenlose Rekonstruktion der Cyld-Interaktion mit Bcl-3. Angefangen mit der Rekrutierung von Cyld zur Kernmembran bis zur Ubiquitinierung von Bcl-3 und die Umkehrung dieses Vorgangs durch Cyld, ist jeder Schritt nachgewiesen. Eindrucksvoll und ebenfalls im Detail wird gezeigt, dass sich Bcl-3 ohne Cyld im Zellkern ansammeln und dort mit p50 und p52 Zellproliferation auslösen kann. Insgesamt scheint eine generelle Funktion von Cyld als Tumorsuppressor zumindest bei Maus und Mensch nicht unwahrscheinlich. Denn auch beim Menschen gibt es Hinweise, dass ein Defekt des Cyld-Gens bösartigere Konsequenzen als die Entstehung der meist gutartigen Zylindrome haben kann. So fanden die Forscher auch in den Zellen anderer Hauttumoren wenig oder kein Cyld. Es ist zudem bereits bekannt, dass die Situation bei manchen Fällen von Leber-, Nieren- und Gebärmutterkrebs ähnlich ist. Cyld wird in allen Zellen des Körpers gebildet. Möglicherweise wirkt diese Deubiquitinase in allen Tumoren, in denen das Onkogen Bcl-3 eine Rolle spielt, als Tumorsuppressor. (suwe)

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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