Zahl der Notoperationen in Omikron-Welle stark zurückgegangen
Archivmeldung vom 08.09.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićIn der Omikron-Welle sind die Fallzahlen in den deutschen Krankenhäusern wieder ähnlich stark zurückgegangen wie in den vorangegangenen Infektionswellen. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Demnach war bei den "somatischen Krankenhausfällen" im Zeitraum von Januar bis Mai 2022 insgesamt ein Rückgang von 18 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2019 festzustellen.
Der stärkste Fallzahl-Rückgang war im Januar 2022 mit minus 23 Prozent zu verzeichnen, zuletzt habe sich die Lage mit minus 9 Prozent im Juni wieder entspannt, so die AOK. Die Fallzahl-Rückgänge in der jüngsten Pandemiewelle hätten zwar ein vergleichbares Ausmaß wie die in den Wellen davor, aber andere Gründe, sagte Jürgen Klauber vom Wissenschaftlichen Institut der AOK. "Sie dürften in erster Linie auf Personalausfälle infolge der zahlreichen Omikron-Infektionen zurückzuführen sein, während zu Beginn der Pandemie gezielte Absagen geplanter Operationen erfolgten, um die stationäre Versorgung aufrechtzuerhalten."
Der Blick auf die einzelnen Leistungsbereiche zeigt von Januar bis Mai 2022 erneut vergleichbare Fallzahlrückgänge bei Notfällen, Krebsoperationen, planbaren OPs und sogenannten ambulant-sensitiven Behandlungen wie in den letzten drei Pandemiewellen. So gab es in der Omikron-Welle im Vergleich zum Zeitraum Januar bis Mai 2019 14 Prozent weniger Herzinfarkt-Behandlungen und 13
Prozent weniger Schlaganfall-Behandlungen. Die Rückgänge waren bei den leichteren Infarkten und Schlaganfällen stärker ausgeprägt als bei den schweren Fällen.
Dieser Befund deute darauf hin, dass Patienten mit milderen Symptomen oftmals nicht den Notarzt gerufen hätten und in vielen Fällen nicht oder nur mit Verzögerung im Krankenhaus angekommen sseien, so Klauber.
Bei den Krebs-Operationen zeigt sich ein differenziertes Bild: Während sich die Lage bei den Brustkrebs-OPs mit minus 7 Prozent eher normalisiert hat, ist bei den Darmkrebs-Operationen mit minus 20 Prozent der bislang höchste Rückgang aller bisherigen Pandemiewellen zu verzeichnen. "Die Vermutung liegt nahe, dass ausgebliebene Diagnostik und Früherkennung dazu führen, dass Darmkrebs-Erkrankungen nicht rechtzeitig erkannt und frühzeitig behandelt werden", so Klauber. Belegen lasse sich diese These aber bisher nicht.
"Der anhaltende starke Rückgang ist in seinem Ausmaß aber auf jeden Fall alarmierend." Bei planbaren Eingriffen, die zu Beginn der Pandemie 2020 noch stark zurückgefahren worden waren, um die Kliniken zu entlasten, gab es zuletzt nur noch moderate Rückgänge. So war bei der Implantation von Hüftprothesen nur noch ein Minus von 8 Prozent zu verzeichnen. Weiterhin sehr hoch sind die Rückgänge dagegen bei den Mandelentfernungen (minus 43 Prozent).
Die starken Einbrüche bei den sogenannten ambulant-sensitiven Diagnosen, die nach Einschätzung von Experten sehr häufig ebenso gut im ambulanten Bereich behandelt werden könnten, setzten sich in der jüngsten Pandemiewelle fort: Minus 39 Prozent bei der Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), minus 37 Prozent bei Rückenschmerzen, minus 34 Prozent bei Bluthochdruck-Behandlungen und minus 22 Prozent bei den Behandlungen von Diabetes. "Hier kann man wohl nicht mehr von einem vorübergehenden Pandemieeffekt sprechen", sagte Klauber. Diese Patienten, die in der Vergangenheit häufiger im Krankenhaus behandelt wurden, kämen mit diesen Erkrankungen "nicht mehr so schnell dorthin zurück", sagte Klauber. Diese Entwicklung müsse in die Überlegungen zur Reform der Krankenhauslandschaft in Deutschland einbezogen werden.
"Die Regierungskommission ist gefordert, den Abbau von Über- und Fehlversorgung, der sich zumindest in Teilen hinter diesen Zahlen verbergen dürfte, in ihre Überlegungen einzubeziehen."
Die Analyse der AOK macht aber auch einige Besonderheiten der Omikron-Welle gegenüber den Infektionswellen der Jahre 2020 und 2021 sichtbar: Mit der Omikron-Welle sei der Anteil der Patienten, die wegen Covid-19 stationär behandelt werden mussten, gesunken. "Gleichzeitig stieg der Anteil derer, bei denen Covid-19 nicht der primäre Behandlungsanlass für den Krankenhausaufenthalt war", sagte Klauber. Keine positive Entwicklung gab es allerdings bei der Sterblichkeit der besonders schwer erkrankten Patienten mit Beatmung: Sie lag auch in der Omikron-Welle weiterhin bei über 50 Prozent.
Bemerkenswert sei der deutliche Anstieg des Anteils der wegen Covid-19 stationär behandelten Kinder und Jugendlichen an allen Patienten: Er lag in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 zwischen 10 und 11 Prozent. Zum Vergleich: In der vierten Welle von Oktober bis Dezember 2021 lag dieser Wert noch bei 2 bis 3 Prozent. "In der Omikron-Welle ist die Zahl der Neuinfektionen bei Kindern stark angestiegen.
Die Folgen der zahlreichen Infektionen in Schulen und Kindergärten und der hohen Inzidenzen in den jüngeren Altersgruppen spiegeln sich auch bei den Krankenhausbehandlungen wider", kommentierte Klauber diese Ergebnisse. Basis der Analyse waren Abrechnungsdaten der AOK-Versicherten, die etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung abbilden. Für die Covid-19-Analysen wurden die Daten von rund 190.000 Patienten mit bestätigter Covid-19-Diagnose und für diese Erkrankung relevanter Hauptdiagnose ausgewertet, die vom 1. Februar 2020 bis zum 31. März 2022 in die deutschen Krankenhäuser aufgen ommen worden waren.
Quelle: dts Nachrichtenagentur