Lichtmangeldepression: Oberberg Experten erklären, wie Lichtduschen bei trüben Tagen therapeutisch helfen können
Archivmeldung vom 24.11.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićWir stecken mitten im Novembergrau - und es wird nicht besser. Bis Mitte Dezember werden die Tage noch kürzer und damit die Stimmung vieler Menschen stetig dunkler. Kein Wunder: Mangelndes Tageslicht kann körperlich und psychisch zusetzen und sogar bis zu einer Lichtmangeldepression führen.
Prof. Dr. Dr. Matthias J. Müller, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Oberberg Gruppe, und Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Jähne, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura und der Oberberg Tagesklinik Lörrach, informieren rund um die Depression durch Lichtmangel und erklären, was man tun kann, um gut durch die dunkle Jahreszeit zu kommen.
Lichtmangeldepression - typisch für nordische Länder
Zahlreiche Studien belegen, dass die bekannte "Herbst- oder Winterdepression" in Wahrheit eine "Lichtmangeldepression" ist. "Typische Beschwerden aufgrund von Lichtmangel treten vor allem in nordischen Ländern wie Norwegen und Finnland auf, wo es im Winter nur wenige Stunden hell ist. Im sonnigen Südeuropa sind diese hingegen so gut wie unbekannt", erläutert Dr. med. Andreas Jähne. In Deutschland, das bei den Tageslichtstunden im Winter etwa im Mittel liegt, sind besonders die Menschen beeinträchtigt, die ihren Arbeitsweg morgens und abends im Dunkeln zurücklegen und die Zeit dazwischen ausschließlich in Innenräumen verbringen. Denn der Hormonhaushalt aller Menschen wird durch die Menge und die Intensität des Sonnenlichts beeinflusst. Bekommt man im Laufe des Tages nur wenig Licht ab, kann das auf das Gemüt schlagen. "Der Mangel an Licht kann sogar krank machen", weiß der Psychiater.
Lichtmangel-Symptome
"Erste Alarmzeichen sind oft Schlafstörungen. Nicht selten fühlen sich Betroffene tagsüber wenig erholt und ständig müde", erklärt Jähne. Als weitere Symptome können allgemeine Antriebslosigkeit, der Eindruck, bei allen Aktivitäten gegen einen inneren Widerstand ankämpfen zu müssen und ein Gefühl von Lust- und Freudlosigkeit hinzukommen. In manchen Fällen ist auch ein erhöhter Appetit auf kohlehydrathaltige Lebensmittel zu beobachten.
Um gesund zu bleiben, sollte man durchschnittlich 15 Minuten Sonnenlicht pro Tag sehen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass auch der bedeckte Himmel genügend Licht bietet, um einer Winterdepression vorzubeugen. Allerdings ist der Aufenthalt im Hellen während der dunklen Jahreszeit oftmals gar nicht so leicht umzusetzen. Normales Lampenlicht kann den Mangel nicht ausgleichen.
Lichttherapie - duschen im Licht
Die nebenwirkungsarme Lichttherapie ist ein Verfahren, das sich besonders als physiologische Ergänzung zur Behandlung einer saisonal abhängigen Depression eignet. Außerdem kann sie bei Menschen, die zu Depressionen im Winter neigen, auch vorbeugend eingesetzt werden. Wird mit der Lichttherapie zum Beispiel bereits im Oktober begonnen, kann das Entstehen einer SAD ("seasonal affective disorder") verhindert werden.
