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Frühkindliche Bindungsstörungen

Archivmeldung vom 11.11.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.11.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: knipser5 / pixelio.de
Bild: knipser5 / pixelio.de

Neun Monate freuen sich Mutter und Vater auf ihr Baby. Dann ist es da. So süß, so klein, so zerbrechlich. Aber auch herausfordernd. Die meisten Eltern klagen über Schlafmangel. Es ist ein Kraftakt zwischen Windeln und Babyfläschchen. So ist es nachvollziehbar, dass der Wunsch entsteht, wieder durchzuschlafen und das Kind einfach schreien zu lassen. Keine gute Idee, wie Fachleute wissen: Neugeborene und Säuglinge sind physisch und psychologisch auf elterliche Fürsorge angewiesen.

Wie agiert ein Säugling?

Schreie ich, kommen Mama oder Papa. Sie helfen mir, denn ich habe Hunger, Bauchschmerzen oder Durst. Im Umkehrschluss bedeutet dies, auch wenn ich mein Notsignal sende, bin ich alleine. Keiner kümmert sich. Wenn sich Eltern in diesen Momenten keine Zeit für ihr Kind nehmen, handelt es sich um Vernachlässigung. Schon dieser Mangel an Zuwendung, Liebe und Geborgenheit ist für die weitere Entwicklung des Kindes äußerst belastend, denn die Bindung zwischen Eltern und Kind ist für ein Baby wie die Luft zum Atmen. Sie sichert das Überleben und die Entwicklung des Säuglings. Ist die Zuwendung nicht ausreichend, entstehen frühkindliche Bindungsstörungen.

Bindung ist für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung

Rückhalt und emotionale Nähe sind die Basis für eine gute Eltern-Kind-Beziehung. Fehlt diese entstehen Bindungsstörungen. Doch was bedeutet Bindungsstörung für konkret? Im Kindergarten fallen sie durch ihr ängstliches, unsicheres und übervorsichtiges Verhalten auf. Die Jungen und Mädchen verfügen nicht über die Fähigkeit, soziale Kontakte aufzubauen. Das oft apathische Verhalten kann auch durch Zuwendung nicht verändert werden. Andererseits suchen diese Kinder wahllos Aufmerksamkeit. Es kommt in vielen Fällen zu Angststörungen oder Depressionen. Kinder mit frühkindlichen Bindungsstörungen sind für Eltern oftmals schwer zu ertragen. Eine Spirale aus Versagensängsten, Wut, Verzweiflung und Aufgeben beginnt sich zu drehen.

Die Folgen von Bindungsstörungen

Das schwer zu diagnostizierendem Krankheitsbild führt oftmals zu einer Inobhutnahme durch das Jugendamt. Doch auch Pflegeeltern oder andere Einrichtungen sind in der Regel mit den besonderen Bedürfnissen dieser Kinder überfordert. Wenn das Kind Glück hat, kommt es in eine der Mattisburgen der Stiftung Ein Platz für Kinder. Hier kennen sich die Therapeuten mit den Symptomen frühkindlicher Bindungsstörungen aus. Ziel der diagnostischen Einrichtungen ist es, das Verhalten der Kinder zu lesen und zu analysieren. "Bei Bindungsstörungen ist das ein reiner Beobachtungsprozess", weiß Stifterin Johanna Ruoff. "Kein Kind kann von durchgeweinten Nächten im Säuglingsalter berichten, von mangelnder Zuwendung oder emotionaler Vernachlässigung. In unseren Mattisburgen erkennen wir dieses Störungsbild. Und dann kann dem Kind gezielt geholfen werden," so die engagierte Kinderschützerin weiter.

Bindungsstörungen heilen

Rund ein Prozent aller Mädchen und Jungen in Deutschland sind von frühkindlichen Bindungsstörungen betroffen. Je nach Ausmaß der Störung ist eine ambulante, teilstationäre oder auch vollstationäre Behandlung notwendig. Am Anfang steht jedoch die richtige Diagnose. "Leider werden die vielen Symptome dieses Störungsbildes nicht oder falsch interpretiert", weiß Johanna Ruoff aus dem Alltag der Mattisburgen zu berichten. "Dies hat zur Folge, dass die Kinder viele Stationen - von der Pflegefamilie, über pädagogische Wohngruppen, bis hin zur Psychiatrie - durchlaufen. Am Anfang steht die richtige Diagnose. Dann kann in Abhängigkeit von Art und Stärke der Bindungsstörung ambulant, teilstationär oder auch vollstationär therapiert werden, denn Therapie ist einzige Weg, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Es geht darum, korrigierende Erfahrungen zu machen. Das Kind muss nachholen, was es im Säuglings- bzw. Kleinkindalter nicht lernen durfte. Dazu gehören das Wahrnehmen und Anerkennen der eigenen Gefühle, das angstfreie Zulassen von Nähe und der Aufbau von Vertrauen in die eigenen Stärken und die des Partners. Ein Prozess, der sich über Jahre hinzieht und alle Beteiligten, betroffene Kinder, Eltern, Pflegeeltern oder Adoptifamilien aufs Äußerste fordern.

Quelle: Stiftung "Ein Platz für Kinder" (ots)


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