Zwischen den Zeilen - neue Wörter im "Buch der DNA"
Archivmeldung vom 03.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWie wird die in der DNA verschlüsselte Information in die Zellfunktion übersetzt? Wissenschaftler der Universität Regensburg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) konnten Mechanismen identifizieren, mit denen molekulare Maschinen die DNA Sequenz auslesen, um so die Zugänglichkeit der DNA-Information für andere Proteinfaktoren zu regulieren.
Die entsprechende Studie: "DNA sequence- and conformation-directed positioning
of nucleosomes by chromatin-remodeling complexes" erscheint in den "Proceedings
of the National Academy of Sciences".
Grundsätzlich enthalten alle Zellen des menschlichen Körpers
die gleiche DNA-Sequenz und damit die identische genetische Information. Die
DNA-Sequenz kodiert den Bauplan und enthält die nötige Information zur Bildung
und Erhaltung eines Organismus. Jede einzelne Zelle kann dieses "DNA-Buch" mit
all seinen Plänen und "Rezepten" für die Ausführung spezifischer Funktionen
lesen, und so z.B. Muskel-, Leber- oder Hautzellen bilden. Wie aber wählt die
einzelne Zelle das passende DNA-Programm aus? Ein wichtiger Schlüsselmechanismus
hierbei ist die Verpackung des zwei Meter langen DNA-Fadens in den 100.000-fach
kleineren Zellkern, zum so genannten Chromatin (griech. chroma = Farbe; so
benannt, weil sich diese Struktur zur Lichtmikroskopie leicht anfärben läßt).
Die negativ geladene DNA ist um kleine, positiv geladene Histon-Proteine
gewickelt und bildet so eine Perlenketten-ähnliche Struktur, deren einzelne
Perlen, Nukleosomen genannt werden. Diese einzelnen Nukleosomen (Perlen) werden
durch kurze, zugängliche Abschnitte proteinfreier DNA, so genannter "linker DNA"
verbunden. Die genauen Postitionen der Nukleosomen legen fest, welche
DNA-Sequenzen in den leichter zugänglichen DNA linker Regionen zu liegen kommen,
oder durch die Histon-DNA Wechselwirkungen maskiert werden. Wenn regulatorische
DNA-Sequenzen im zugänglichen DNA-linker liegen, können sie von spezifisch
bindenden Proteinen erkannt und somit gebunden werden. Diese bestimmen widerum,
ob eine Geninformation entweder abgelesen oder stabil abgeschaltet wird. Auf
diese Weise bestimmen Unterschiede in den Nukleosomen-Positionen die
Zugänglichkeit der DNA für regulatorische Faktoren und damit die Ausprägung der
Genexpression.
Die Nukleosomen können ihre Position auf der DNA aktiv
verändern. Es handelt sich hierbei um einen dynamischen Vorgang: Unter
Energieverbrauch können molekulare Maschinen, die als "Chromatin Remodeling
Komplexe" bezeichnet werden, die Nukleosomen entlang der DNA verschieben oder
von dieser entfernen und somit die Organisation der DNA in der Perlenkette
verändern.
In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler der Arbeitsgruppe
von Prof. Gernot Längst an der Universität Regensburg in Zusammenarbeit mit Dr.
Karsten Rippe vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) einen
Mechanismus entschlüsselt, in dem "Chromatin Remodeling Komplexe" die
DNA-Sequenz auslesen, um Nukleosomen gezielt zu positionieren. Dem "genetischen
Code" übergeordnet, welcher die DNA-Sequenz mit der Proteinsequenz verknüpft,
scheint es einen weiteren "Code" zu geben, der die DNA-Sequenz mit der Position
der Nukleosomen verbindet. Da eine menschliche Zelle hunderte verschiedener
"Chromatin Remodeling Komplexe" enthält, und jede dieser Maschinen den
vorliegenden "Code" unterschiedlich interpretiert, könnten diese ein
regulatorisches Netzwerk bilden. Innerhalb dieses Netzwerks, bestimmen die
lokalen Maschinen die Positionen der Verpackungsproteine und somit die Muster
des zellulären Gen-Programms. Diese Befunde erklären, warum die Chromatin
Remodeling Komplexe für DNA-abhängige Prozesse essentiell sind und Mutationen
dieser Maschinen häufig mit der Entartung von Zellen assoziiert sind.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.