Die Wirksamkeit einer "Lichtdusche" ist wissenschaftlich nachgewiesen. Sie beeinflusst die innere Uhr des Menschen, die in den dunklen Monaten des Jahres oder auch bei Schichtarbeit aus dem natürlichen Rhythmus geraten kann. "Bei andauernder geringer Lichtintensität wird nicht nur nachts, sondern auch tagsüber das Schlafhormon Melatonin vermehrt ausgeschüttet. Fehlt die Unterdrückung der Ausschüttung durch intensives Licht, ist Melatonin am Tag in zu hoher Konzentration vorhanden. Dann reagiert der Mensch mit Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit. Um Melatonin herzustellen, wird die Aminosäure Tryptophan stärker verbraucht und steht dadurch in geringerem Umfang für die Bildung des Neurotransmitters Serotonin zur Verfügung", so Professor Müller. "Serotonin, das für psychische Ausgeglichenheit und positive Stimmung sorgen kann, fehlt dem Gehirn dann, was zu Mutlosigkeit und Reizbarkeit führen kann."
Das helle Licht der Lichtdusche sorgt wiederum dafür, dass die innere Uhr in ihren Takt zurückfindet und sich der Serotoninspiegel wieder erhöht. Intensives Licht ohne UV- und IR-Spektren gelangt dabei über die Netzhaut bis zum sogenannten Nucleus suprachiasmaticus. Dieser Teil des Gehirns ist der Taktgeber für unseren Tagesrhythmus und beeinflusst den Serotonin- und Melatonin-Spiegel.
Lichttherapie strahlt positiv auf die Psyche aus
"Wenn die Lichttherapie konsequent intensiv eingesetzt und richtig angewendet wird, kann sie bereits nach drei Tagen eine Wirkung erzielen", weiß Dr. Jähne. Das therapeutische Licht hat eine Helligkeit von 2.500 bis 10.000 Lux (Glühbirnen besitzen höchstens etwa 1.400 Lux), was in etwa der Intensität des Sonnenlichts entspricht und sich positiv auf die Psyche auswirken kann.
Je nach Verordnung durch Ärztin oder Arzt wird die Lichtdusche im Abstand von einem halben bis zu einem Meter von den Augen entfernt aufgestellt. "Die empfohlenen Beleuchtungszeiten reichen von 30 Minuten bis maximal zwei Stunden. Die effizienteste Wirkung wird erzielt, wenn die Menschen einmal pro Minute für ein paar Sekunden ins Licht blicken", erklärt der Arzt. Um die Augen vor dem UV-Licht zu schützen, besitzen die Therapie-Lampen einen UV-Filter.
Ein weiterer wichtiger Faktor im Zusammenhang zwischen psychischem Wohlbefinden und Licht ist Vitamin D. Dieses Vitamin wird in der Haut mit Hilfe von UV-Licht der Sonneneinstrahlung gebildet. Neben Effekten auf den Knochen- und Calciumstoffwechsel, die Muskulatur und das Immunsystem führt ein Mangel zu nachteiligen Wirkungen auf Stimmung und Antrieb. In der dunklen Jahreszeit kann die Vitamin D-Versorgung schwierig werden. Weil die Tageslichtlampen kein UV-Licht enthalten, kann es für Menschen mit Depression in den Wintermonaten deshalb auch sinnvoll sein, nach Rücksprache mit dem Arzt Vitamin D zusätzlich durch Tabletten oder Tropfen zu sich zu nehmen.
Wenn die dunkle Stimmung trotzdem nicht verschwindet
Man schätzt, dass in Europa ein bis zwei Prozent der Erwachsenen von einer SAD betroffen sind. Etwa jede zehnte Depression im Winter kann als saisonale Depression bezeichnet werden, sie ist seltener als andere Depressionsformen. "Beachtet werden muss, dass die Lichttherapie häufig eine Ergänzung der Therapie bei einer (saisonalen) Depression darstellt", erläutert der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Bei schwereren (saisonalen) Depressionen reichen Licht und Sport oft nicht aus. "Dann ist die professionelle Hilfe eines psychologischen oder ärztlichen Therapeuten gefragt. Die Psycho- und eventuell auch die Pharmakotherapie werden dann durch Lichttherapie und Bewegungstherapie wirksam begleitet und ergänzt", so Dr. Jähne weiter.
Mehr über die Lichttherapie: https://www.oberbergkliniken.de/therapien/biologische-therapieverfahren
Quelle: Oberberg Kliniken (ots)