Ein Jahr nach letzter Pflegereform: Pflegende Angehörige sehen Informationsbedarf
Archivmeldung vom 26.02.2018
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Freigeschaltet durch André OttÜber die Leistungen der Pflegeversicherung für die von ihnen versorgten Pflegebedürftigen fühlen sich 33 Prozent der Befragten nicht sehr gut informiert - bei den Leistungen für sich selbst sind es sogar 44 Prozent. Auch hakt es bei der Inanspruchnahme: In 70 Prozent der Fälle wird der monatliche Entlastungsbeitrag von 125 Euro offenbar nicht genutzt.
Mit Einführung der Pflegestärkungsgesetze hatte der Gesetzgeber in der zurückliegenden Legislaturperiode umfangreiche Leistungsausweitungen in der Pflege beschlossen - auch um die deutschlandweit etwa 4,7 Millionen pflegenden Angehörigen zu entlasten. Aber wie werden die Reformen von diesen wahrgenommen? Um dies besser einschätzen zu können, hat das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) eine repräsentative Untersuchung unter über 900 informell Pflegenden im Alter von 40 bis 85 Jahren durchgeführt.
In der Analyse zeigt sich, dass zwar 90 Prozent der Befragten von den Pflegereformen wussten, aber Leistungsausweitungen anscheinend nur bedingt wahrnehmen und Angebote teilweise nicht genutzt werden. So etwa der neue monatliche Entlastungsbetrag von 125 Euro in der häuslichen Pflege: Laut 70 Prozent der Befragten wurde dieser von den Pflegebedürftigen zum Zeitpunkt der Befragung nicht in Anspruch genommen. Dabei steht er allen Pflegebedürftigen zu, die einen Pflegegrad haben und zu Hause versorgt werden.
Immerhin 25 Prozent der Befragten, die bereits vor 2017 gepflegt haben, geben an, seit den Pflegereformen mehr Angebote wie Alltagsbegleitungen nutzen zu können. 21 Prozent dieser Gruppe sagen, sie könnten sich nun mehr Auszeiten von der Pflege nehmen. Von diejenigen, die bereits seit 2014 und früher gepflegt haben und damit alle Leistungsausweitungen seit 2015 aus der Pflegesituation heraus erlebt haben können, nehmen 26 Prozent Verbesserungen in Bezug auf die Angebote wahr. Ebenfalls 26 Prozent dieser Befragten erleben positive Veränderungen bei der Möglichkeit Auszeiten von der Pflege nehmen zu können.
Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP: "Unsere Ergebnisse zeigen Licht und Schatten. Pflegende Angehörige berichten von Verbesserungen seit den Reformen. Zugleich steht zu befürchten, dass die Leistungsausweitungen noch nicht in erhofftem Maße in der häuslichen Pflege angekommen sind. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass die nötigen Angebote wie zum Beispiel Tagespflegeeinrichtungen, nicht überall in ausreichendem Umfang vorhanden sind."
Die begrenzte Wahrnehmung und Nutzung der veränderten Leistungen der Pflegeversicherung könnte auch aus mangelndem Wissen über die Möglichkeiten resultieren. So geben 44 Prozent der Befragten an, dass sie sich nicht wirklich gut über ihre Ansprüche als Pflegende informiert fühlen. 33 Prozent sehen dieses Informationsdefizit in Bezug auf die Ansprüche des Pflegebedürftigen aus der Pflegeversicherung.
Suhr dazu: "Professionelle Beratung ist ein zentraler Schlüssel zu guter Pflege. Denn: wer weiß, welche Leistungen man bekommen kann und sie dann gezielt nutzt, kann die Pflege bestmöglich organisieren. Pflegeberatung und Pflegeschulungen sind darum sehr wichtig. Pflegende Angehörige haben auf solche kostenlosen Angebote einen Anspruch."
Die Nutzung dieser Angebote scheint laut der Studie ebenfalls ausbauwürdig: Pflegeberatung haben deutlich weniger als die Hälfte (42 Prozent) der Befragten genutzt. Einen kostenlosen Pflegekurs besucht haben sogar nur 8 Prozent der Pflegenden. "Das ist mit Sicherheit viel zu wenig, gerade angesichts der besonderen gesundheitlichen Belastungen, denen pflegende Angehörige oft ausgesetzt sind", sagt Suhr.
Das ZQP bietet allen Interessierten kostenlosen Zugang zu einer Datenbank mit über 4.500 nicht kommerziellen Beratungsangeboten im Kontext Pflege deutschlandweit: www.zqp.de/beratungsdatenbank. Mehr zum ZQP und seinen Arbeitsergebnissen finden Sie unter www.zqp.de.
Methoden und Vorgehensweise der Untersuchung
Grundgesamtheit der vorliegenden Analyse sind deutschsprachige Personen in Deutschland im Alter von 40 bis 85 Jahren, die in ihrem privaten Umfeld eine Person mit Pflegegrad mindestens ein Mal pro Woche pflegen. Die Stichprobe von n = 922 Personen wurde gezogen aus einem Panel mit circa 80.000 deutschsprachigen Personen. Personen konnten nur dann teilnehmen, wenn sie zur Grundgesamtheit gehörten. Die Online-Befragung wurde in der Zeit vom 14. bis 27. Dezember 2017 durchgeführt. Die Stichprobe wurde nach Kombinationen von Alter, Geschlecht und formaler Bildung nachgewichtet und ist in diesem Sinne repräsentativ. Grundlage der Nachgewichtung war der deutsche Alterssurvey 2014, eine mehr als 20.000 Befragte umfassende Repräsentativbefragung von Menschen zwischen 40 und 85 Jahren, die in Privathaushalten in Deutschland leben. Die statistische Fehlertoleranz der Untersuchung in der Gesamtstichprobe liegt bei +/- drei Prozentpunkten.
Quelle: Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ots)