Unterrichtsausschluss wegen Windpocken
Archivmeldung vom 17.02.2018
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.02.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttIn einem offenen Brief an das Gesundheitsamt Schwäbisch Hall begründet der Medizin-Journalist Hans U. P. Tolzin ausführlich, warum der Unterrichtsauschluss Ungeimpfter nach einem Windpockenfall sowohl unverhältnismäßig als auch kontraproduktiv war.
Nachfolgend der Offene Brief vom 16. Februar 2018 an die Leiterin des Gesundheitsamtes Schwäbisch Hall im original Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Dr. König,
ich beziehe mich auf Ihr Schreiben vom 28. Nov. 2017 (siehe Anlage) an die Eltern einer Schule Ihres Landkreises, an der kurz zuvor ein Windpockenfall aufgetreten war.
In diesem Schreiben geben Sie bekannt, dass nicht gegen die Windpocken geimpfte Schüler dem Unterricht 16 Tage fernbleiben müssen.
Darüber hinaus fordern Sie Eltern von bisher nur einmal gegen die Windpocken geimpften Kindern auf, die zweite Impfung nachzuholen. Die nachgeimpften Kinder könnten dem Schreiben zufolge bereits am nächsten Tag wieder zur Schule gehen.
Ich möchte Sie hiermit bitten, für den Fall künftiger Ausbrüche Ihre Vorgehensweise zu überdenken:
Sie haben den Eltern wichtige
Informationen vorenthalten, die für die sachgerechte Beurteilung der von
Ihnen angedrohten Maßnahmen, für ihre persönliche Impfentscheidung und
ihren Umgang mit der Krankheit Windpocken wichtig wären.
Impfungen
sind invasive medizinische Eingriffe. Es werden dabei vorsätzlich
Krankheitserreger, giftige Substanzen und potentielle Allergene in einen
gesunden Organismus eingebracht. Somit handelt es sich bei Impfungen
rechtlich gesehen um Körperverletzungen, deren strafrechtliche Folgen
nur durch eine informierte Einwilligung abgewehrt werden können.
Eine informierte Einwilligung ist
jedoch nur dann möglich, wenn Eltern alle Informationen zur Verfügung
stehen, die für eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig sind.
In Ihrem Schreiben,
in dem Sie immerhin einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte der
Eltern und ihrer Kinder androhen, enthalten Sie den Familien jedoch
genau diese Informationen vor.
1. Fehlende Verhältnismäßigkeit
Die Windpocken mögen zwar hoch
ansteckend sein, sind aber eine harmlose Kinderkrankheit, die in der
Regel problemlos verläuft und erfahrungsgemäß oft mit einem
Entwicklungsschub und langfristig mit einer stabileren Gesundheit
einhergeht. Leider gehen Sie in Ihrem Schreiben hierauf gar nicht ein.
Außerdem: Eine einzelne Erkrankung macht noch keine Epidemie und
rechtfertigt nicht die Verletzung von Grundrechten.
2. Verschwiegene Alternativen der Vorsorge
Zahlreiche Studien legen nahe, dass
eine ausreichende Versorgung mit Vitalstoffen (Vitamine, Mineralien,
etc.) wichtig für eine optimale Funktion des Immunsystems ist und das
Risiko für schwere Krankheitsverläufe drastisch senken kann. Somit haben
Eltern durchaus die Möglichkeit, auch ohne eine risikobehaftete Impfung
auf den Verlauf einer Infektion, die im optimalen Falle völlig
symptomlos verlaufen kann, Einfluss zu nehmen.
Darüber
hinaus wäre es wichtig zu erwähnen, dass laut Studienlage die
Unterdrückung von Symptomen - z. B. durch Fiebersenker - regelmäßig zu
schwereren Verläufen führt.
Studien
und die Erfahrung zeigen: Je weniger regulierend - und stattdessen
allenfalls unterstützend - eingegriffen wird, desto besser die Prognose.
3. Verschwiegene Immunität durch symptomlose Erkrankung
Sie verschweigen, dass die
Windpocken auch symptomlos verlaufen können. Somit können Kinder auch
ohne Impfung und ohne Erkrankung über einen als schützend angesehenen
Antikörpertiter im Blut verfügen. Da diese Kinder als immun zu
betrachten sind, besteht keine Notwendigkeit für einen
Unterrichtsausschluss.
Bitte weisen Sie die Eltern bei nächster Gelegenheit darauf hin.
