Prionkrankheiten wie Creutzfeldt-Jakob auf der Spur
Archivmeldung vom 23.04.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPrionkrankheiten wie die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit treten beim Menschen meist spontan auf und sind gekennzeichnet durch Ablagerungen einer fehlerhaft gefalteten Form (PrPSc) des zellulären Prionproteins (PrPC). Was die fehlerhafte Proteinfaltung auslösen kann, war bisher weitgehend unbekannt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie und der LMU München konnten nun zeigen, dass eine Oxidation im Inneren von PrPC den Startschuss für die fatale Umstrukturierung geben kann.
Da auch andere neurodegenerative Erkrankungen auf
der Fehlfaltung von Proteinen beruhen, könnten diese Ergebnisse helfen,
auch die Entstehungsmechanismen dieser Krankheiten besser zu verstehen.
Das zelluläre Prionprotein (PrPC) ist im Zentralnervensystem weit
verbreitet. Als Strukturelemente enthält es vor allem spiralförmige
alpha-Helices. Die fehlerhafte Faltung dieser alpha-Helices in
ziehharmonika-ähnlich gefaltete Proteinbänder - sogenannte
beta-Faltblattstrukturen - verändert die Eigenschaften des Proteins: Es
wird schlechter wasserlöslich und neigt dazu, mit weiteren
Proteinmolekülen zu aggregieren. Es kommt zur Bildung unlöslicher
Protein-Klumpen, die sich in den Zellen ablagern und diese schädigen -
ein Charakteristikum der Prionkrankheiten.
"Ist erst einmal fehlgefaltetes und aggregiertes Prionprotein im Gewebe
vorhanden, wird eine Kettenreaktion ausgelöst, in der sich die
Umfaltung der Prionproteine fortpflanzt, wie bei Dominosteinen, die
sich gegenseitig umstoßen, sobald der erste Stein gekippt ist", erklärt
Professor Armin Giese (Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung
der LMU München). Prionkrankheiten können auf verschiedenen Wegen
ausgelöst werden: Es gibt familiäre Formen, die auf Genmutationen
beruhen, oder man kann sich mit infiziertem Material anstecken. Die
meisten Fälle aber entstehen beim Menschen vermutlich durch die
spontane Umstruktierung der alpha-Helices in beta-Faltblätter.
Was diese spontane Umwandlung auslöst, war bisher unbekannt. Nun haben
die Münchener Wissenschaftler einen Erklärungsansatz gefunden: "Zwar
werden auch andere Mechanismen für die spontane Umwandlung in die
bösartige Variante diskutiert, unserer Ansicht nach spielt aber die
Oxidation der Aminosäure Methionin im Inneren des Prionproteins eine
entscheidende Rolle ", berichtet PD Dr. Nediljko Budisa, der Leiter der
Forschungsgruppe "Molekulare Biotechnologie" am Max-Planck-Institut für
Biochemie. Methionine kommen in PrPC an mehreren Stellen vor: Einige
sitzen auf der Außenseite des Moleküls, zwei dagegen befinden sich gut
abgeschirmt im Inneren der Molekülstruktur. Methionin wird durch
reaktive Sauerstoffradikale leicht oxidiert, normalerweise erreicht der
reaktive Sauerstoff aber nur die gut zugänglichen Methionine auf der
Moleküloberfläche. Dort sorgt das Enzym Methionin-Sulfoxidreduktase
dafür, dass oxidierte Methionine auch wieder reduziert werden.
Gefährlich wird es, wenn dieses Entgiftungsenzym nicht ausreichend
funktioniert - "z.B. im Alter arbeiten Enzyme manchmal nicht mehr so
gut", erklärt Budisa - oder die Zelle in oxidativen Stress gerät:
Stehen sehr viele Sauerstoffradikale zur Verfügung, werden auch die
Methionine im Molekülinneren oxidiert - ein irreversibler Prozess, der
Folgen hat: Während das recht hydrophobe Methionin normalerweise
Helixstrukturen effektiv stabilisiert, unterstützt seine oxidierte Form
die Umfaltung in Faltblattstrukturen. "Durch die Oxidation wird das
Prionprotein auseinandergedrückt und platzt regelrecht, das ist für die
Faltung natürlich verheerend", sagt Budisa.
Eine künstliche Oxidation aller Methionine unter kontrollierten
Bedingungen in der Zelle scheitert experimentell an der effizienten
Arbeit der Methionin-Sulfoxidreduktase, deshalb war der endgültige
Beweis, dass das Aggregieren der Prione tatsächlich mit der
Methioninoxidation zusammenhängt, schwierig zu führen. Die
Wissenschaftler lösten dieses Problem mit einem eleganten Trick: Sie
erzeugten maßgeschneiderte Prionproteine, bei denen Methionin durch
seine Analoge Norleucin beziehungsweise Methoxinin ersetzt ist. Diese
Analoge sind chemisch stabil, werden nicht weiter oxidiert und
simulieren in ihren chemischen Eigenschaften Methionin (Norleucin)
beziehungsweise dessen oxidierte Form (Methoxinin). "Dadurch werden
künstliche Prionproteine geschaffen, die wie Yin und Yang zwei extreme
Zustände widerspiegeln", erklärt Budisa: Ein Prion, in dem nur nicht
oxidierte Methionine vorhanden sind, und eines, in dem alle Methionine
oxidiert wurden. Dabei zeigte sich: Mit Norleucin resultiert ein
Prionprotein, das reich an Helixstrukturen ist - wie das natürliche
Prionprotein - und dessen Aggregationsneigung gering ist. Mit
Methoxinin dagegen resultierten Prionproteine, die reich an
Faltblättern sind und stark aggregieren. Im Gegensatz zum
Ursprungs-Prionprotein sind beide künstliche Varianten unempfindlich
gegenüber weiterer Oxidation durch freie Sauerstoffradikale - ihre
unterschiedliche Struktur verdanken sie demnach den verschiedenen
Methionin-Substituten.
Die Ergebnisse zeigen klar einen Zusammenhang zwischen oxidativem
Stress in der Zelle und der Fehlfaltung von Proteinen. Dies ist nicht
nur für die Prionforschung und die damit zusammenhängenden Erkrankungen
hoch interessant, sondern auch für andere neurodegenerative
Erkrankungen die mit Fehlfaltungen von Proteinen zu tun haben, wie
Alzheimer und Parkinson. Vor dem Hintergrund einer alternden
Gesellschaft wird die Zahl der Patienten mit neurodegenerativen
Erkrankungen, die sich meist erst im höheren Alter manifestieren, noch
zunehmen. Die Forschung auf diesem Gebiet kann einen Beitrag leisten,
diese altersbedingten Erkrankungen besser zu verstehen und
möglicherweise neue Therapiestrategien zu entwickeln.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.