4. Zweite Impfung ist für Immunität nicht zwingend
Um den Unterrichtsausschluss
abzuwehren, bestehen Sie darüber hinaus auf eine zweite
Windpockenimpfung. Damit vermitteln Sie den Eindruck, dass ohne die
zweite Impfung keine Immunität hergestellt werden kann. Wie Sie sicher
wissen, ist dies nicht korrekt, denn die zweite Impfung soll ja nur den
Anteil der Impfversager nach der ersten Impfung reduzieren. Je mehr
Impfungen, desto größer die Risiken und der Stress für das zu impfende
Kind.
Ein
ausreichender Antikörpertiter wird in der Regel bereits nach der ersten
Impfung erreicht, was durch einen Labortest einfach zu überprüfen ist.
5. Auch frisch Geimpfte sind anfangs noch ansteckend
Sie versprechen, dass frisch
nachgeimpfte Kinder bereits am nächsten Tag wieder zur Schule gehen
dürfen. Dadurch vermitteln Sie den Eindruck, als würde der als schützend
angesehene Antikörpertiter innerhalb von 24 Stunden oder sogar weniger
erreicht.
Sie wiegen
damit Eltern, die Schule und auch die Eltern von immungeschwächten
Kindern, die ohne Risiko für Leib und Leben nicht geimpft werden können,
in falsche Sicherheit, denn das Immunsystem braucht ja in der Regel
Tage oder sogar Wochen, um den schützenden Titer aufzubauen.
Sollte ein frisch nachgeimpftes Kind tatsächlich kurz vorher Kontakt zu einem Erkrankten gehabt haben, kann es - trotz frischer Impfung – andere Kinder anstecken. Das ist besonders bei immungeschwächten Kindern heikel, die ja auf ein immunes Umfeld angewiesen sind.
Mit Ihrer Vorgehensweise verletzen
Sie Ihre Fürsorgepflicht und machen sich ggf. sogar der Körperverletzung
schuldig, sollte es zu einer schweren Erkrankung oder gar zu einem
Todesfall durch ein Kind kommen, dass zwar geimpft, aber nicht immun
ist.
6. Verschwiegene Ansteckungsquellen durch Impfversager
Sie verschweigen den Eltern, dass
es für keine Impfung, also auch nicht für die Windpockenimpfung, eine
Garantie für Wirksamkeit gibt. Damit wiegen Sie die Eltern, die Schule
und die Eltern von immungeschwächten Kindern in falsche Sicherheit, denn
die Impfversager unter den geimpften Kindern sind ja im Kontaktfalle
sowohl empfänglich als auch ansteckend.
Mit
Ihrer Vorgehensweise verletzen Sie Ihre Fürsorgepflicht und machen sich
ggf. sogar der Körperverletzung schuldig, wenn Sie auf eine Überprüfung
der Antikörpertiter bei Geimpften verzichten.
7. Verschwiegene Risiken
Sie verschweigen den Eltern, dass
es für keine Impfung, also auch nicht für die Windpockenimpfung, eine
Garantie für Sicherheit gibt. Es wäre sehr wichtig, dass Eltern vor
einer Impfentscheidung zusammen mit ihrem Kinderarzt in aller Ruhe die
Produktinformation mit den bisher bekannten möglichen Nebenwirkungen
durchgehen. Zulassungsstudien werden in der Regel nur mit nachweislich
gesunden Kindern durchgeführt. Wie sich Impfungen auf akut oder
chronisch kranke Kinder auswirken, wissen wir schlichtweg nicht. Damit
fehlt auch die Information, welche Risikogruppen besonders empfänglich
für schwere Nebenwirkungen sind.
Diese Info ist jedoch für eine vernünftige individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung von großer Bedeutung.
8. Missachtung des Verursacherprinzips bei Kostenübernahme
Angesichts der oben aufgeführten
Mängel wäre es angemessen, für die Dauer des Unterrichtsausschlusses die
Kosten für den häuslichen Privatunterricht zu übernehmen. Immerhin
haben wir in Deutschland eine Schulpflicht.
Da
die Krankenversicherungen in der Regel die Kosten für Antikörpertests
nur dann übernehmen, wenn ein akuter Krankheitsfall vorliegt, wäre es
darüber hinaus folgerichtig, wenn das Gesundheitsamt die Kosten für
diese Labortests übernimmt.
Hiermit
fordere ich Sie auf, bei künftigen Ausbrüchen das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit zu wahren und die Eltern ausreichend zu informieren,
so dass sie eine ausgewogene Nutzen-Risiko-Abwägung für ihr Kind
treffen können.
Mit freundlichen Grüßen
Hans U. P. Tolzin
Medizin-Journalist und Autor
Quelle: Impfkritik.de von Hans U. P. Tolzin